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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ein Erkrankter erzählt Partner mit Depression – Was die Liebe jetzt braucht
"Es ist ein Leben mit einem dunklen Schatten. Und absolut unreal", beschreibt Armin Rösl die Depression. Als der Redakteur 2010 erkrankte, war das nicht nur für ihn eine Herausforderung, sondern auch für seine Frau. t-online.de hat er Einblicke in seine Partnerschaft gewährt und erzählt, was ihm in dieser schweren Zeit geholfen hat.
Die Depression kam ganz plötzlich in das Leben von Armin Rösl. Er, Ehemann und Vater von zwei Kindern, erschrak vor der Intensität der negativen Gefühle, die auf ihn einstürmten. "Ich fühlte mich wie in einer Blase eingeschlossen und wusste gar nicht, was mit mir passiert. Ich habe zuerst alles für mich behalten – auch als die ersten Gedanken an Selbstmord in meinen Kopf kamen", erinnert sich der Sprecher der Deutschen Depressionsliga e.V. (DDL).
Depression – Der Partner bleibt meist ratlos zurück
Seine Frau ahnte zu Beginn nichts. Zwar bekam sie mit, dass Rösl verschlossener wurde und weniger Freude zeigte. An eine Depression dachte sie aber nicht. Als die Gefühlsschwankungen stärker wurden und er sich ihr nicht öffnete, kamen erste Ängste: Liegt es an mir? Stimmt in der Ehe etwas nicht? Liebt er mich noch?
"Für meine Frau war es sehr schwer, in dieser Zeit mit mir umzugehen. Sie verstand nicht, was in mir vorging. Warum ich so viel alleine sein wollte und quasi fast schon die Flucht vor ihr und den Kindern ergriff. Das hat für viele Reibungen gesorgt. Auch, weil ich lange geschwiegen habe", sagt Rösl.
Selbstmordgedanken – "Die Familie ist dann egal"
Irgendwann hält Rösl das Schweigen nicht mehr aus. Die Selbstmordgedanken machen ihm Angst. "Ich war mehrmals kurz davor und bin im letzten Moment zurückgeschreckt", berichtet er. "Man kann es nicht erklären. Man denkt in diesem Moment nur an sich. Die Familie und was man ihr damit antut, rückt in den Hintergrund. Es ist egal. Man will nur noch weg. Und ist überzeugt: Ohne mich sind sie besser dran."
Bei einer Depression brauchen beide Partner Hilfe
Als Rösl sich seiner Frau mitteilte, ging alles schnell: Gemeinsam suchten sie eine Klinik auf. Und dort fand nicht nur er wertvolle Hilfe, sondern auch seine Partnerin die nötige Unterstützung. Für Angehörige ist es kaum nachvollziehbar, was in dem Kopf des Erkrankten vor sich geht. Viele plagen Vorwürfe. Sie fühlen sich für die Erkrankung des anderen mit verantwortlich. "Eine Therapie ist immer für beide wichtig. Beide sehen sich großen Belastungen ausgesetzt. Für die Liebe ist die Krankheit eine echte Herausforderung. Nicht jede Beziehung hält diesem Druck stand. Ich bin meiner Frau sehr dankbar, dass sie immer zu mir gehalten hat", sagt Rösl.
Freiräume gewähren ist wichtig
Doch wie geht man mit dem Partner in dieser schwierigen Lebenssituation am besten um? Laut Rösl ist es vor allem wichtig, Freiräume zu gewähren und zu akzeptieren, dass sich der andere oft zurückziehen möchte. "Das hat nichts mit dem Partner zu tun, sondern ist eine ganz eigene Sache. Es dreht sich in diesem Moment alles um einen selbst", sagt er. Wichtig sei auch, immer wieder zu signalisieren: Wenn du mich brauchst, bin ich da. Du kannst über alles reden. "Es hat mir gut getan, wenn meine Frau und ich Abendspaziergänge gemacht haben. Manchmal haben wir geredet, manchmal nicht. Sie hat mich nie gedrängt."
"Man fühlt sich nutzlos und schwach"
Was man auf keinen Fall machen dürfe, sei, den anderen mit Vorwürfen zu überschütten. Sätze wie "Jetzt stell' dich nicht so an" oder "Jetzt sei mal ein Mann" würden die negativen Gefühle nur verstärken. "Mir als Mann ist es schwer genug gefallen, mir einzugestehen, dass ich krank bin. Gedanken, dass man schwach und nutzlos ist und eine Belastung, sind ständiger Begleiter. Solche Sätze sind dann sehr schlimm. Auch Ratschläge bringen nichts. Man kommt zu dem Kranken nicht durch. Er ist nicht in der Lage, diese umzusetzen. Er braucht professionelle Hilfe."
Den Kampf gegen die Schatten gemeinsam aufnehmen
Mit Medikamenten, einer Therapie und viel Verständnis von seiner Frau schafft Rösl, den Schatten in seiner Seele zurückzudrängen. Und wenn er sich heute immer wieder mal in sein Leben drängt, weiß er, wie er mit ihm umgehen kann, damit er nicht die Oberhand gewinnt.
"Mit einer Depression ist jeder Tag ein kleiner Kampf. Ich kann allen Paaren nur raten, offen zu sein. Negative Gedanken ehrlich anzusprechen und dem anderen zuzuhören. Vor allem, wenn dieser nicht mehr aus dem Bett kommt, sich zurückzieht, an Gesprächen nicht mehr teilnimmt, starke Stimmungsschwankungen zeigt und keine Motivation mehr hat, sollte man aufmerksam werden und Hilfe suchen", so sein Rat. "Liegt eine Depression vor, ist im schlimmsten Fall der Selbstmordgedanke nicht mehr weit entfernt. Und gegen diesen anzukämpfen, ist sehr schwer."
Mit Liebe den Kampf gegen die Depression gewinnen
Nur professionelle Hilfe kann dann noch das Schlimmste abwenden – und ist in vielen Fällen zugleich auch für die Beziehung der rettende Anker. "Ich gehe noch heute immer wieder mit meiner Frau zusammen zur Therapie. So bekämpfen wir als Team die Depression. Und jeder erfährt, was in dem anderen vorgeht. Das ist wichtig, um neben dem Kampf gegen die Krankheit auch die Liebe zu stärken", sagt Rösl.
Für seine Frau war es eine große Erleichterung zu erfahren, dass ihr Mann sie nach wie vor liebt und dass es die Depression ist, die ihren Schatten über die Beziehung gelegt hat. "Es ist für beide wichtig zu wissen, dass sie den Kampf gegen die Krankheit gemeinsam kämpfen können. Und dass die Liebe die ganze Zeit über eine Chance hat."