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Chronist des Holocaust: "Shoah"-Regisseur Claude Lanzmann ist gestorben


Chronist des Holocaust
"Shoah"-Regisseur Claude Lanzmann ist tot

Von dpa, t-online, dru

Aktualisiert am 05.07.2018Lesedauer: 3 Min.
Claude Lanzmann: Der französische Regisseur (hier im Jahr 2011) ist im Alter von 92 Jahren gestorben.Vergrößern des Bildes
Claude Lanzmann: Der französische Regisseur (hier im Jahr 2011) ist im Alter von 92 Jahren gestorben. (Quelle: Mondelo/EFE FILE/dpa)

Mit seinen Filmen gab er den Opfern des Holocaust eine Stimme. Dafür wurde Claude Lanzmann weltweit geehrt und ausgezeichnet. Nun ist der Franzose im Alter von 92 Jahren verstorben.

Antisemitismus, Unmenschlichkeit und Gewalt: Claude Lanzmann hat sich in seinen Filmen mit Themen auseinandergesetzt, deren Narben noch heute schmerzen. Mit seinem neuneinhalbstündigen Zeitzeugnis "Shoah" über den Völkermord an europäischen Juden schrieb sich der französische Filmemacher, Philosoph und Schriftsteller in das Gedächtnis der Menschheit. Nun ist der Sohn jüdischer Eltern im Alter von 92 Jahren gestorben.

Das Vergegenwärtigen der Vergangenheit, so nannte Lanzmann seine Arbeit. Dabei holte er Ereignisse in die Gegenwart zurück, die mit dem dunkelsten Kapitel der Weltgeschichte zu tun haben: dem Holocaust.

Mit "Shoah" hat Lanzmann einen der radikalsten Filme über die Vernichtung europäischer Juden im Nationalsozialismus gedreht. Für die Dokumentation aus dem Jahr 1985 sprach der in Paris geborene Regisseur mit Hunderten Zeitzeugen, überlebenden Opfern aber auch Tätern des Holocaust. Der Film, an dessen Realisierung er mehr als zehn Jahre arbeitete, machte Lanzmann weltberühmt und das Trauma der Überlebenden der Vernichtungslager sichtbar.

"Shoah" kommt ohne Archivmaterial aus. Es gebe keine Bilder davon, was in den Gaskammern geschah, sagte Lanzmann einmal in einem Interview. Gespräche mit den Tätern führte er verdeckt, das Bildsignal wurde an einen in der Nähe abgestellten VW-Bus übertragen. Die Überlebenden drängte er nicht selten schonungslos, sich dem Leid zu stellen, das ihnen widerfahren war. Er habe die Idee des Unsagbaren oder Unaussprechlichen niemals akzeptiert, schrieb Lanzmann in einem Gastbeitrag für die "FAZ". "Der Film bringt Menschen zum Sprechen, die nicht sprechen konnten."

Gefeiert und umstritten

Israel und die Shoah blieben zeitlebens die Fixpunkte von Lanzmanns Werk. 1972 drehte er seinen ersten Film "Warum Israel?". Ein Jahr später begann er mit der Arbeit an "Shoah". Es folgte "Tsahal", der 1994 wegen seiner vorbehaltlosen Begeisterung für das israelische Militär auf Kritik stieß. Im Jahr 2001 erschien "Sobibor", in dem Lanzmann den Aufstand in dem gleichnamigen deutschen Vernichtungslager verarbeitete.

Mit dem Film "Der letzte der Ungerechten", der 2013 auf dem Filmfestival in Cannes Premiere feierte, wollte Lanzmann Benjamin Murmelstein rehabilitieren, den letzten Vorsitzenden des Judenrates im KZ Theresienstadt. Murmelstein wurde nach dem Krieg als Kollaborateur angegriffen. Man warf ihm Zusammenarbeit mit den Nazis vor, 1945 kam er deshalb in der Tschechoslowakei in Haft, wurde aber nach 18 Monaten freigesprochen.

Im Krieg Partisan, später Lektor an der Freien Universität Berlin

Lanzmann wurde am 27. November 1925 im Großraum Paris geboren. Als Jugendlicher engagierte er sich in der kommunistischen Jugendbewegung Frankreichs, der französischen Widerstandsbewegung, er studierte Philosophie und war Lektor an der Freien Universität Berlin. Als Journalist reiste er unter anderem nach China und Korea und engagierte sich gegen den Algerienkrieg.

Er war mit dem legendären Philosophen Jean-Paul Sartre befreundet und führte mit der Schriftstellerin und Feministin Simone de Beauvoir eine siebenjährige eheähnliche Beziehung. Verheiratet war Lanzmann in erster Ehe mit der französischen Schauspielerin Judith Magre, in den 70er-Jahren heiratete er die im Juli 2016 gestorbene deutsche Schriftstellerin Angelika Schrobsdorff.

Spätes Debüt als Schriftsteller

Mit dem Memoirenband "Der patagonische Hase. Erinnerungen", der auch auf Deutsch erschienen ist, feierte Lanzmann noch 84-jährig erfolgreich sein Debüt als Schriftsteller. Fünf Jahre später gab er mit "Das Grab des göttlichen Tauchers" einen weiteren Rückblick auf sein Leben, das bewegend und anekdotenreich war.

Auf dem Cover dieses Buches ist ein nackter Mann abgebildet, der von einem Sprungturm kopfüber ins azurblaue Meer springt. "Alle wichtigen Entscheidungen, die ich zu treffen hatte, waren wie Kopfsprünge, Sturzflüge ins Leere", begründete Lanzmann die Wahl des Bildes. Er hat diesen Wasserspringer zu einer Metapher für sein Leben gemacht: Stets tauchte er nach der Wahrheit.

Verwendete Quellen
  • dpa
  • Eigene Recherchen
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