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Kindesentwicklung: Babys sind keine "Forscher in Windeln"


Studie stellt Frühförderung in Frage
Babys sind besser in Mathe als Dreijährige

Wie denken Babys und Kleinkinder? Das erkunden Entwicklungspsychologen an der Universität von Greifswald mit ausgeklügelten Tests. Psychologe Horst Krist widerlegt das Klischee von Babys als "Forschern in Windeln" und präsentiert neue Erkenntnisse über die Kindesentwicklung.

16.04.2014|Lesedauer: 2 Min.
dpa, Martina Rathke
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Den Forschern geht es bei den Untersuchungen nicht um die Überprüfung der Intelligenz einzelner Kinder, sondern um die Beschreibung von Denkstrukturen von Kleinkindern. Mit ihren Forschungen stellen die Wissenschaftler auch in der Gesellschaft gängige Auffassungen infrage. "Die Vorstellung von Babys als 'Forschern in Windeln' ist ein Klischee", sagt der Professor für Entwicklungspsychologie der Universität Greifswald, Horst Krist.

Kindesentwicklung: Mit ausgeklügelten Tests erkunden Entwicklungspsychologen aus Greifswald das Denken von Kleinkindern.Vergrößern des Bildes
Der dreijährige Joel sitzt vor dem "Schweinchen-Theater". Mit ausgeklügelten Tests erkunden Entwicklungspsychologen aus Greifswald das Denken von Kleinkindern. (Quelle: Stefan Sauer/dpa)

Babys haben besseres Mathe-Verständnis als Kleinkinder

Die von der Säuglingsforschung lange angenommene Geradlinigkeit in der Entwicklung des Denkens gebe es nicht. "Säuglinge denken rein intuitiv und ganz anders als Kinder im Vorschulalter, deren Denken an die Sprache gekoppelt ist." In einer Umbruchphase, die ungefähr im Alter von drei Jahren stattfinde, schnitten Kinder bei den Untersuchungen in Greifswald bei Aufgaben zum mathematischen, physikalischen oder psychologischen Verständnis schlechter ab als Babys. "In diesem Alter wird das intuitive Wissen von expliziteren, bewussteren Formen des Wissens überlagert."

Frühförderung basiert auf falschen Annahmen

Überzogene Annahmen wie die Förderung des Babys im Mutterleib, die auf der Grundlage basierten, dass in Babys bereits der Forscher in Windeln stecke, müssten überdacht werden. In den ersten Lebensjahren gebe es enorme Veränderungen im Denken. Die kognitive Entwicklung sei in den ersten Lebensjahren stärker von Brüchen und weniger Kontinuität gekennzeichnet als bislang angenommen.

Beim "Schweinchen-Theater" stimmt was nicht

In spielerischen Situationen erfassten die Entwicklungspsychologen das alltagsbezogene mathematische, physikalische und psychologische Denken von Kindern im Alter von einem bis sechs Jahren. Im Test "Schweinchen-Theater" wird den Kindern beispielsweise eine Bühne mit einem Schweinchen gezeigt. Danach wird der Vorhang heruntergelassen und sichtbar für das Kind von der Seite ein zweites Schweinchen hineingeschoben. Nicht sichtbar wird ein drittes Schweinchen danebengestellt und der Vorhang gehoben. Während Babys mit Verwunderung und langem Blickkontakt auf die drei Schweinchen reagieren, würden Dreijährige das Bild mehrheitlich ohne Widerspruch und Verwunderung hinnehmen.

Die Sprachentwicklung wird zum Hindernis

Die genauen Ursachen für das schlechtere Abschneiden von Dreijährigen kennen die Forscher noch nicht genau, aber womöglich steht ihnen dabei die Sprachentwicklung im Weg. "Kinder beginnen mit drei Jahren auf die Sprache zu setzen", erklärt Krist. "Sie wollen ihr Wissen in Sprache artikulieren, sind darin aber noch sehr schlecht." Als Vergleich nannte er die Fortbewegung von Kindern. "Ein Kind, das super krabbeln kann, stellt trotzdem auf das Laufen um, obwohl es damit zunächst einmal weniger Erfolg haben wird."

Der Professor für Entwicklungspsychologie warnt zugleich vor voreiligen Rückschlüssen der Studienergebnisse für die Frühförderung. Ziel der Grundlagenforschung sei es zunächst, die frühe Entwicklung des Denkens und Wissens und damit auch die Kognition im Erwachsenenalter besser verstehen zu können. Nur auf der Basis eines realistischen Bildes ließen sich optimale Lern- und Erfahrungsumwelten für Kinder schaffen und Strategien für die angemessene Förderung von Kindern mit Entwicklungsdefiziten ableiten.

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