Wertvolle Ressourcen bereits aufgebraucht Der Schein trügt
Die Ressourcen der Erde sind endlich – und die Menschheit lebt über ihre Verhältnisse. Die Kapazitäten für das Jahr 2023 sind bereits aufgebraucht.
Ab diesem Mittwoch verbraucht die Menschheit zu viel: Die eigentlich für das gesamte Jahr zur Verfügung stehenden ökologischen Ressourcen der Erde sind ab sofort aufgebraucht. Der 2. August ist nach den Berechnungen der amerikanischen Umweltorganisation Global Footprint Network in diesem Jahr der Erdüberlastungstag. Wenn alle so ressourcenfordernd leben würden wie die Menschen in Deutschland, wäre der Tag schon am 4. Mai gewesen.
Im vergangenen Jahr fiel der Tag der Erdüberlastung bereits auf den 28. Juli. Haben die Menschen 2023 also weniger Ressourcen verbraucht als 2022? Der Schein trügt, sagt Amanda Diep, Sprecherin von Global Footprint Network. Vielmehr würden sämtliche Daten jedes Jahr auch zurückliegend mit neuesten Datensammlungen und Methoden aktualisiert, um Vergleiche ziehen zu können. Danach fiel der Erdüberlastungstag 2022 eigentlich nicht auf den 28. Juli, sondern eher auf den 1. August.
Nur ein Tag gewonnen
"Der Trend ist flach", sagte Diep, und das schon seit rund zehn Jahren. 2023 sei nur ein Tag gewonnen worden. "Wie viel davon auf einen Rückgang der Wirtschaftsaktivitäten (wegen Corona) oder auf Anstrengungen zur Dekarbonisierung zurückzuführen ist, ist schwer zu sagen." Dekarbonisierung bezeichnet den Umstieg von fossilen Brennstoffen auf kohlenstofffreie und erneuerbare Energiequellen und die so erreichte Einsparung von klimaschädlichem CO2.
Das Global Footprint Network berechnet, was die Natur ohne Verluste im Jahr produzieren und absorbieren kann. Dabei geht es unter anderem um Rohstoffe, Trinkwasser und Nahrungsmittel und um menschengemachten Müll und CO2-Emissionen. Das stellt die Organisation dem gegenüber, was die Menschen mit ihrer Lebens- und Wirtschaftsweise verbrauchen. So legt sie den Tag fest, an dem der Verbrauch die Kapazitäten der Natur übersteigt. Ein Großteil geht auf die Treibhausgas-Emissionen zurück.
Um in Balance mit der Natur zu leben und die Treibhausgase wie vom Weltklimarat (IPCC) empfohlen zurückzufahren, müsste der Erdüberlastungstag in den kommenden sieben Jahren jedes Jahr um 19 Tage nach hinten verschoben werden, sagte Diep. Wenn es gelingen würde, die Lebensmittelabfälle weltweit zu halbieren, würden nach Angaben von Diep schon 13 Tage gewonnen.
Umweltorganisationen fordern politisches Handeln
"Seit mehr als 50 Jahren werden die natürlichen Ressourcen der Erde ununterbrochen jedes Jahr übernutzt", sagte Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. Bahnfahren könne je nach Strecke bis zu 28-mal klimafreundlicher sein als fliegen, sagte der Referent für klimafreundliche Mobilität der Organisation, Jacob Rohm. "Die unfairen Steuerausnahmen für den Luftverkehr zu streichen, würde schon heute jährlich vier Milliarden Euro in den Bundeshaushalt spülen. Damit könnten Bahnnetz und -angebote in Europa massiv ausgebaut werden."
Die Umweltorganisation WWF forderte die Bundesregierung zur Verabschiedung eines Ressourcenschutzgesetzes auf. "Unser Hunger nach Ressourcen scheint bisher unstillbar", erklärte WWF-Expertin Rebecca Tauer. Dies habe direkt in die zunehmende Dreifachkrise aus Erderhitzung, Artensterben und Umweltverschmutzung geführt.
Tauer sagte weiter, um die Wirtschaft umzubauen, fehle es an verbindlichen Zielen und Leitprinzipien. Der WWF fordert deshalb ein Ressourcenschutzgesetz, analog zum Klimaschutzgesetz, sowie als Grundlage "eine ambitionierte und konkrete nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie". Das Gesetz sollte bis nächstes Jahr verabschiedet werden. Deutschland müsse dringend aufholen und seinen Beitrag leisten, um den Erdüberlastungstag "wieder nach hinten im Kalender zu verschieben".
Grünen-Politikerin: Lebensweise führt in Ruin
Auch aus der Ampelkoalition forderten Abgeordnete, die Politik müsse handeln. Lisa Badum, Klimaexpertin der Grünen, sagte der "Rheinischen Post" (Mittwochsausgabe), dauerhaft über die eigenen Verhältnisse zu leben, führe in den Ruin. Die Parteien müssten aus Ereignissen wie Hitzekrisen und Waldbränden die richtigen Schlüsse ziehen, erklärte sie. Deutschland brauche den Umbau zu einer umweltgerechten Landwirtschaft und ein Klimaschutzgesetz, das Emissionsminderungen im Verkehr anrege.
Der klimapolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Olaf in der Beek, sagte der "Rheinischen Post", der Fokus müsse auf der Reduzierung des weltweiten Treibhausgasausstoßes liegen. "Das Instrument der Wahl sollte dabei der Emissionshandel mit einem strengen CO2-Deckel sein", betonte er.
Eine Studie der Ohio State University zeigt, dass nur 10 von 178 Ländern ökologisch nachhaltig wirtschaften, indem sie ihre Bürgerinnen und Bürger angemessen mit Nahrung, Energie und Wasser versorgen, ohne dabei die natürlichen Kapazitäten zu überschreiten. Die Forscherinnen und Forscher betrachteten den Wasserverbrauch und die CO2-Aufnahme, beispielsweise in Wäldern. Die Studie ergab, dass viele Länder viel mehr Kohlenstoff ausstoßen, als ihre Ökosysteme verkraften können.
Dennoch sehen die Forscherinnen und Forscher Potenzial, Umweltrisiken durch erneuerbare Energien, pflanzliche Ernährung und eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu bekämpfen.
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP