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Indoor-Spielplätze - Tobe-Paradiese mit Risiken?


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Indoor-Spielplätze - Tobe-Paradiese mit Risiken?

Vor etwa acht Jahren fing alles an: Da stellten findige Unternehmer erstmals Spielgeräte in leerstehende Tennis, Squash- oder Lagerhallen auf, richteten dazu einen Gastronomie-Betrieb samt Räumen für Kindergeburtstage ein - und fertig war der Indoor-Spielplatz. Mittlerweile ist daraus ein regelrechter Boom geworden. 350 der wetterunabhängigen Spielplätze mit etwa 20 Millionen Besuchern jährlich gibt es bei uns. Meist werden sie von der gesamten Familie genutzt und sind ein beliebter Ausrichtungsort für Kindergeburtstage. Aber sie haben Tücken was Sicherheit und Aufsichtspflicht angeht. Das sollten Eltern beachten, wenn Sie mit ihren Kindern einen Indoor-Spielplatz besuchen.

04.06.2012|Lesedauer: 5 Min.
t-online, Nicola Wilbrand-Donzelli
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"Eigentlich mochte ich diese ungemütlichen Hallen anfangs gar nicht. Aber kürzlich ist meine Kleine dort auf einem Geburtstag eingeladen gewesen. Und es war super. Alle Kids hatten einen Riesenspaß. Vor allem das Bälle-Bad war der Renner - genau das Richtige zum Austoben. Das machen wir auf jeden Fall bald mal wieder." So beschreibt eine Mutter in einem Eltern-Forum ihren ersten Besuch in einem Indoor-Spielplatz. Auch viele andere Eltern äußern sich im Internet entsprechend begeistert über die abwechslungsreichen Beschäftigungsangebote.

Ein Klettergerüst in einem Indoor-Spielplatz in Lohne.Vergrößern des Bildes
Ein Klettergerüst in einem Indoor-Spielplatz in Lohne. (Quelle: dapd/dapd)

Eltern haben immer die Aufsichtspflicht

Der typische Besucher in einem Hallenspielplatz ist zwischen sechs und zwölf Jahren und kommt vorzugsweise an verregneten und kühlen Wochenenden zusammen mit Mama und Papa. Unzählige Spielgeräte wie etwa Trampoline, Rutschen, Klettergerüste oder Hüpfburgen warten dann darauf, ausprobiert zu werden. Doch damit es ein richtiger Familienausflug wird, sollten die Erwachsenen ruhig mitmachen. Das ist bei den meisten Betreibern nicht nur erlaubt, sondern auch ausdrücklich erwünscht. Es ist ohnehin wichtig, dass die Erziehungsberechtigten nicht zu weit weg gehen und ihren Nachwuchs wenn möglich immer im Auge behalten. Die Aufsichtspflicht liegt nämlich weiter bei den Eltern oder, wenn es sich um einen Kindergeburtstag handelt, bei den erwachsenen Begleitpersonen.

Das Personal sollte Präsenz zeigen

Das Personal in den Hallen kümmert sich ähnlich wie ein Bademeister eher um das große Ganze. Es ist für einen reibungslosen Ablauf verantwortlich und sorgt dafür, dass die Spielgeräte ordnungsgemäß funktionieren und benutzt werden können. Nach Meinung des Sachverständigen Mathias Lompa vom TÜV Rheinland sollte die Hallenaufsicht wenn möglich immer präsent und für die Besucher der Halle ansprechbar sein. "Das ist auch ein Qualitätsmerkmal solcher Spielplätze", erläutert er. "Denn die Aufseher sollten unbedingt darauf achten, dass eine gewisse Ordnung herrscht und zum Beispiel Laufräder oder Bobbycars nicht direkt vor dem Ende einer Rutsche abgestellt werden. Das bedeutet erhöhte Unfallgefahr."

