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"Tagesschau"-Star Jo Brauner: "Das könnte der Union noch gefährlich werden"


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"Tagesschau"-Star Jo Brauner
"Das könnte der Union noch gefährlich werden"

  • Steven Sowa
InterviewVon Steven Sowa

Aktualisiert am 23.12.2024 - 23:50 UhrLesedauer: 6 Min.
"Tagesschau"-Sprecher a.D.: Jo Brauner macht im Interview deutlich, wie besorgt er derzeit ist.Vergrößern des Bildes
"Tagesschau"-Sprecher a. D.: Jo Brauner macht im Interview deutlich, wie intensiv er auch mit 87 Jahren noch das Weltgeschehen verfolgt. (Quelle: imago stock&people)
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30 Jahre lang waren sie in der ARD sein täglich Brot: die Nachrichten. Doch genau ihretwegen zeigt sich Jo Brauner im Interview mit t-online tief besorgt.

Jo Brauner war im deutschen Nachrichtenfernsehen über Jahrzehnte eine feste Größe. Von 1974 bis 2004 präsentierte er für ein Millionenpublikum die "Tagesschau". Auch 20 Jahre später ist der stets informierte, wache Geist Brauners nicht verflogen. Die Nachrichten zu verfolgen, das sei für ihn wie Zähneputzen: "Es gehört zu meiner täglichen Routine", so der heute 87-Jährige.

Mit Nebensächlichkeiten will sich Jo Brauner nicht aufhalten. Zwar habe es ihn "überrascht", dass in der "Tagesschau" seit einiger Zeit auf die Anrede "Meine Damen und Herren" verzichtet wird, aber er halte dies für "total unbedeutend, weil es der besten Nachrichtensendung Deutschlands in keiner Weise schadet", wie er sagt. Brauner will lieber über die großen Themen sprechen: die politische Situation in Deutschland, das drohende Unheil eines Atomschlags und die Frage, wie die Welt unter Donald Trump aussehen wird.

t-online: Herr Brauner, bereitet Ihnen das aktuelle Weltgeschehen Unbehagen?

Jo Brauner: Ja, sehr sogar. In meinem hohen Alter von 87 Jahren habe ich den angeblich zu Ende gegangenen Kalten Krieg miterlebt. Der Kalte Krieg mag eingefroren gewesen sein, aber er ist heute viel stärker präsent als je zuvor.

Wie genau meinen Sie das?

Wir haben uns im Glauben daran, der Kalte Krieg sei vorbei, getäuscht. Ich bin kein Pessimist, aber ich sehe aufgrund der aktuellen politischen Lage ein Menetekel am Horizont.

Ein drohendes Unheil. Welches genau?

Einen Dritten Weltkrieg. Nicht nur wegen der verbalen Drohungen. Wladimir Putin lässt immer wieder den Einsatz von Nuklearwaffen als realistische Option anklingen. Das sind besorgniserregende Vorzeichen.


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Putin vermittelt immer wieder die Botschaft, Nuklearwaffen für einen Vergeltungsschlag einzusetzen. Ob das reine Propaganda ist, da bin ich mir nicht so sicher.


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Sie bewerten das nicht als Machtspiel, sondern als reales Szenario eines Atomkrieges?

Natürlich ist die atomare Bewaffnung ein Machtinstrument zur Abschreckung. Aber Putin vermittelt immer wieder die Botschaft, Nuklearwaffen für einen Vergeltungsschlag einzusetzen. Ob das reine Propaganda ist, da bin ich mir nicht so sicher. Was ist, wenn einer mal die Nerven verliert? Bei solch einer aufgeheizten Lage ist das dem russischen Despoten am ehesten zuzutrauen.

Bis ins Jahr 2004 hinein waren Sie beruflich in der "Tagesschau" immer wieder mit schlechten Nachrichten konfrontiert. Müssten Sie nicht gerade deshalb Experte darin sein, einen kühlen Kopf zu bewahren?

