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Rente: So sehr lohnt es sich finanziell, im Alter länger zu arbeiten


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Exklusive Rechnung
Der gefährliche Frührentner-Trend


13.09.2023Lesedauer: 4 Min.
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Ein Tischler im Rentenalter (Symbolbild): Wer länger arbeitet, bezieht deutlich mehr Rente. (Quelle: Jonas Glaubitz/getty-images-bilder)
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Länger arbeiten? Bloß nicht. Viele Deutsche gehen sogar früher in Rente als sie eigentlich sollten. Damit entgeht ihnen viel Geld.

Die Deutschen wollen immer früher in Rente gehen – obwohl sie zugleich immer später sterben. Wie unlängst Forscher der Uni Wuppertal in einer Langzeitstudie herausgefunden haben, wollen 68 Prozent der Menschen, die zwischen 1959 und 1969 geboren wurden, nicht länger als bis 64 arbeiten. Der wichtigste Grund für viele: Freizeit ist ihnen wichtiger. Und finanziell lohne es sich für die meisten nicht, länger im Job zu bleiben.

Auf dem Arbeitsmarkt wird dieser Trend zunehmend zum Problem. Denn er verschärft eine ohnehin einschneidende demografische Entwicklung: In den kommenden fünf Jahren werden die geburtenstarken "Babyboomer"-Jahrgänge aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Dadurch verschärft sich der Fachkräftemangel weiter, Experten zufolge dürfte er zur Bedrohung für den Wohlstand Deutschlands werden.

Die Bundesregierung hat auch deshalb zum Beginn dieses Jahres die Hinzuverdienstmöglichkeiten für Frührentner neu geregelt. Wer jetzt vorzeitig seinen regulären Job an den Nagel hängt und mit oder ohne Abschläge bereits Rente bezieht, darf unbegrenzt extra Geld dazu verdienen – ohne dass er ab einer bestimmten Summe in Teilen oder komplett auf seine Frührente verzichten muss. Die Idee der Ampel: Die Motivation für Ältere, doch noch ein wenig weiterzuarbeiten, soll steigen.

Ökonom kritisiert Neu-Regelung der Ampel

Doch ist das eigentlich eine gute Idee? Braucht es diese Erleichterung wirklich – oder lohnt sich länger arbeiten nicht sowieso schon?

Diesen Fragen ist jetzt der Ökonom Jochen Pimpertz vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln nachgegangen. Sein Urteil: "Das Streichen der Hinzuverdienstgrenze ist problematisch. Denn die Regierung setzt damit völlig falsche Anreize. Es wäre viel besser, wenn die Herren Scholz, Lindner und Habeck den Deutschen klarmachen: Länger arbeiten lohnt sich immer. Auch im Alter. Dann verdient man nicht nur länger sein eigenes Geld, sondern hat aufs gesamte Leben betrachtet auch ein höheres Einkommen aus der Rente."

Zu diesem Schluss gekommen ist Pimpertz durch eine Kalkulation, deren Ergebnisse t-online exklusiv vorliegen. Konkret hat der Ökonom berechnet, wie viel Rente eine Person bis zum angenommenen Ableben im Alter von 85 Jahren insgesamt bezieht, wenn sie 1961 geboren ist, bis zum Jahr 2024 bereits 40 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt und so jedes Jahr einen Rentenpunkt erworben hat.

So hoch fällt die Gesamtrente je Eintrittsalter aus

Der Clou an Pimpertz' Studie ist dabei der Vergleich der Gesamt-Rentenbezüge je nach Renteneintrittsalter. Umgerechnet auf ihren heutigen Wert, das heißt bereinigt um absehbare Rentenanpassungen, hat der Volkswirt die Summen für den – teils vorzeitigen – Renteneintritt der beschriebenen Beispiel-Person zwischen einem Alter von 63,5 Jahren (2024) und 68,5 Jahre (2029) bestimmt. Das Ergebnis sehen Sie in nachfolgender Tabelle:

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Damit zeigt sich: Länger arbeiten lohnt sich allein mit Blick auf die Rentenbezüge tatsächlich. Wer später in Rente geht, hat nicht nur länger ein Arbeitseinkommen, das in der Regel oberhalb der Rentenzahlungen liegt (und in Pimpertz' Studie gar nicht berücksichtigt ist). Er kriegt zusätzlich in der Summe am Ende auch deutlich mehr Geld von der Rentenkasse überwiesen.

