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Zum journalistischen Leitbild von t-online.t-online hat nachgefragt Darum bieten Schuster auch Schlüsseldienste an
Nur noch wenige Schuhmacher bieten ausschließlich klassische Reparaturen an. Ihr Service ist zunehmend vielfältig. Was steckt dahinter?
Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass die meisten Schuhmacher auch Schlüssel nachmachen und Messer schleifen? Auf den ersten Blick ergibt das wenig Sinn. Doch ein Blick in die Vergangenheit könnte Aufschluss geben.
Was Schuhe und Schlüssel miteinander zu tun haben
Eine Antwort auf diese Frage wäre der Werkstoff Metall. In den 1950er-Jahren bestanden die Absätze hochhackiger Damenschuhe aus einem Metallkern. Die Pfennigabsätze waren zwar stabil, aber dem Kopfsteinpflaster, das damals in Fußgängerzonen weitverbreitet war, nicht gewachsen. Denn die Absätze blieben in den Fugen hängen und gingen sodann kaputt.
So mussten Frauen ihre Schuhe oft reparieren lassen. Dadurch besaßen die Schuhmacher ausreichend Material und das passende Werkzeug, um das ohnehin vorhandene Metall auch anderweitig zu verarbeiten – beispielsweise gravierten sie Schilder für die Haustür oder Geschäfte. Zugleich erweiterten sie ihre Fähigkeiten immer weiter, sodass auch der Schlüsseldienst und das Schärfen von Messern ins Angebot mit aufgenommen wurden. Kurzum: Da sich beim Schusterhandwerk und beim Schlüsseldienst die Materialien und Werkzeuge teilweise ähneln, können die Inhaber der Läden beide Dienstleistungen anbieten.
Eine weitere Antwort auf die Frage wäre: Schuhe waren vor mehreren Jahrzehnten mit einer kleinen Tasche ausgestattet, in der man Geld verstecken konnte. Um das Geld zu sichern, wurde die Tasche mit einem kleinen Schloss versehen. Wenn der Schlüssel verloren ging oder das Schloss klemmte, musste der Schuster die Tasche öffnen. Mit diesem Wissen erweiterten die Schuhmacher ihr Angebot und fertigten seither auch Schlüssel an.
Eine dritte mögliche Erklärung wäre die Wirtschaftlichkeit. Vor mehreren Jahrzehnten gab es in Fußgängerzonen sowohl Schuhmacher als auch Eisenwarenhändler. Letztere verschwanden jedoch allmählich aus den Fußgängerzonen. Die Schuhmacher machten sich diese Entwicklung zunutze und übernahmen den Service der Eisenwarenhändler – also das Anfertigen von Schlüsseln und Schleifen von Messern. Schließlich verfügten sie ebenfalls über eine Werkstatt und die entsprechenden handwerklichen Fähigkeiten.
Heute steckt eher die Wirtschaftlichkeit hinter der Entwicklung. Denn in Zeiten von "Fast Fashion" tragen nur noch wenige Menschen die teuren Schuhe. Viele greifen lieber zu günstigen Modellen, die sie nach einer Saison oder bei einem Schaden direkt entsorgen können/müssen. Das führt dazu, dass Schuhmacher immer weniger Aufträge bekommen und sich andere Standbeine wie Schlüsseldienst und Messerschleifen suchen müssen.
Das sagen Experten
Was ist nun die richtige Erklärung? t-online hat beim Zentralverband des Deutschen Schuhmacherhandwerks und beim Zentralverband des Deutschen Handwerks nachgefragt – und leider keine Antwort erhalten. Auch Historiker konnten oder wollten nicht antworten.
Aus diesem Grund hat sich t-online direkt bei mehreren Schuhmachern umgehört. Und die waren sich einig: Der Hauptgrund ist die Wirtschaftlichkeit. Das Schuhmacherhandwerk ist kaum noch rentabel. Deshalb müssen die Händler viele andere Dienstleistungen anbieten – neben dem Schlüsseldienst zum Beispiel auch eine Reinigung, einen Reparaturservice oder einen Geschenkeladen.
- Interview Zentralverband des Deutschen Schuhmacher Handwerks
- schlüsseltechnik-behm.de: "Historie"
- texthandwerkerin.de: "Schlüsseldienst statt Schuhmacherhandwerk?"
- Eigene Recherche