t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeLebenKolumne - Bob Blume

Bildung: Kunst, Musik und Sport wichtiger als MINT-Fächer?


Deutschlands Zukunft
Ohne diese Kompetenzen kommen wir nicht weit

MeinungEine Kolumne von Bob Blume

Aktualisiert am 18.01.2025 - 10:34 UhrLesedauer: 3 Min.
imago images 0760029941Vergrößern des Bildes
Das Nationaldenkmal von Goethe und Schiller in Weimar: Deutschland galt lange als Land der Dichter und Denker. (Quelle: IMAGO/Paul-Philipp Braun)
News folgen

Wenn es um die Zukunft der Arbeitswelt geht, heben Politiker gerne Naturwissenschaften und Informatik hervor. Dabei sollten ganz andere Kompetenzen gefördert werden, meint Lehrer und Kolumnist Bob Blume.

Was glauben Sie, würde Harald Lesch, Deutschlands bekanntester Wissenschaftsjournalist, Astrophysiker und Naturphilosoph, sagen, wenn Sie ihn danach fragen würden, welche Fächer in deutschen Schulen gestärkt werden müssen? Die naheliegende Antwort würde sich in etwa so anhören wie ein Absatz im Wahlprogramm der CDU: "Kompetenzen in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) sind zentral, um die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen."

Bob Blume ist Lehrer und Autor.
Bob Blume ist Lehrer und Autor. (Quelle: privat)

Zur Person

Bob Blume ist Lehrer, Bildungsinfluencer und Podcaster. Er schreibt Bücher zur Bildung im 21. Jahrhundert und macht in den sozialen Medien auf Bildungsthemen aufmerksam. In seiner Kolumne für t-online kommentiert er aktuelle Bildungsthemen mit spitzer Feder. Man findet Blume auch auf Threads und auf Instagram als @netzlehrer, wo ihm mehr als 160.000 Menschen folgen. Sein neues Buch "Warum noch lernen?" ist ab sofort im Handel erhältlich.

Ich hatte das Glück, Lesch und dem Co-Autor seines Buches "Gute Bildung sieht anders aus", Klaus Zierer, genau diese Frage zu stellen. Und Leschs Antwort ging in die genau andere Richtung: Was gestärkt werden müsse, seien Kunst, Musik und Sport. Wie bitte?

Dass MINT-Fächer gestärkt werden müssen in einem Land, das über Jahrzehnte für die Leistung seiner Ingenieure bekannt gewesen ist, sollte jedem einleuchten. Wieso aber sprechen sich die Autoren für Fächer aus, die oft in der gesellschaftlichen Debatte als verzichtbar gelten? Um ihre Argumentation zu verstehen, braucht es ein wenig Hintergrundwissen.

Kompetenzen, die keine KI hat

Denn neben den fachlichen Kompetenzen, die notwendig sind, um in entsprechenden Jobs Fuß zu fassen, gibt es auch ganz andere, grundlegende Fähigkeiten, auf die es in der zukünftigen Arbeitswelt ankommt. Am bekanntesten sind sicherlich die sogenannten 4Ks –Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken. Sie wurden von der OECD als Grundkompetenzen für das 21. Jahrhundert definiert. Nur wenn man in der Lage ist, seine Gedanken verständlich auszudrücken, konstruktiv im Team zu arbeiten, Probleme auf innovative Art zu lösen und nicht alles zu glauben, was einem vorgesetzt wird, nur dann wird man erfolgreich sein können.

In einer Welt, die zunehmend von digitaler Automatisierung und KI geprägt ist, ist es sicherlich plausibel, sich auf die Kompetenzen zu berufen, die eben nicht die Stärke von Maschinen und KI sind. Entsprechend argumentieren Lesch und Zierer in ihrem Buch. Diese Kompetenzen "sind angesichts gravierender gesamtgesellschaftlicher Veränderungen wichtiger denn je, damit die Menschen nicht nur existieren, sondern auch ein erfülltes Leben führen können. (...) Kunst, Musik und Sport sind es, die diesem Anspruch am besten gerecht werden."

Falsch gekürzt

Ins Bild passt, dass es seit Jahren zahlreiche Berichte darüber gibt, dass viele Entscheider aus dem Silicon Valley ihre Kinder auf Reformschulen schicken. Gerade die Kreativität, die hier im Vordergrund steht, ist offenbar die Entscheidungsgrundlage dafür, staatlichen Schulen mit ihren standardisierten Curricula und Testungen den Rücken zu kehren. Aber wie sieht es in Deutschland aus?

Ein Beispiel lieferte die Diskussion in Bayern rund um die Frage, welche Fächer gekürzt werden können, wenn Mathematik und Deutsch gestärkt werden. Eine Stärkung, die aufgrund der verheerenden Ergebnisse der Grundschul-Leseuntersuchung (kurz IGLU) und der letzten PISA-Ergebnisse alternativlos erscheint. Ein Viertel der Grundschüler erreichte bei Übertritt auf die weiterführende Schule nicht die grundlegenden Kompetenzen im Lesen und Schreiben. Und in der letzten PISA-Studie wurde deutlich, dass sich auch die mathematischen Fähigkeiten der Schüler in Deutschland im Sinkflug befinden. Kürzen könne man bei den künstlerischen Fächern, hieß es damals vom Ministerpräsidenten Markus Söder persönlich, der damit seine eigene Kultusministerin zurückpfiff.

Wir brauchen Kunst, Musik, Sport

In einem Land, in dem Bildungsstudien besorgniserregende Resultate hervorbringen und gleichzeitig wenig investiert wird, ist es heikel, über Fächer zu diskutieren. Für alle Fachrichtungen gibt es Argumente, für jeden Inhalt steht ein Verband bereit, um eine Kürzung mit Händen und Füßen zu verteidigen. Klar ist aber: Niemand würde die MINT-Fächer infrage stellen.

Umso mehr lohnt sich der Gedanke, den Harald Lesch in seinem Buch formuliert: "Bildung nicht nur auf das Kognitive zu reduzieren (...), sondern den Menschen in allen seinen Möglichkeiten zu begreifen, macht den Kern eines humanistischen Bildungsverständnisses aus." Sicher, Kinder und Jugendliche müssen die Standards im Lesen, Schreiben und Rechnen beherrschen. Und sie brauchen die Kompetenzen, um etwa in einem Studium der Naturwissenschaften oder einer Handwerksausbildung mitzukommen und im besten Fall im weiteren Verlauf zu Bestleistungen zu kommen.

Aber Bildung bedeutet auch eine breite Orientierung. Sie ist unerlässlich, um sich in einer zunehmend unübersichtlichen Welt zurechtzufinden. Und für eine solche Orientierung ist es essenziell, kreativ und kritisch denken zu können. Und mit anderen zu arbeiten, wenn man allein nicht weiterkommt. Dafür braucht es die Kunst. Braucht es Musik. Braucht es Teamsport und Bewegung. Das sollten wir nicht vergessen.

Verwendete Quellen

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



Telekom