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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Schon gehört? Der Soundtrack der Woche (7. Mai)
t-online hat offene Ohren für die wichtigsten Alben der Woche und gibt Ihnen Musiktipps. Diesmal unter anderem mit Wincent Weiss, alten Glanztaten von Alphaville und neuen Corona-kritischen Aussagen von Van Morrison.
Wenn Sie mal wieder richtig Lust auf neue Sounds haben, Ihnen aber die Zeit fehlt, sich durch die Veröffentlichungen der Woche zu hören, stimmt t-online Sie mit der wöchentlichen Rubrik "Schon gehört?" ein.
Wincent Weiss – Vielleicht irgendwann
In den letzten Jahren führte kein Weg an Wincent Weiss vorbei. Mittlerweile ist der Sänger jedoch alles andere als der Teenieschwarm zu Zeiten seiner ersten Platte "Irgendwas gegen die Stille", als er mit "Feuerwerk" oder "Musik sein" die ersten großen Erfolge feiern konnte.
Musikalisch bleibt der Wincent sich dennoch treu, klingt jedoch erwachsener. Modern angehauchter Singer/Songwriter-Pop. Viel Akustikgitarre, zurückhaltende Beats und darüber eingängige Melodien sowie Texte über die Probleme des Alltags und natürlich Amore. In 45 Minuten werden 15 Songs geliefert, die allesamt perfekt ins Radio passen, die man sich aber auch im Jugendzimmer beim Tagträumen und Liebeskummertränenverdrücken anhören kann.
New Order – Education, Entertainment, Recreation
Nach "NOMC15" (2017), "New Order + Liam Gillick: So it goes..." (2019) und der zum Record Store Day 2020 erschienenen Neuauflage von "The John Peel Sessions" folgt nun ein weiteres neues Livealbum der englischen Synthie-Pop-Vorreiter New Order. "Education, Entertainment, Recreation" ist ein Konzert aus London aus dem Jahr 2018. Neue Musik der Nachfolgeband von Joy Division wäre schöner und die aktuelle Single "Be A Rebel" lässt auch auf mehr hoffen, aber in der Zwischenzeit, wo eh keine Konzerte stattfinden, muss dann wohl diese Platte herhalten.
Und nach "NOMC15" und dem Quasi-Remix-Live-Album "So It Goes..." war ich etwas skeptisch. "Schoooon wieder 'ne Liveplatte?!", dachte ich mir. Aber diese 140 Minuten haben es in sich. Die Setlist ist runder und größer als bei "NOMC15", bietet noch mehr Hits wie "Regret", "Love Vigilantes", "Sub-Culture" sowie den Goth-Kracher "Decades" vom finalen Joy-Division-Album, die auf "NOMC15" und "So It Goes..." fehlen.
Wer die Briten schon mal live erlebt hat, weiß, dass das ein Spektakel der Proto-Dance-Music ist, welches lediglich durch die eine oder andere Joy-Division-Nummer verdunkelt wird. Man bekommt direkt Lust wieder eine Show dieser (im positiven Sinne) völlig unterkühlten Kultband zu erleben. Wem das Konzertfeeling für die Ohren nicht reicht, kann auch die schön geschnittene Blu-ray-Version des Gigs auf dem heimischen Fernseher sehen. Denn New-Order-Auftritte leben auch sehr von dem Spektakel auf der Bühne und der coolen Lichtshow.
Alphaville – Afternoons in Utopia / The Breathtaking Blue
Alphaville haben mit "Big in Japan" und besonders "Forever Young" das Klangbild der 80er Jahre geprägt. Doch die deutschen Synthie-Popper haben mehr gemacht als ein kultiges Debütalbum 1984.
"Afternoons in Utopia" etwa zeigte die Band nur zwei Jahre später deutlich fokussierter. Eingängig waren Nummern wie "Dance With Me", "Jerusalem" oder "Red Rose" noch immer, gleichzeitig ging die Band kreativer an das Songwriting heran. Was wohl auch die Scharr an Gastmusikern auf Album Nummer zwei erklären würde.
1989 sollte diese fast schon progressive Ader, die mittlerweile mehr Art Pop als Synthie-Pop war, auf "The Breathtaking Blue" einen Höhepunkt finden. Zwar konnte man kommerziell nicht mehr an die ersten beiden LPs anknüpfen, doch was das Trio hier musikalisch geboten hat, muss man einfach wohlwollend anerkennen. "The Mysteries of Love" etwa ist weit weg vom Pop der frühen Tage. Für "For a Million" gilt das gleiche. Ja, man erkennt Alphaville immer wieder, dennoch hat man sich hier deutlich mehr Gedanken um das Songwriting gemacht.
