Vierter Teil zu Stieg Larssons "Millennium"-Reihe Gier, "Grabschändung" und "völlig idiotisch": "Verschwörung" sorgt für Wirbel
Ist es Gier? Grabschändung? Ein genialer Coup? Oder einfach nur überflüssig? Schon vor der Veröffentlichung der Fortsetzung zu Stieg Larssons "Millennium"-Trilogie am 27. August kochten in seinem Heimatland Schweden die Emotionen hoch. Kein Wunder: Der Autor ist seit elf Jahren tot, die Erben streiten sich um das Vermächtnis - und das Buch "Verschwörung" stammt aus völlig fremder Feder.
Schon die ursprünglichen drei Bände der "Millennium"-Reihe kamen posthum auf den Markt: Stieg Larsson war am 9. November 2004 im Alter von 50 Jahren an den Folgen eines Herzinfarktes gestorben. Erst ein Jahr später erschien der erste Band "Verblendung". Dieses Buch und seine zwei Nachfolger "Verdammnis" und "Vergebung" verkauften sich bis heute mehr als 80 Millionen Mal. Die Verfilmungen - die schwedischen Produktionen mit Michael Nyqvis und Noomi Rapace, die US-Version mit Daniel Craig und Rooney Mara in den Hauptrollen - wurden Hits.
Larssons Witwe blieb außen vor
Wenig überraschend also, dass Larssons schwedischer Verlag Norstedts auf eine Fortsetzung der Reihe schielte. Doch der standen zuerst Nachlass-Streitigkeiten im Wege: Weil Larsson zwar 32 Jahre lang mit Eva Gabrielsson zusammengelebt, sie aber nie geheiratet hatte, ging die Witwe völlig leer aus - das Erbe fiel an den Vater und Bruder des Autors. Gabrielsson blieb nur Larssons Laptop, auf dem angeblich Exposés zu drei weiteren "Millennium"-Büchern zu finden sind. Nur verwenden darf sie diese nicht.
Ibrahimovic-Biograf als "Millennium"-Autor
Stattdessen gaben die Larsson-Erben und der Verlag Norstedts dem Journalisten David Lagercrantz vor zwei Jahren den Auftrag, Band vier zu schreiben. Dieser fiel bisher vor allem durch seine offizielle Biografie von Fußballstar Zlatan Ibrahimovic auf. Eine "völlig idiotische Wahl", findet Gabrielsson, die bei all den Entscheidungen außen vor stand. Lagercrantz habe keine Ahnung von dem Milieu, das ihr langjähriger Partner in seinen Büchern beschreibt, sagte sie einmal der Nachrichtenagentur AFP.
Staatsgeheimnis um "Verschwörung"
Die Erben behandeln "Verschwörung" wie ein Staatsgeheimnis, Larssons Witwe und seine Freunde eher wie einen Fall besonders düsterer Korruption. Nicht nur die 61-Jährige ist über die Fortsetzung verärgert, auch enge Freunde glauben, Verlag, Erben und Lagercrantz handelten aus reiner Gier. In der Zeitung "Dagens Nyheter" sprachen Larssons Freunde von "Grabschändung".
Norstedts weist die Vorwürfe zurück. Verlagssprecherin Linda Altrov Berg wird nicht müde zu betonen, dass "Verschwörung" die Erinnerung an Stieg Larsson nicht trüben werde: Lagercrantz sei kein "Ghostwriter, der Stiegs Stimme imitiert. Es ist sein eigenes Buch", sagt sie AFP. Im übrigen publizierten Verlagshäuser Bücher, um damit Geld zu verdienen, fügte sie hinzu. "Wir sind kein Wohltätigkeitsunternehmen."
Berge von Geheimhaltungsabkommen
Einen echten Eindruck von "Verschwörung" können sich Fans und Kritiker erst am Tag der weltweiten Veröffentlichung machen. Denn Norstedts gewährte auf seiner Internetseite nur eine kleine Vorschau auf Band vier: "Eines Nachts ruft Frans Balder, führender Kopf bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz, Blomkvist an. Er berichtet, er sei im Besitz welterschütternder Informationen über US-Geheimdienste. Er habe zudem in Kontakt mit einer Superhackerin gestanden, die gewisse Ähnlichkeiten mit einer Blomkvist wohlbekannten Person aufweise."
Von Anfang an begleiteten Verschwörungstheorien des Verlags die Entstehung des Thrillers: Damit kein echter Hacker vorab von den neuen Abenteuern um die erfundene Hackerin Lisbeth Salander und Journalist Mikael Blomqvist erfuhr, durften Autor, Lektoren und Übersetzer nur an Computern ohne Internet arbeiten. Das Original wurde zur Übersetzung per Kurier zu den anderen Verlagen gebracht, Berge von Geheimhaltungsabkommen mussten unterzeichnet werden, Interviews blieben bis zur Erscheinung von "Verschwörung" untersagt.
2,7 Millionen Exemplare in 25 Ländern
Welchen Umsatz sich Norstedts von Band vier erhofft, verrät der Verlag nicht. Nur soviel: Rund 2,7 Millionen Exemplare werden am Donnerstag in 25 Ländern auf den Markt kommen, gefolgt von den USA am 1. September. Larssons Vater und Bruder wollen den Erlös nach eigenen Angaben seinem Lebenswerk zukommen lassen, der von ihm mitgegründeten antirassistischen Zeitschrift "Expo".
Von Larssons düsteren Krimis wurden bislang mehr als 80 Millionen Exemplare verkauft, hinzu kamen die Verfilmungen. Literaturwissenschaftlerin Sara Kärrholm von der Universität Lund ist davon überzeugt, dass Verlag und Erben von den Konzessionen rund um sein Werk profitieren wollen.
"Verschwörung" werde in jedem Fall ein Erfolg, glaubt sie: "Es gibt genügend Menschen, die Larssons Helden mögen und wissen wollen, was aus ihnen wird." Buch vier sei wie die neue Folge einer beliebten Fernsehserie: Weil die Charaktere zu guten alten Bekannten geworden seien, wolle man sie nicht mehr missen.
"Verschwörung" - David Lagercrantz nach Stieg Larsson, Heyne Verlag, 608 Seiten; ab dem 27. August 2015 im Handel