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Einschulung: Wann ist ein Kind schulreif?


Einschulung
Fünf, sechs oder sieben - wann sind Kinder schulreif?

Wir haben Eltern, Erzieher und eine Pädagogin gefragt, wann für Kinder der beste Zeitpunkt ist, die Kindergartentasche gegen den Schulranzen zu tauschen. Das Alter sollte dabei nicht das entscheidende Kriterium sein.

Aktualisiert am 25.05.2016|Lesedauer: 5 Min.
t-online, Nicola Wilbrand-Donzelli
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Wann der "Ernst des Lebens" beginnt, bestimmen die Schulgesetze der Bundesländer. Anhand eines Stichtages für die Einschulung, der je nach Land Ende Juni, September oder Dezember liegt, teilen sie die Kinder in Muss- und Kann-Kandidaten ein, je nachdem, wann sie ihren sechsten Geburtstag feiern. So können Eltern jüngerer Kindern mitentscheiden, ob die Zeit reif ist, Rechnen, Schreiben und Lesen zu lernen.

Ob Kinder gerne zur Schule gehen, wird unter anderem auch durch das richtige Einschulungsalter beeinflusst.Vergrößern des Bildes
Ob Kinder gerne zur Schule gehen, wird auch vom Einschulungsalter beeinflusst. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Jüngere Kinder haben mehr Schwierigkeiten in der Schule

Milla wird in Hessen, wo der Stichtag der 30. Juni ist, mit fünfeinhalb Jahren vorzeitig eingeschult. Sie ist ein Kann-Kind, genau wie Tobi. Er bleibt aber noch ein Jahr länger im Kindergarten. Alexandra wird ebenfalls ab August die Schulbank drücken, denn sie hat schon im Januar ihren sechsten Geburtstag gefeiert, ist also mit sechsdreiviertel Jahren eindeutig ein Muss-Kind.

Ob die kleine Milla einen Vorteil durch ihren Frühstart haben wird, lässt sich heute noch nicht sagen. Verschiedene Studien aus Deutschland, Österreich und Großbritannien belegen aber, dass jüngere Kinder einer Klasse häufig unruhiger und unaufmerksamer sind, dass sie öfter schlechtere Noten bekommen und seltener eine Gymnasialempfehlung erhalten. Und Psychologen der Frankfurter Goethe-Universität haben nachgewiesen, dass etwa jedes siebte vorzeitig eingeschulte Kind während der Grundschulzeit eine Klasse wiederholen muss.

Eltern bevorzugen eine möglichst späte Einschulung

Die meisten Eltern bevorzugen einen möglichst späten Zeitpunkt für die Einschulung, soweit ihnen die gesetzlich festgelegten Stichtage überhaupt eine Wahl lassen. Dieser Trend lässt sich gerade in Berlin beobachten. Die Hauptstadt ist das einzige Bundesland, wo seit 2004 der 31.12. als Stichtag gilt und Kinder bereits mit fünfeinhalb Jahren schulpflichtig sind. Die Konsequenz: Seitdem steigen die Rückstellungen drastisch an. Viele Eltern stellen Anträge, ihre Kinder erst ein Jahr später einzuschulen. Im Schuljahr 2013/2014 war es jedes zehnte Kind.

Mutter: "Kinder müssten vor der Einschulung individueller beurteilt werden"

"Ich bin froh, dass wir nicht in Berlin wohnen und meine Tochter so mehr Zeit hatte bis zu ihrer Einschulung", meint Karin, deren sechsjährige Tochter seit dem letzten Sommer in Dieburg (Hessen) die Grundschule besucht, sich mittlerweile eingelebt hat und mit dem Stoff gut zurechtkommt.

"Das läuft aber nicht immer so glatt, auch wenn die Kinder vom Alter her schulpflichtig sind. Deshalb wäre es besser, gar kein bestimmtes Schulalter zu definieren, denn jedes Kind ist anders und gerade bei Sechsjährigen gibt es große Entwicklungsunterschiede. Also sollte am besten jedes Kind individuell beurteilt werden. Eltern müssten immer das letzte Wort haben - nicht die Schule. Die eher kurze schulmedizinische Untersuchung trägt jedenfalls wenig dazu bei, die Reife eines Kindes einzuschätzen. Das ist eher ein Witz," findet die Mutter.