Das mag mit meinem Alter zusammenhängen. Womöglich bin ich als Rentner einfach ängstlicher geworden. Aber ich sehe auch keine Entwicklung, die Hoffnung macht. Wo sind die Bemühungen, sich zusammenzusetzen und einen Modus Vivendi zu finden? Die Spannungen werden immer größer. Da scheint es doch nur eine Frage der Zeit, bis sich diese entladen – und dann droht uns ein Flächenbrand, den wir nicht mehr kontrollieren können.

Womit wir wieder bei der atomaren Eskalation wären …

Ich bin weder Verschwörungstheoretiker noch naiv. Ich sage nur, was ich wahrnehme, und ich habe erlebt, wie um den Nato-Doppelbeschluss gerungen wurde, wie das atomare Wettrüsten im Kalten Krieg eine verschärfte Lage schaffte. Aber Leonid Breschnjew und Helmut Schmidt betonten dennoch den Willen zur Abrüstung. Davon ist heute nichts zu erkennen: Putin ist isoliert – die Drohungen werden immer konkreter.

Olaf Scholz spricht sich gegen Waffenlieferungen aus, die es der Ukraine erlauben, weit ins russische Staatsgebiet zu feuern. Schätzen Sie diesen Politstil als Besonnenheit?

Man kann von Olaf Scholz halten, was man möchte – jeder Mensch hat seine Fehler. Aber außenpolitisch halte ich ihn für einen klugen Strategen. Er ist ein bedeutender Politiker eines bedeutenden Landes und sich seiner Verantwortung bewusst. Er ist weder Schaumschläger noch Duckmäuser, sondern jemand, der die Dinge durchdenkt und meiner Meinung nach die richtigen Schlüsse daraus zieht.

Aber?

Seine hanseatische Art verhindert, dass dieser eigentlich ehrenhafte Politstil von der breiten Masse honoriert wird. Olaf Scholz trägt sein Herz nicht auf der Zunge – und das wird ihm oft als Schwäche ausgelegt. Aber in dieser hochgerüsteten Welt habe ich lieber solch einen Bundeskanzler als einen Hitzkopf, der die Lage mit Worten und Taten weiter anheizt.

Friedrich Merz ist in der Taurus-Frage jedenfalls ganz anderer Meinung als Scholz …

Wir werden diese Besonnenheit von Scholz noch vermissen, da bin ich mir sicher. Es macht mir Sorgen, dass sich die CDU mit ihrem Kandidaten so offensiv positioniert und so tut, als würde sie die Lage besser verstehen.


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Wenn die Menschen gefragt werden, wen sie lieber als Kanzler hätten, liegen Scholz und Merz nahezu gleichauf. Darin steckt für die Union ein Widerspruch, der ihr noch gefährlich werden könnte.


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Die aktuellen Umfragen sprechen für Merz. In wenigen Monaten könnte er als Bundeskanzler die Geschicke Deutschlands lenken.

Natürlich geht es um Mehrheiten und da steht die CDU aktuell ganz oben. Aber schauen Sie: Wenn die Menschen gefragt werden, wen sie lieber als Kanzler hätten, liegen Scholz und Merz nahezu gleichauf. Darin steckt für die Union ein Widerspruch, der ihr noch gefährlich werden könnte. Wir haben bei der letzten Wahl gesehen, wie schnell sich Ergebnisse ändern können. Stichwort: Armin Laschets Lacher im Flutgebiet.

Trauen Sie Scholz tatsächlich zu, noch einmal eine solche Aufholjagd hinzulegen?

Dafür wird sicherlich einiges zusammenkommen müssen. Aber mit dem Ampel-Aus hat er in meinen Augen viele Sympathiepunkte zurückgewinnen können. Er hat einen Schlussstrich gezogen, nachdem der kleinste Juniorpartner, wie wir heute wissen, ein unsägliches, falsches Spiel gespielt hat. Wie er die Entscheidung kommuniziert hat, war klar und deutlich. Als wir das im Fernsehen gesehen haben, sagte ich zu meiner Frau: "Alle Achtung, der Scholz ist rhetorisch unglaublich gut drauf." Natürlich hatte er einen Teleprompter, aber wenn er wirklich will, kann er auch ad hoc überzeugend sein. Das könnte ihm noch helfen.