Ein verbindliches TÜV-Siegel gibt es nicht

Doch wie können Eltern erkennen, ob der Hallenspielplatz wirklich geeignet und sicheres Spielen gewährleistet ist? Ein obligatorisches Prüf-Siegel wie etwa bei Autos gibt es bei den Hallenspielplätzen jedenfalls nicht. Das ist bei öffentlichen Spielplätzen, die meist von der Kommune betrieben werden, anders. Hier ist eine regelmäßige Kontrolle der Anlage samt Geräten verpflichtend. Bei den privat betriebenen Indoor-Spielplätzen macht der Gesetzgeber keine verbindlichen Vorschriften für die technische Überprüfung durch Dritte. Hier liegt lediglich die sogenannte europäische Norm "DIN/EN 1176" zugrunde, die die Sicherheitsstandards und Anforderungen für Spielgeräte festlegt und detaillierte Angaben zu Maßen, Abständen, Untergrund, Schutzvorrichtungen und Materialbeschaffenheit macht.

Wie die Norm allerdings umgesetzt und die Sicherheit garantiert wird, ist schließlich Sache des Betreibers. Der einzige offizielle Check einer solchen Anlage findet vor ihrer Eröffnung statt, ähnlich wie bei einer Bauabnahme. "Es sind eben private Unternehmer, die solche Hallen führen", kommentiert Mathias Lompa. "Und sie haben vor allem wirtschaftliche Interessen, machen deshalb oft nur das Nötigste, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Denn solche fachgerechten Begutachtungen kosten natürlich Geld." Eltern müssen sich deshalb in der Regel darauf verlassen, dass der Betreiber bei der Errichtung und Anordnung der Geräte den Norm-Kriterien gerecht wird.

Stiftung Warentest entdeckte erhebliche Mängel

Nach Erfahrungen des TÜV-Sachverständigen ist die Bereitschaft der Hallen-Betreiber, freiwillige Untersuchungen durchzuführen, nicht sehr verbreitet: "Letztendlich ist es an der falschen Stelle gespart. Denn wenn man so ein Siegel vorzuweisen hat, dann können sich die Kunden voll und ganz auf die Sicherheit der Anlage verlassen und kämen wahrscheinlich gerne wieder. Das ist also ein echtes Qualitätskriterium. Aber leider haben wir in den letzten zwei, drei Jahren nicht mehr als eine Handvoll Betriebe geprüft. Das ist eindeutig zu wenig", so das Fazit des Experten.

Genau dies haben 2006 auch die Verbraucherschützer der Stiftung Warentest bemängelt. Von den untersuchten 19 Spielplätzen wiesen nämlich elf erhebliche Mängel auf und bekamen die Note Mangelhaft, fünf weitere nur Ausreichend.

Stiftung Warentest: "Unhaltbarer Zustand"

Aufgrund dieser ernüchternden Ergebnisse nannten die Experten vor allem die fehlende Überprüfungspflicht einen "unhaltbaren Zustand" und hielten in ihrer Beurteilung fest, dass es unbedingt notwendig sei, endlich eine Kontrolle durch die Behörden obligatorisch zu machen - vor allem auch im Hinblick auf die vielen Hallen, die nicht untersucht wurden: "Denn es kann nicht sein", so der Kommentar von Stiftung Warentest, "dass im überregulierten Deutschland, wo für die Anbringung eines Firmenschildes diverse bürokratische Hürden genommen werden müssen, sich niemand für die Kontrolle der Sicherheit von Indoor-Spielplätzen zuständig fühlt. Ausgerechnet hier, wo es um die Gesundheit von Kindern geht, wird die Verantwortung ausschließlich dem Betreiber zugeschoben!"