"Noch ein Stück mehr unbelastete Kindheit erleben"

Auch der Sohn von Susanne kommt dieses Jahr im Sommer in Frankfurt in die Schule. Er ist dann aber schon sieben Jahre alt. Weil er im August Geburtstag hat, fiel er vergangenes Jahr unter die Kann-Regelung, aber seine Eltern beschlossen, lieber noch ein Jahr zu warten. "Wir wollten auch im Hinblick auf die verkürzte Gymnasialzeit, die es in vier Jahren vielleicht noch gibt, dass unser Sohn noch ein Stück mehr unbelastete Kindheit ohne Schuldruck hat. Dazu haben uns auch die Erzieher geraten, denn sie kennen die Kinder schon über eine lange Zeit und wissen, wie sie sich verhalten und was sie können."

Erzieher: Der Kindergarten muss mehr Einfluss haben

Ein verbrieftes Mitspracherecht beim Thema Einschulung wünscht sich auch Erzieher Johannes: "Wir würden gerne mehr von den Schulen gehört werden. Die Eltern sprechen uns meist sowieso vorher an", erzählt er. "Meiner Meinung nach kann man ohnehin kein spezielles Zeitfenster benennen, wenn ein Kind auf jeden Fall schulreif ist. Dafür sind sie zu unterschiedlich und lassen sich in ihrer Entwicklung nicht über einen Kamm scheren."

Seine Idealvorstellung wäre, dass Erzieher, die die Kinder über Jahre begleitet haben, eine Art Empfehlung - ähnlich wie bei der Grundschulempfehlung für weiterführende Schulen - aussprechen. "Die sollte dann aber auch Gewicht haben und nicht nur als unverbindlicher Rat gesehen werden. Die Stichtagesregelung wäre dann überflüssig."

Johannes' Kollegin Sina plädiert dafür, dass man sich bei der Einschulung weniger auf das Alter fixiert, sondern den Fokus auf den Unterschied zwischen Mädchen und Jungen richtet: "Jungs sollten meines Erachtens eher später - also mit sieben - eingeschult werden, denn sie tun sich in diesem Alter mit dem Schulalltag oft schwerer als Mädchen, weil unser Lernsystem auf eher weibliche Verhaltensweisen ausgerichtet ist, wie geduldiges Stillsitzen, Zuhören, Basteln, Malen oder Schönschreiben."

Lehrerin: Eingangsstufe kann jedem Alter gerecht werden

Grundschullehrerin Britta, die seit zwanzig Jahren als Pädagogin arbeitet, will an den Muss- und Kann-Regelungen nicht rütteln: "Ich finde, dass die Schulgesetze da schon genug Spielraum lassen. Das sieht man schon daran, dass in einer ersten Klasse sowohl Fünf- als auch Siebenjährige sitzen. Dies als Lehrer unter einen Hut zu bekommen, ist manchmal aber ganz schön schwierig."

Aus diesem Grund ist sie dafür, den Unterricht an die ABC-Schützen anzupassen, um jeder Altersklasse gerecht zu werden: "Ich fände es wünschenswert, wenn entweder der Unterricht grundsätzlich in kleineren Gruppen stattfände, wo auch Toben und Bewegung nicht zu kurz kämen, oder aber die Eingangsstufe überall verbindlich eingeführt würde, wo der erste und zweite Jahrgang eine pädagogische Einheit mit jahrgangsübergreifenden Lerngruppen bilden."

Altersbedingte Anlaufschwierigkeiten könnten so leichter ausgeglichen werden. Kein Kind bleibe zurück oder müsse zurückgestellt werden, und auch lernstarke Kinder, die sich mit der Schule leichter tun, könnten bereits nach einem Jahr ins dritte Schuljahr wechseln, sagt Britta.

Erfahrungen mit einem Kann-Kind

Die Grundschullehrerin hat aber nicht nur als Pädagogin, sondern auch als Mutter eines Kann-Kindes Erfahrungen mit den Einschulungsregelungen gemacht. Vor neun Jahren standen sie und ihr Mann selbst vor der Frage: Einschulen oder noch warten? "Wir haben uns bei unserer Tochter, die damals noch fünf war, für die frühe Einschulung entschieden", erzählt Britta.

"Ich dachte, das wird bei einem Lehrer-Kind schon klappen, zumal unsere Kleine mit vielen ihrer Freunde gemeinsam vom Kindergarten in die Schule wechselte. In dieser Gruppe fühlte sie sich aufgehoben und mitgetragen. Aber schon bald begannen die ersten Lernschwierigkeiten - und sie kam nicht mehr so gut mit. Sie träumte viel und konzentrierte sich nur schlecht."

In der vierten Klasse vor den weiterführenden Schulen haben die Eltern die Notbremse gezogen und ihre Tochter ein Jahr wiederholen lassen. "Das hat ihr gut getan. Zurückblickend würden wir uns heute wahrscheinlich anders entscheiden und unser Kind erst später einschulen, nicht schon mit fünf. Es sei denn, es wäre eine Schule mit Eingangsstufe."

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