Schwieriges Erbe Die Briten und ihre Kolonialgeschichte
London (dpa) - Im Zuge der "Black Lives Matter"-Bewegung stellen sich britische Kultur- und Medieneinrichtungen mit salomonischen Lösungen der Kolonialgeschichte. Das British Museum versetzte eine Büste seines Gründungsvaters Hans Sloane, der Sklaven für sich arbeiten ließ, "ins Rampenlicht".
Besucher können sich über Sloanes Aktivitäten nun im Kontext des British Empire informieren, zitierte der "Telegraph" am Dienstag den deutschen Museumschef Hartwig Fischer. Der Sender BBC fand unterdessen einen Kompromiss im Streit um patriotische Lieder für das Konzert "Last Night of the Proms" - Premierminister Boris Johnson reagierte darauf jedoch wütend.
Museumschef Fischer sagte über den Umgang mit der Sloane-Büste: "Wir müssen unsere eigene Geschichte verstehen." Man dürfe nichts verstecken. "Wir haben ihn vom Sockel gestoßen, wo niemand ihn beachtet hat, und ihn ins Rampenlicht gestellt." Heilung sei Wissen.
Der 1660 in Irland geborene Mediziner und Biologe Sloane finanzierte sein Leben auch durch Zuckerrohrplantagen auf Jamaika, auf denen Sklaven arbeiteten. Er war ein leidenschaftlicher Sammler unter anderem von Fossilien, Gemälden, Münzen und Antiquitäten. Seine Sammlungen lieferten die Grundlage für das British Museum. Nach Sloane wurden mehrere Plätze und Straßen in Großbritannien benannt.
Ärger gab es in Großbritannien wegen zwei sehr patriotischen Liedern, die traditionell auf dem berühmten "Last Night of the Proms"-Konzert gespielt werden. Kritiker hatten gefordert, die Stücke aus dem Programm zu streichen. Nach einem Streit fand die BBC als Veranstalter eine Lösung: Beide Lieder werden in Orchesterversionen - also ohne Gesang - zu hören sein, teilte der Sender Montagabend mit.
In dem Werk "Rule, Britannia" von 1740 heißt es unter anderem: "Herrsche Britannia .... Briten werden niemals Sklaven sein." Zu dem Lied singen die Briten zum Finale der jährlichen Sommer-Konzertreihe stets kräftig mit und schwenken dabei Union-Jack-Fähnchen. Auch das Lied "Land Of Hope And Glory" ("Land der Hoffnung und des Ruhms"), das stets zum Abschluss gespielt wird, stand auf der Kippe.
Johnson hatte sich für die Stücke ausgesprochen, reagierte aber wütend, dass es in diesem Jahr nur Orchesterversionen gibt. Er forderte eine Ende der "Selbstdiskriminierung". "Es ist an der Zeit, dass wir damit aufhören, uns wegen unserer Geschichte zu schämen", sagte Johnson am Dienstag wütend bei einem Besuch in Devon. Er müsse das einfach mal loswerden, schimpfte der Regierungschef.
Zuvor hatte Kulturminister Oliver Dowden getwittert: "Selbstbewusste, nach vorn schauende Nationen löschen ihre Vergangenheit nicht aus - sie fügen ihr etwas hinzu."
Wegen der Coronavirus-Pandemie sind die Konzerte am 12. September nicht live in der Royal Albert Hall, sondern nur im Rundfunk zu erleben. Die diesjährige Dirigentin des Abschlusskonzerts, die Finnin Dalia Stasevska, hatte Änderungen im Programm unterstützt und war dafür angefeindet worden. "Wir bedauern die "ungerechtfertigten persönlichen Attacken auf Dalia Stasevska", erklärte die BBC.
Der gewaltsame Tod des Afroamerikaners George Floyd im Mai in den USA löste auch Proteste gegen Rassismus in Großbritannien aus. Demonstranten stürzten in Bristol das Denkmal des Sklavenhändlers Edward Colston vom Sockel und warfen es in den Hafen. Die Aktion wurde zum Symbol der Black-Lives-Matter-Proteste in Großbritannien. Colston (1636-1721) wird in Bristol seit Jahrhunderten als Wohltäter verehrt, weil er Armenhäuser und Schulen unterstützte.