Erstaunliche Entdeckung Gewaltiges Tiertreffen an Vulkan – das steckt dahinter
Kraken-Spektakel: Vor der Küste Kaliforniens haben Wissenschaftler den bislang größten Oktupusgarten der Welt entdeckt. Die Versammlung dient einem wichtigen Ziel.
Eigentlich sind Kraken Einzelgänger. Die cleveren Tarnkünstler leben allein und suchen sich nur zu einem einzigen Zweck Gesellschaft – Paarung. Diese spielt offenbar auch bei einem spektakulären Naturphänomen eine Rolle, das vor der Küste Kaliforniens beobachtet werden kann. Dort haben Wissenschaftler den bislang größten sogenannten Oktopusgarten der Welt entdeckt.
In eisiger Tiefe von rund 3.000 Metern zieht es Tausende Perlenkraken (Muusoctopus robustus) an die Hänge des erloschenen Tiefseevulkans Davidson Seamount. Bis zu 20.000 Tiere werden hier vermutet. Weltweit sind zwar mehrere solcher Krakentreffpunkte bekannt. Diese sind jedoch alle wesentlich kleiner als der in Kalifornien. Doch warum ist der Unterwasserberg so beliebt bei den achtarmigen Tintenfischen?
Ein Forschungsteam des Monterey Bay Aquarium Research Institute (MBARI) hat seit der Entdeckung des Phänomens im Jahr 2008 geforscht und mehr als 14 Tauchfahrten zu dem 2.000 Meter hohen Unterwasservulkan unternommen. Nun hat das Forscherteam in dem Wissenschaftsmagazin "Science Advances" eine Erklärung für das Naturschauspiel veröffentlicht. Das Areal ist laut Forschern eine Kinderstube der Tiefsee-Oktopoden. Hier paaren sich zahlreiche Kraken und brüten ihren Nachwuchs aus.
Warmes Wasser erhöht Fortpflanzungserfolg
In dem 2,5 Hektar großen Gebiet zählten die Forscher allein von März bis August 2022 5.718 Oktopoden, davon waren mehr als 4.700 der Kraken brütende Weibchen. Das Team vermutete in der Umgebung insgesamt aber sogar bis zu 20.000 Kraken. Auch beobachtete man befruchtete Eier und frisch geschlüpfte Jungkraken, allerdings hielten sich dort keine größeren oder fressenden Kraken auf.
Auch deshalb kamen die Wissenschaftler einer faszinierenden Schlussfolgerung für das Kraken-Spektakel: Der Davidson Seamount bietet die perfekte Umgebung für die Tiere, um sich erfolgreich fortzupflanzen. Denn rund um den Berg steigen hydrothermale Quellen auf. Erkennen konnten die Taucher diese durch Schlieren im Wasser, die entstehen, wenn sich wärmeres in kalte Tiefseewasser mischt. Das 1,6 Grad kalte Wasser erreicht an den Quellen angenehme 11 Grad.
Oktopoden sind kaltblütige Tiere, deren Stoffwechsel durch wärmere Außentemperaturen angeregt wird. Daher sitzen Tiefseekraken in eisigen Gewässern fünf bis acht Jahre auf ihren Eiern, um sie auszubrüten und vor Fressfeinden zu schützen. Die Weibchen, die rund 60 Eier ablegen, suchten sich daher einen warmen Brutplatz, schreiben die Wissenschaftler nun in ihrem Bericht.
Nahe der Quellen erfolge die Reifung der Embryos wesentlich schneller. "Wir belegen, dass die Brutzeit der Weibchen ungefähr 1,8 Jahre beträgt, weitaus schneller als für Tiefsee-Oktopoden erwartet", heißt es. Daher seien die Überlebenschancen für Mütter und ihre Jungtiere höher.
Klimawandel und Fischerei stellen eine große Bedrohung dar
Während ihrer Brutzeit existieren die Kraken von ihren körpereigenen Nährstoffreserven. Selbst die Männchen verzichten auf Nahrungsaufnahme nach der erfolgten Paarung. Am Ende ihres Lebenszyklus sterben beide Geschlechter. Ihre Überreste dienen in der nährstoffarmen Tiefseeregion als wichtige Nahrungsgrundlage für andere Lebewesen. Auch daher sind Krakenansammlungen wie die am Davidson Seamount so wichtig für das Ökosystem.
James Barry vom Monterey Bay Aquarium Research Institute (MBARI) betonte, dass bedeutende biologische Hotspots wie die Tiefseekinderstube geschützt werden müssen. Verschiedene Faktoren wie Klimawandel, Fischerei und Bergbau bedrohten die fragilen Ökosysteme in der Tiefsee. "Der Schutz dieser einzigartigen Umgebungen, in denen sich Tiefseetiere zum Zweck der Ernährung oder Fortpflanzung versammeln, ist daher von entscheidender Bedeutung."
Kraken sind vielfältige Lebewesen
Kraken gehören zu den intelligentesten Lebewesen in den Ozeanen und können als fühlende Wesen bezeichnet werden, so das Ergebnis britischer Forscher. Die Tiere sind dazu in der Lage, sowohl Freude als auch Schmerz und Verzweiflung zu empfinden. Berühmt sind Kraken unter anderem aufgrund ihrer Tarnfähigkeit: Je nach Situation und Gefühlszustand wechseln sie mühelos ihre Farbe.
Die Paarung von Oktopoden ist ebenso faszinierend wie vielfältig. Je nach Art gibt es unterschiedliche Sexualverhaltensweisen. Einige Kraken liegen sich beim Liebesspiel in den Armen, während andere scheinbar miteinander küssen. Es gibt sogar Arten, die Balztänze aufführen. Während des Geschlechtsakts überträgt das Männchen seine Spermien mit Hilfe des sogenannten Hectocotylus – einem Arm – in die Mantelhöhle des Weibchens. Bei manchen Paaren kann das Liebesspiel stundenlang andauern, während andere keine Zeit verlieren.
- science.org: "Abyssal hydrothermal springs—Cryptic incubators for brooding octopus"
- spektrum.de: "Oktopus-Garten" ist Brutkasten für Kraken"
- galileo.tv: "Kluge Kraken: Darum sind die tierischen Tarnkünstler zu clever für die Zuch"