Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet."Wetten, dass..?"-Comeback Ein Griff ins Klo
Wie eine Zeitreise zurück ins Jahr 2000: Das "Wetten, dass..?"-Comeback war Nostalgie pur. Doch reicht das? Thomas Gottschalk machte keinen Hehl daraus, dass er mit seiner Rolle unzufrieden ist. Und das ist gut so.
"Ich muss das hier alles so abarbeiten". Ein Satz, den Menschen sonst nur aus dem Bürgeramt kennen, wurde bei "Wetten, dass..?" zum Sinnbild des ganzen Abends. Gesagt hatte ihn Thomas Gottschalk. Nicht beiläufig, aus Versehen oder am Rande einer Wette.
Nein: Der 71-jährige Moderator formulierte diese bemerkenswert bräsigen sieben Worte ausgerechnet in dem Moment, als er mit Deutschlands größtem Schlagerstar ein Gespräch führte. Oder sagen wir besser: Gottschalk gab vor, mit Helene Fischer ein Gespräch zu führen.
Der Eindruck an diesem Samstagabend im ZDF, in dem der Sender 40 Jahre "Wetten, dass..?" feierte und dafür "Thommy" zurück auf die berühmteste TV-Couch Deutschlands holte, verfestigte sich von Dialog zu Dialog mehr: Thomas Gottschalk war an ernsthaften Gesprächen gar nicht interessiert.
Gottschalks Ignoranz nimmt neue Ausmaße an
Kritiker würden nun wohl hämisch einwenden: Gottschalk hatte noch nie viel für seine Gesprächspartner übrig. Auch Jürgen von der Lippe sagte im Interview mit t-online vor der Sendung den Satz: "Thomas interessiert sich halt vor allem für sich selbst". Nur: Ist es nicht ein Markenzeichen Gottschalks, nonchalant über Dinge hinwegzugehen und sich selbst in den Mittelpunkt zu rücken?
Insgesamt moderierte er die Sendung 22 Jahre lang, zwischenzeitlich erreichte Gottschalk sagenhafte 20,95 Millionen Menschen und hatte Marktanteile von 70 Prozent. Damals hat diese Gottschalk'sche Betriebsblindheit die Zuschauer auch nicht verschreckt. Doch dieses Mal war etwas anders.
Helene Fischer bekam von Gottschalk nach ihrer Antwort noch den Satz zu hören: "Das ist mir egal". Zwei Frauen, die mittels einer im Rhythmus geschwungenen Klobürste Songs identifizierten, begegnete Gottschalk mit noch mehr Desinteresse: Ihre Namen wisse er nicht. "Ich habe es nie gewusst", so der herbstblonde Entertainer zu seiner Co-Moderatorin Michelle Hunziker. Nicht das einzige Mal an diesem Abend: Auch den Namen der Schauspielerin Svenja Jung hatte er nicht parat.
Bei Heino Ferch machte sich Gottschalk gar nicht mehr die Mühe, vorzugeben, er habe Interviewfragen vorbereitet: "Sag du auch noch was", murmelte er in Gutsherren-Art in Richtung des Schauspielers.
Hier, an diesem Abend in Nürnberg, wurde klar: Thomas Gottschalk lässt sich auf diese Art der Jubiläumsunterhaltung nicht herab. Das ZDF und die Zuschauer sollten zu spüren bekommen, dass es mit Gottschalk nur ein ganz oder gar nicht geben kann. In der Rolle des heiteren Moderators, der das größte deutsche Primetime-Format noch einmal am Samstagabend zum Leben erweckt und damit allen einen Gefallen tut, gefällt sich der gebürtige Bamberger nicht. Gottschalk ist kein Mann für eine Nacht – so die Botschaft.
Deutlich wurde dieses unangenehme Gegockel vor allem, als sich am Ende der Sendung Frank Elstner, der die Show erfunden hat, die Ehre gab. Plötzlich stand ein herzensguter, fröhlicher, zugewandter Moderator auf der Bühne – und Gottschalk direkt daneben. Elstner wandte sich seinem einstigen "Wetten, dass..?"-Nachfolger zu, lobte ihn mit den Worten: "Ich finde es sollte weitergehen, das ist eine geile Sendung". Der quittierte das nur mit einem müden: "Da sind wir mal lieber vorsichtig".
Gottschalk meint: "Ich habe dieses Alter erreicht"
Sich selbst wusste er jedoch zu loben. Er sei ein "Kavalier der alten Schule", lege keinen Wert auf Gendern und spreche nun mal, wie ihm der Schnabel gewachsen sei. Mitten in der Sendung hatte er offenbar so viel Selbstbezogenheit getankt, dass er seine Gäste ungeniert fragte: "Bisher war ich prima, oder?".
Dabei hatte er noch zu Beginn der Show großspurig angemerkt: "Ab einem gewissen Alter sollte einem vieles egal sein, und ich muss Ihnen sagen: Ich habe dieses Alter erreicht". Hier ging es nicht um "Wetten, dass..?", es drehte sich alles um Thomas Gottschalk – jedenfalls wenn es nach Thomas Gottschalk ging.
Dabei war er gar nicht so wichtig. Knapp 60.000 Tweets wurden bis zum Ende von "Wetten, dass..?" abgesetzt und die meisten thematisierten die Show, die Wetten und den Nostalgiezug, der mittels ABBA und rhythmisch klatschendem Live-Publikum durch das ZDF ratterte. In der Zeit kam das Konkurrenzprogramm von "The Masked Singer" auf 3.300 Tweets. Die ZDF-Show war in aller Munde. Und das zu Recht.
Einmal im Jahr kann solch ein Fernsehereignis eine wohltuende Abwechslung sein. Die beste Nachricht des Abends lautet: "Wetten, dass..?" funktioniert noch – auch wenn die zehnjährige Pause offenbar nicht in die kreative Ausarbeitung der Wetten geflossen ist. Bagger hin, Außenwette her. Ein bisschen mehr geht da schon noch.
Das ZDF kann "Wetten, dass..?" weiterführen, nur ohne Thommy
Nur eines geht eben nicht mehr: Ein Thomas Gottschalk, der sich für den Nabel der Welt hält. Diese gespielte Teilnahmslosigkeit und onkelhafte Coolness, die so aus der Zeit gefallen wirkt, wie die lüsternen Sprüche über ein tief ausgeschnittenes Dekolleté, wirkten fehl am Platz. Man könnte es auch mit Michelle Hunziker ausdrücken: "Ein Griff ins Klo", sagte die 44-Jährige augenzwinkernd bei der Toiletten-Wette und formulierte damit unfreiwillig einen Satz, der perfekt auf die Gottschalk-Performance an diesem Abend zutraf.
Das ZDF muss mit Blick auf eine mögliche Fortsetzung der Samstagabendshow eine Entscheidung treffen. Wetten, dass es auch ohne Thomas Gottschalk klappt? Es wäre für alle Beteiligten das Beste.
- Eigene Beobachtungen