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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wanderstudienreise Bildung in Stiefeln: Wandern zwischen Natur und Kultur
Wanderurlaub oder Studienreise? Es geht beides gleichzeitig. Wer sowohl Bewegung schätzt als auch an Geschichte oder Architektur interessiert ist, kommt bei sogenannten Wanderstudienreisen auf seine Kosten. Darauf spezialisierte Anbieter sind aber rar gesät.
Wenn Claudia Holtermann mit einer Reisegruppe nach Ronda in Andalusien kommt, dann zeigt sie den Gästen nicht nur das berühmte südspanische Bergdorf mit den vielen weißen Gebäuden. Auch die umliegenden Hügel sind der Studiosus-Reiseleiterin dann einen Hinweis wert – denn dort gibt es noch weitere weiße Dörfer. Wer eine traditionelle Studienreise bucht, wird sie nur aus der Ferne sehen – auf einer Wanderstudienreise kann man sie dagegen aus der Nähe erkunden.
Seit fast 20 Jahren leitet Holtermann auch solche Wanderstudienreisen – und zwar sogar lieber als die ganz normalen Studienreisen. "Ich denke, man erlebt das Land umfassender", erklärt die Philologin. Gäste kämen mit einem erweiterten Bild des Landes zurück, wenn sie nicht nur im Bus sitzen, sondern auch längere Strecken zu Fuß zurücklegen. "Es ist die optimale Kombination für sportliche Menschen, die Lust auf Bewegung und Interesse an Kultur haben."
Vorträge und Führungen von Experten
Wie bei einer Studienreise gibt es Vorträge im Bus und Führungen, hauptsächlich von spezialisierten Reiseleitern, die ein Fachgebiet studiert haben. Holtermann hat zu Beginn ihrer Tätigkeit Kollegen begleitet und sich das nötige Wissen darüber hinaus "hart erarbeitet", wie sie sagt. Die Gruppen haben meist um 20 Teilnehmer.
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Auch beim Anbieter Wikinger Reisen müssen die Guides einiges an Qualifikationen mitbringen. "Sie verfügen über Wanderkompetenz plus Know-how in Kultur, Architektur, Geschichte, Landeskunde und haben häufig entsprechende Vorbildung" – zum Beispiel ein Studium in Geschichte, Kunstgeschichte oder Literaturwissenschaft, wie Unternehmenssprecherin Eva Machill-Linnenberg erläutert.
Die Guides müssen zudem die Wanderungen planen und Gruppen führen können sowie wissen, was in Notfällen zu tun ist. Und wenn jemand sein Fitnesslevel doch einmal falsch eingeschätzt hat? "Man muss nicht mitgehen", sagt Holtermann. Manchmal sei es auch eine Option, mit dem Bus zum Ziel vorauszufahren und dort einen Kaffee zu trinken.
Wanderungen von etwa vier Stunden
Studiosus hat seit etwa 70 Jahren Angebote für kulturinteressierte Wanderer im Programm. Etwa 70 Reisen sind es aktuell, der Schwerpunkt liegt auf Europa, erklärt Pressesprecher Frano Ilic. Zusätzlich zum Studienreisenprogramm kommen oft leichte bis mittelschwere Wanderungen bis etwa vier Stunden hinzu.
"Kultururlauber sind nicht unbedingt Bewegungsmuffel", sagt Eva Machill-Linnenberg und erklärt, für welche Klientel das "Natur und Kultur"-Programm bei Wikinger Reisen gedacht ist. Beim Kulturwandern besuchen Gäste zum Beispiel Ateliers von Künstlern oder folgen Spuren von Buchautoren.
Die körperlichen Anforderungen sind moderat, bis zu fünf Stunden reine Gehzeit pro Tag bei etwa 400 Höhenmetern sind das Maximum. Die Reisen sind beliebt: 2017 gab es ein Plus von rund 20 Prozent.
Neben Studienreisenveranstaltern haben auch Wanderanbieter wie Hauser Exkursionen oder ASI Reisen eine Mischung aus Wandern und Kultur im Programm. Deren Zahl ist aber begrenzt. "Die kann man an einer Hand abzählen", sagt Nadine Hell, Geschäftsführerin beim City Reisebüro in Waldmohr, das sich auf Studienreisen spezialisiert hat.
Zwar hätten einige der großen Veranstalter auf ihren Rundreisen auch kleine Wanderungen im Programm, "es geht aber nicht so sehr ins Detail" – sowohl, was den Bildungsanteil angeht, als auch das Wandern.
Wanderstudienreisen sind teurer
Für die sehr spezialisierten Angebote müssen Kunden oft etwas tiefer in die Tasche greifen. Während eine normale Rundreise durch Andalusien etwa 1.200 Euro kostet, liegt der Preis für eine Wanderstudienreise eher bei 1.500 Euro, so Hell. Natürlich habe auch das besonders qualifizierte Personal seinen Preis.
Wer nicht so viel ausgeben möchte, kann sich auch direkt vor der Haustür in Deutschland umsehen. Viele örtliche Wandervereine bieten Touren mit Zusatzprogramm an. "Bei uns heißt Wandern auch immer Heimat und Natur entdecken", betont zum Beispiel Stephan Seyl vom Schwarzwaldverein.
Die lokalen Vereine kooperieren in gut besuchten Regionen teilweise mit Tourist-Informationen. Diese bieten die Wanderungen auch für Nicht-Mitglieder an – oft sogar kostenlos.
Geleitet werden sie von ehrenamtlichen Wanderführern, einige haben eine Ausbildung zum zertifizierten Wanderführer absolviert. "Ein Kollege hat sich auf Erdgeschichte spezialisiert und kann an einem erloschenen Vulkan anhand der Schichten wunderbar erzählen", sagt Jürgen Wachowski vom Deutschen Wanderverband. Nur zentral buchen kann man solche Führungen nicht – oft sind sie nur für Vereinsmitglieder gedacht.
Bleibt die Möglichkeit, auf eigene Faust loszuziehen: In manchen Regionen wie dem Spessart gibt es sogenannte Kulturwege, die mit Info-Tafeln und Schildern entlang des Weges über Architektur, Geschichte, Sprache oder Landschaftsentwicklung informieren. So kann jeder seine eigene Wanderstudienreise gestalten.
- dpa