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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wichtiges Urteil für Legastheniker Lehrer dürfen Sonderbehandlung bei der Benotung im Abi-Zeugnis vermerken
Im Abitur-Zeugnis ist ein Hinweis auf die Legasthenie eines Schülers nicht zulässig. Allerdings darf vermerkt werden, dass die Rechtschreibung nicht bewertet wurde. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Drei Abiturienten aus Bayern hatten geklagt. Sie fühlten sich durch den Legasthenie-Verweis diskriminiert.
Die Kläger waren Schüler an staatlichen und privaten Gymnasien in Bayern. Einer hatte bei der Abiturprüfung wegen seiner Legasthenie einen Zeitzuschlag von zehn Prozent beantragt. Lesen und Rechtschreibung flossen nicht in die Gesamtnote ein. In seinem Abschlusszeugnis steht: "Aufgrund einer fachärztlich festgestellten Legasthenie wurden Rechtschreibleistungen nicht bewertet. In den Fremdsprachen wurden die schriftlichen und mündlichen Prüfungen im Verhältnis 1:1 bewertet."
Richter verweist auf den Notenschutz
Schon das Münchner Verwaltungsgericht hatte festgestellt, dass der Hinweis auf die Legasthenie nicht ins Zeugnis gehört. Den Vermerk zur Rechtschreibung hatten die Richter in Münchner hingegen toleriert. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat diese Auffassung bestätigt. Die Schüler hätten sich schließlich für den sogenannten Notenschutz entschieden. Darauf verwies der Vorsitzende Richter, Werner Neumann, bei der Urteilsbegründung (BVerwG 6 C 33.14 und 6 C 35.14).
Der Notenschutz setze die Bewertungsmaßstäbe außer Kraft. Damit hätten die Schüler einen Vorteil gegenüber anderen Legasthenikern, die auf den Notenschutz verzichteten und eine schlechtere Note riskierten. Deshalb sei es zulässig im Zeugnis zu vermerken, dass die Rechtschreibung nicht bewertet wurde.
Beurteilung von Legasthenikern muss im Schulgesetz geregelt werden
Die Formulierung in den Zeugnissen der drei Kläger basiert auf einem Erlass des bayerischen Kultusministeriums. Dafür rüffelten die Verwaltungsrichter die bayerische Landesregierung. Grundsätzlich müssten solche Vermerke im Schulgesetz geregelt werden. Ein Erlass des Kultusministeriums reiche nicht aus. Insoweit seien zwar sowohl die Note als auch die Bemerkung im Zeugnis rechtswidrig zustande gekommen. Die Schüler könnten aber nicht verlangen, dass die Note bestehen bleibe - der Vermerk, wie sie zustande kam, aber gestrichen werde.
Das bayerische Kultusministerium kündigte an, ein Gesetz für die Bewertung und die entsprechende Zeugnisbemerkung bei Legasthenikern auf den Weg zu bringen. Das Urteil ist auch für weitere Bundesländer wichtig, die die Benotungen in solchen Fällen nicht in Gesetzen, sondern per Verordnung oder Erlass geregelt haben.
Wann Schüler Bemerkungen im Zeugnis anfechten können
Unvorteilhafte Bemerkungen im Abschlusszeugnis können Schulabgängern noch lange Probleme bereiten. Wer nicht sicher ist, ob sie rechtens sind, kann sich in der Schulordnung informieren. "Die ist allerdings von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich", sagt Wilhelm Achelpöhler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Mitglied im Deutschen Anwaltverein. In Bayern dürfen zum Beispiel Bemerkungen zum Sozialverhalten, zu Fehlstunden und anderem im Abschlusszeugnis stehen.
Aber auch dann gilt: "Diese Bemerkungen dürfen den Übergang ins Berufsleben nicht beeinträchtigen", erläutert Achelpöhler. Kommentare, für die es keine Grundlage in der Schulordnung gibt, sind tabu. Eine Bemerkung wie "Der Schüler hat sich bemüht, pünktlich zu sein" gehöre nicht ins Abschlusszeugnis. In anderen Bundesländern darf gar nichts zum Sozialverhalten im Zeugnis stehen.
Wenn eine nachteilige Bemerkung erst später unangenehm auffällt, ist die Lage komplizierter. Steht eine Rechtsbehelfsbelehrung im Zeugnis, haben Absolventen einen Monat Zeit, sich zu wehren. Wenn sie fehlt, haben sie sogar ein Jahr Zeit. Später können Betroffene die Schule zwar noch um Berichtigung bitten - einen Anspruch haben sie aber nicht mehr.