Um dieser Kritik imagefördernd entgegenzuwirken, wird der seit 2004 bestehende "Bundesverband Deutscher Hallenspielplätze" (VDH) nun selbst tätig: Anfang 2013 sollen sich dann im Rahmen eines sogenannten Ehrenkodex alle ordentlichen Mitglieder verpflichten, jährliche Sicherheitsprüfungen durch anerkannte Sachverständige durchführen zu lassen. So ist es auf der Website der Organisation angekündigt. Allerdings gehören die meisten Betriebe hierzulande dem Verband gar nicht an.

Gefahrenstellen lauern überall

Auch wenn Prüfplaketten objektiver Tester noch zu häufig fehlen, kann der ungeübte Laie trotzdem mit einem kritischen Blick schnell feststellen, wie es um den Sicherheitsstandard eines Indoor-Spielplatzes bestellt ist. "Ein gutes Indiz für einen ordentlichen Zustand", weiß TÜV-Experte Lompa, "ist etwa, wenn an jedem Gerät Spielordnungen beziehungsweise Verhaltensvorschriften hängen und deren Einhaltung dann auch vom Personal überprüft wird."

Obwohl die Hygiene einer Halle nicht unmittelbar etwas mit der Sicherheit zu tun hat, kann auch sie ein Indikator für fehlende Sorgfaltspflicht der Betreiber sein. Denn wer die Böden nicht reinigt oder Abfalleimer nicht leert, legt vielleicht auch wenig Wert auf die Pflege und Wartung seiner Anlage.

Lebensgefahr bei offen zugänglicher Elektrik

Typische Gefahrenstellen, die immer wieder bemängelt werden, sind etwa hervorstehende Schrauben, durchgescheuerte Seile, schlampig befestigte und viel zu grobmaschige Fangnetze, schadhafte, nur noch teilweise vorhandene Aufprallpolsterungen oder ein gänzlich fehlender Fallschutz. Riskant kann auch die Benutzung von Spielgeräten sein, die scharfe ungeschützte Kanten aufweisen oder so montiert sind, dass die Möglichkeit besteht, in engen Zwischenräumen Finger oder Füße einzuklemmen. Entdeckt man solche Verletzungsfallen, sollte man den Betreiber umgehend und energisch auf die Sicherheitsmängel aufmerksam machen und beim nächsten Besuch noch genauer hinschauen und die Verantwortlichen fragen, inwieweit nachgebessert wurde.

Von elektronisch betriebenen Spielgeräten wie zum Beispiel Plastik-Hüpfburgen kann sogar Lebensgefahr ausgehen. "Hier darf auf keinem Fall die Elektrik, die etwa für das Gebläse zuständig ist, offen herumliegen und in Reichweite von Kindern sein. Das gilt auch für kleine Elektroautos. Wenn hier Kabel frei liegen, ist der Reiz groß, einfach mal daran herum zu fingern", warnt Mathias Lompa. Außerdem sei als Sicherheitskriterium ebenfalls wichtig, dass die Fluchtwege frei seien und die Geräte zudem "luftig" und gut einsehbar aufgestellt seien. So könnten Erwachsene im Notfall jederzeit Hilfe leisten.

Auf die richtige Kleidung kommt es an

Trotz aller Vorsicht: Eine hundertprozentige Sicherheit beim Spielen gibt es nicht. Gerade Abenteuerlust und der Bewegungsdrang von Kindern lassen sich nur schwer kalkulieren. Ein gewisses Restrisiko bleibt also. Doch auch hier können Eltern Gefahrenminimierung betreiben und etwa Vorkehrungen mit einem spielgerechten Outfit treffen: Auf keinen Fall dürfen Kinder beim Herumtoben Kleidung mit Kordeln, Schlüsselanhängern oder auch Halsketten tragen. Sonst besteht die Gefahr, dass sie beim Rutschen oder Klettern an den Geräten hängen bleiben, sich verletzen oder sich im schlimmsten Fall strangulieren. Außerdem ist es für einen sicheren Tritt sinnvoll, rutschfeste Turnschlappen oder Bremssocken zu tragen. Straßenschuhe sind in Hallenspielplätzen ohnehin verboten.

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