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Schule: Wie sinnvoll sind Geldstrafen für Schulschwänzer?


Kein Bock oder keine Perspektive?
"Bußgeld für Schulschwänzer ist ein Politikerreflex"

Die Schlagzeile klingt markig: "Experten fordern harte Strafen für Schulschwänzer! 150 Euro Strafgeld ab dem zweiten Fehltag", heißt es in einem Artikel von "Bild Online" zur Debatte über den Umgang mit Schulschwänzern in Berlin. Der Ruf nach Geldbußen ist populär - aber ist er wirklich sinnvoll? Die Elternredaktion von t-online.de hat bei Lehrer- und Polizeivertretern nachgefragt.

28.01.2014|Lesedauer: 3 Min.
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Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, erklärt, warum die Polizei Argusaugen auf Schulschwänzer richtet. Bei einer Fachtagung über Jugendkriminalität habe der bekannte Kriminologe Christian Pfeiffer über zwei auffällige Faktoren bei Jugendlichen berichtet, die auf die kriminelle Bahn geraten: Gewalt in der Familie und Schule schwänzen.

Kein Bock auf Schule! Schule schwänzen hat vielschichtige Ursachen.Vergrößern des Bildes
Kein Bock auf Schule! Schule schwänzen hat vielschichtige Ursachen. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

"Nicht alle Schulschwänzer werden kriminell, aber es gibt einen signifikanten Zusammenhang," erläutert Wendt. Wenn Jugendliche sich in Einkaufszentren und Parks herumdrückten, statt die Schule zu besuchen, kämen sie eher auf dumme Gedanken, erst recht, wenn eine Gruppendynamik einsetze.

Nachsehen, was in den Familien los ist

Wendts Standpunkt: Der Staat muss eingreifen, aber mit Geldstrafen ist es nicht getan. "Bußgeld für Eltern von Schulschwänzern ist ein typischer Politikerreflex. Ich bin zwar auch für Sanktionen gegen Eltern, die den Bildungsauftrag nicht erfüllen - aber das alleine reicht nicht," sagt Wendt. Er befürwortet staatlich organisierte Sozialarbeit. Wenn ein Kind als notorischer Schulschwänzer auffällt, müsse man prüfen, was in der Familie los ist.

Der Polizist kritisiert, dass die Städte und Gemeinden immer mehr Personal in der Familien-, Kinder- und Jugendhilfe einsparen und die Aufgaben an eine Vielzahl halbprivater, freier Träger auslagern, deren Arbeit kaum kontrollierbar sei und die schließlich an sozialen Missständen ihr Geld verdienten. "Ich halte das für eine Fehlentwicklung." Es ärgert ihn, dass viele Milliarden Euro in Familienhilfen fließen, ohne das die Wirksamkeit geprüft wird.

Schule schwänzen ist kein Unterschichtenphänomen

Wendt räumt mit dem Vorurteil auf, dass sich vor allem Kinder aus einem sozial schwachem Milieu oder Migrantenfamilien vor dem Unterricht drücken. "Schule schwänzen zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten." Gleichwohl sei das Problem in Großstädten, insbesondere in Brennpunktvierteln, massiver als in ländlichen Regionen, wo die soziale Kontrolle noch besser funktioniere.

Die familiären Probleme von Schulschwänzern sind vielfältig. Oft sei es ein Kreislauf aus Elternversagen, Erziehungsunfähigkeit, Alkoholismus, Gewalt und Kriminalität, den es zu durchbrechen gelte. "Gegebenenfalls muss man die Kinder in staatliche Obhut nehmen", findet Wendt. "Undifferenziert über Bußgeld nachzudenken, macht keinen Sinn, es muss individuelle Maßnahmen geben."

"Schulschwänzer nicht mit Samthandschuhen anfassen"

Genau wie die Schulpolitik sind Sanktionen gegen Schüler, die dem Unterricht fernbleiben, von Land zu Land unterschiedlich geregelt. In Bayern würden sie von der Polizei abgeholt, in Mecklenburg-Vorpommern seien Geldbußen in vierstelliger Höhe möglich, weiß der Chef des Deutschen Philologenverbandes, Hans-Peter Meidinger.

"Man darf Schulschwänzer nicht mit Samthandschuhen anfassen, sondern muss den Mut haben, hart durchzugreifen, statt wegzuschauen", sagt Meidinger und schränkt ein: "Strafen dürfen aber erst das letzte Glied in der Kette sein." Geldstrafen hält er für wenig sinnvoll. Einen notorischen Schulschwänzer mit "lukrativen Geschäften nebenher" werde es kaum jucken, eine alleinerziehende Mutter knapse sich das Bußgeld womöglich vom geringen Einkommen ab, ohne auf ihr Kind einwirken zu können.

Negativspirale der Perspektivlosigkeit

Wie viele Schüler in Deutschland regelmäßig die Schule schwänzen, sei schwer zu schätzen, doch das Problem nehme eher zu, stellt Meidinger fest. "Es geht hier um mehr als um versäumten Unterricht." Der Lehrer warnt vor einer für die Gesellschaft schädlichen Negativspirale aus Perspektivlosigkeit und Resignation bei Schülern, die den Eindruck gewinnen, dass sich Bildung nicht lohnt oder dass ein niedriger Schulabschluss nichts wert sei. Auf dem Arbeitsmarkt zeichne sich eine Verdrängung von oben nach unten ab, für manche Lehrstellen werde mittlerweile schon das Abitur gefordert.

Im besten Fall erkennen Lehrer die ersten Anzeichen von Resignation und können mit Gesprächen oder Einzelcoaching gegensteuern. Meidinger erzählt von Modellversuchen, bei denen Lehrer oder Sozialarbeiter Schulschwänzer zuhause abholen und ihnen damit signalisieren "du bist uns wichtig." Wenn in dieser Situation aber auch die Pädagogen resignieren, weil sie den Schüler nicht mehr motivieren können und die Eltern nicht erreichen, ist die Abwärtsspirale kaum noch zu stoppen.

Vielen Eltern von hartnäckigen Schulschwänzern unterstellt er eher Gleichgültigkeit als Kontrollverlust. Meidinger ist für eine Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche. "Wir müssen die Ursachen erforschen, ein schulisches Anreizsystem schaffen, Sozialarbeit leisten und mit Nachdruck verfolgen - dann nötigenfalls mit Sanktionen."

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