Nun erscheinen diese beiden Alben in schönen Deluxe-Neuauflagen mit massig Bonusmaterial neu. B-Seiten, Remixe, Demos oder gar eine seltene Liveaufnahme finden sich unter den Extrasongs.
Gary Moore – How Blue Can You Get
Der 2011 verstorbene Gitarrist Gary Moore hat die letzten Jahre seiner Karriere dem Blues gewidmet. Das hatte (leider) wenig mit den poppigen Hard-Rock-Sounds von "Victims of the Future" oder "After the War" zu tun und hatte in den letzten Jahren des Saitenhexers aus Irland auch nicht immer die Klasse von "Still Got the Blues".
Mit "How Blue Can You Get" wird nun ein posthumes Album des Toten veröffentlicht. Acht unveröffentlichte Nummern finden sich hier. Und wie der Titel der LP vermuten lässt, handelt es sich um blueslastige Tracks. "I'm Tore Down" etwa eröffnet die Platte mit vielen Blues-Riffs. "Steppin' Out" schlägt eine ähnliche Schiene zwischen Blues und Hard Rock ein. Leider muss man aber auch sagen, dass diese acht Songs etwas austauschbar klingen. Es sind Paradebeispiele für den Blues und genau deswegen klingen sie auch schon x-mal gehört. Oft denkt man sogar, es handle sich um eine Demoversion des Hits "Still Got the Blues" und summt schon dessen Melodie mit.
Dass Moore toll Gitarre spielt, muss man trotzdem anerkennen. Dass es hier gut zehn Jahre nach dem Tod des ehemaligen Mitglieds von Thin Lizzy neuen Stoff gibt, sollte auch viele Fans erfreuen. Nur einen verschollenen Klassiker sollte hier niemand erwarten.
Van Morrison – Latest Record Project, Vol. 1
Van Morrison wird nicht müde neue Platten aufzunehmen. Besonders seit 2015 hat der 75-Jährige einen Lauf und hat gleich sieben Alben veröffentlicht. Nun folgt mit "Latest Record Project, Vol. 1" das nächste Mammutprojekt des Folk-Helden. Nehmen Sie sich Zeit, denn hier werden direkt 28 Songs in über zwei Stunden auf zwei CDs verteilt.
Und nach seinen Corona-leugnerischen Aussagen, wie die Pandemie sei eine Erfindung der Regierung, hört man auch diese CD mit anderen Ohren. Zeilen wie "Stop listening to the mainstream media junk" und die irgendwie arg ausgelutschte sowie wenig geistreiche Ansage "I‘m not a slave to the system like you" sind zum einen mit Vorsicht zu genießen. Zum anderen auch keine wirklich große Systemkritik, sondern Plattitüden, die man schon x-mal in irgendwelchen Facebook-Kommentarspalten gelesen hat.
Aber kurz und knapp noch zur Musik: Zwei Stunden sind natürlich schon lang. Besonders, wenn man meist nur Folk-Nummern spielt, die selten nach vorne gehen. Die Hälfte der Songs hätte er auch für Vol. 2 dieses Projekts behalten können.
Rag'n'Bone Man – Life by Misadventure
Der große Mann mit den Gesichtstattoos war 2017 ein Überraschungserfolg. Der Mix aus Singer/Songwriter, Soft Rock, etwas R'n'B und leichter Electronic des Debüts "Human" verkaufte sich weltweit über 2,5 Millionen Mal. Auch in Deutschland wurde die LP mit Platin ausgezeichnet. Nun legt der Brite mit "Life by Misdaventure" nach.
Während der Opener "Fireflies" eher eine unspektakuläre Lagerfeuer-Akustikgitarren-Nummer ist, nimmt das Zweitwerk spätestens mit dem coolen "Fall in Love Again" an Fahrt auf. "All You Ever Wanted" oder "Talking to Myself" sprechen eine ähnliche Sprache und verbinden Retro-Sounds mit moderner Produktion. Manchmal denkt man da an eine 2021er Version von alten Eagles. Klingt erst mal hochgegriffen, ist es vielleicht auch, aber aus Mangel an einem besseren Vergleich kann man das mal durchgehen lassen.
Rag'n'Bone Man liefert 15 Songs in 54 Minuten. Und das ist das Manko. Das ist etwas viel und drei Nummern weniger hätten dem Gesamteindruck nicht geschadet.
Alle Alben sind am 7. Mai in physischer und digitaler Form erschienen. Wir hören uns wieder!