 
 
 
 
 
 
 

Noch bevor es zur Neuwahl am 23. Februar kommt, wird Donald Trump in den USA am 20. Januar das Präsidentenamt übernehmen. Wie blicken Sie auf diese Aussichten?

Wenn ich mir seine erste Regierungszeit anschaue, kann ich nur vom Schlimmsten ausgehen. Donald Trump mag oft dilettantisch und rhetorisch wenig begabt wirken, aber er ist hochgefährlich. Sein versuchter Nordkorea-Kuschelkurs mit Kim Jong ist so ein Beispiel, das hierzulande viel zu wenig Beachtung findet. Mir schwant Böses. Ganz davon abgesehen, dass diese dahin posaunte Behauptung, den Krieg in der Ukraine innerhalb von 24 Stunden beenden zu können, jeglichen Beweises entbehrt und realitätsfern ist.

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Inwiefern?

Trumps vermeintliche Nähe zu Nordkorea und seine stille Bewunderung für Putin könnten dazu führen, dass der Ukraine ein Diktatfrieden aufgezwungen wird. Aber das sind dystopische Schauergeschichten. Man kann nur hoffen, dass es anders kommt.

Auch mit 87 Jahren sind Sie nicht weniger an Politik interessiert als zu Ihrer Zeit als Nachrichtensprecher. Oder täuscht der Eindruck?

Nein, das stimmt. Für mich ist das Zeitunglesen, das Nachrichtenschauen wie Zähneputzen: Es gehört zu meiner täglichen Routine. Politik interessiert mich einfach – und Sport natürlich auch. Ich war zwar nie ein großer Sportler, aber meine Affinität zum Fußball war groß: Fast 20 Jahre lang war ich Stadionsprecher beim HSV. Damals gab es dort noch jede Woche Spitzenspiele, inzwischen taumeln die Hamburger seit sieben Jahren leider in der zweiten Liga.

Alles nicht gerade förderlich für Ihre mentale Gesundheit. Wie fühlen Sie sich körperlich?

Ich habe Bekannte und Freunde, die gesundheitlich stark angeschlagen sind. In meinem Alter ganz normale Begleiterscheinungen. Aber ich selbst habe nur kleine Wehwehchen und die sind so marginal, dass ich sie ohne Weiteres ignorieren kann. Ich fahre noch Auto und eigentlich fühle ich mich so, wie ich mich vor 20, 30 Jahren auch gefühlt habe.

Sie sind seit 1969 verheiratet. Ist auch diese Konstanz in der Liebe ein Teil Ihres Erfolgsrezepts in Sachen Gesundheit?

Ich glaube schon, ja. Meine Frau und ich sind seit 55 Jahren glücklich verheiratet und haben zwei ganz tolle Töchter. Das ist ein wichtiger Baustein für die Stabilität im Leben. Natürlich haben wir in 55 Jahren nicht nur Amore und Friede, Freude und Eierkuchen gehabt. Es hat auch mal gekracht, aber das gehört dazu. Die Beziehung hat gehalten, und das ist das Wichtigste.

Was hat Ihnen noch zu solch einem privaten Glück verholfen?

Es ist sicherlich von Vorteil, finanziell unbesorgt durchs Leben zu gehen. Wir haben eine wunderschöne Wohnung und können so weiterleben wie zu meiner aktiven Zeit.

Lassen Sie uns noch einen Blick ins nächste Jahr werfen: Was wünschen Sie sich für 2025?

Um den Kreis zu schließen, wünsche ich mir besonders Frieden. Auf dass meine düsteren Befürchtungen niemals Realität werden. Es würde allen guttun, wenn ein bisschen Entspannung in der politischen Weltlage Einzug hält.

Und für Sie persönlich?

Es kann so bleiben, wie es jetzt ist. Ich hoffe, dass meine Gesundheit und die meiner Frau stabil bleiben und wir ohne gravierende Probleme unseren Lebensabend genießen können.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Jo Brauner
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