Mehr Rente trotz kürzerer Bezugsdauer

"Geht ein Mann in dieser Beispielrechnung im kommenden Jahr bereits mit Mitte 63 in Rente, bekommt er eine monatliche Rente von 1.376,50 Euro ausgezahlt", erklärt Pimpertz seine Studie. Bis zum angenommenen Ableben 22 Jahre später sind das 283.484 Euro, wenn man künftige Rentenanpassungen herausrechnet. "Hört derselbe Mann erst 2027 im Alter von dann Mitte 66 – dann ganz regulär ohne Abschläge – auf, zu arbeiten, bekommt er eine Rente von fast 1.835 Euro. Zurückgerechnet auf das Jahr 2024 wären das 1.653,60 Euro pro Monat. Trotz kürzerer Bezugsdauer von dann nur 19 Jahren summieren sich die Rentenbezüge bis zum Lebensende auf einen Wert von 312.319 Euro."

Und wer über das reguläre Renteneintrittsalter hinaus arbeitet, hat sogar noch mehr Geld zur Verfügung. Weil es für jedes Jahr verspäteten Rentenbezug noch einmal 6 Prozent auf die gesamte Rente obendrauf gibt, steigt die Gesamthöhe der Bezüge in Pimpertz' Rechnung auf einen Gegenwert von 330.879 Euro, wenn der Beispiel-Arbeitnehmer erst mit Mitte 68 in Rente geht.

Dabei ist wichtig zu wissen: Bei all diesen Zahlen handelt es sich um "reale" Summen. Das heißt, sie sind so kalkuliert, dass ihr Wert dem eines erstmaligen Rentenbezugs im Jahr 2024 entspricht. Pimpertz hat dafür die vom Bundesarbeitsministerium angenommenen Rentenanpassungen in den kommenden Jahren bereits herausgerechnet. Nominal dürften sie durch künftige Rentenanpassungen im tatsächlichen Bezugsjahr also noch einen Tick höher ausfallen. Und: Bei allen Summen handelt es sich um Bruttozahlungen, je nach individueller Veranlagung beim Fiskus fallen folglich noch höhere oder niedrigere Steuern an sowie Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner.

"Arbeiten zahlt sich aus"

"Unabhängig davon aber steht damit fest: Arbeiten zahlt sich aus", so Pimpertz. "Je Jahr früheren Renteneintritts verliert ein so errechneter durchschnittlicher Rentenbezieher rund 100 Euro bei der monatlichen Rente."

Ob das viel ist oder wenig, müsse jeder für sich selbst entscheiden. Viel hänge von den individuellen Lebensumständen ab oder davon, wie hoch das Haushaltseinkommen inklusive der Einkünfte eines etwaigen Ehepartners ist. "An dieser sehr persönlichen Entscheidung darf niemand rütteln, das ist klar", sagt der Ökonom. "Zugleich aber sollte der Staat nicht auch noch zusätzliche Anreize setzen, um einen noch früheren Renteneintritt attraktiver zu machen."

Die Hinzuverdienstgrenze, die früher bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze bei regulär 6.300 Euro lag, sollte deshalb wieder eingeführt werden, findet Pimpertz. Zudem spricht sich der Experte dafür aus, das Rentensystem grundsätzlich zu reformieren. "Deutschland sollte sich dabei ein Vorbild an anderen Ländern nehmen, die längst einen Schritt weiter sind. Konkret sollten wir das reguläre Renteneintrittsalter an die steigende Lebenserwartung koppeln. Sonst bricht das System früher oder später zusammen."

Verwendete Quellen
  • IW-Kurzbericht 62/2023: "Länger arbeiten lohnt sich im Alter"
  • Telefonat mit Jochen Pimpertz
  • ARD-Magazin Panorama: Studie: "'Babyboomer' wollen immer früher in Rente"
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