"Silvia S. - Blinde Wut": sehenswerter Film im ZDF Im Innenleben einer Amokläuferin
Manchmal genügt schon ein kleiner Funke, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. "Silvia S. – Blinde Wut" ist ein erschreckender, sehenswerter ZDF-Film über das Innenleben einer Amokläuferin.
Alles ist vollkommen normal: Eine Familie im schönen Eigenheim, der Vater ist Unternehmer, die Mutter kümmert sich um die Tochter. So beginnt scheinbar völlig harmlos der Film "Silvia S. – Blinde Wut", den das ZDF am Montag um 20.15 Uhr zeigt.
Silvia (Maria Simon) und Andreas Schubert (Florian Lukas) führen eine harmonische Ehe, Tochter Laura (Paula Hartmann) feiert gerade Geburtstag. Doch das reicht Silvia nicht mehr. Sie möchte in ihren alten Beruf als Architektin zurück. Ihre ältere Schwester Uta (Sophie von Kessel) stellt sie nach zehnjähriger Pause in ihrem Architekturbüro ein, Silvia stürzt sich voll in die Arbeit und fängt wieder an zu rauchen. Doch mit ihrem ersten Entwurf geht sie viel zu weit.
Zoff unter Schwestern
Silvia S. scheitert. Sie bekommt ihren ersten kleinen Ausraster. Sie bezeichnet ihre Schwester als "frigide Karrierezicke". Von ihrer Mutter Eva (Ulrike Kriener) wird sie ohnehin für untauglich gehalten und ständig gepiesackt, ihr liebevoller Mann kommt nicht mehr an sie heran, der Sex zwischen ihnen wird immer rauer und brutaler. Die ehemalige Biathletin Silvia entwickelt immer mehr eine starke psychische Störung und holt schließlich ihre Waffe aus dem Schrank.
Maria Simon (39, "Polizeiruf 110") gelingt es geradezu erschreckend glaubhaft und präzise, sich in die Psyche einer Frau hinein zu versetzen, die ständig überfordert und gekränkt wirkt, und die nur scheinbar in bürgerlichen Strukturen gefestigt ist.
Silvia S. sucht nach Anerkennung
Zunehmend verzweifelt, sucht sie nach Anerkennung in ihrer Familie und in ihrem gelernten Beruf, wird doch nur gekränkt und zurückgewiesen, bis sie von einer ungeheuren blinden Wut gepackt wird - was 'Amoklauf' dem ursprünglichen Wortsinn nach bedeutet.
Sie bekommt Hautausschlag, bestraft und verletzt sich selbst, überschüttet aber ihre Tochter mit Liebesbeweisen. Eines Nachts liebkost sie Laura urplötzlich mit einer nicht enden wollenden Umarmung, dann richtet sie ihr ein neues pinkfarbenes Kinderzimmer samt Sittich ein - nur um Laura im nächsten Moment aus eben diesem Zimmer zu werfen.
"Silvia S.", die Geschichte einer vermeintlich normalen Familie
Regisseur Friedemann Fromm (52, "Weissensee") sagt im ZDF-Interview über seinen Film, "Silvia S." sei "die Geschichte einer vermeintlich ganz normalen Familie". Es sei die Geschichte einer Frau, die versuche, alles richtig zu machen und auf furchtbare Weise scheitere an dem Druck, alle Erwartungen zu erfüllen, die die Gesellschaft an Frauen hat: "Dem Druck, perfekt zu sein. Dem Druck, sein Leben zu leben wie in einem Werbespot für Marmelade. Aber wenn das Gift der Lieblosigkeit nicht aufgelöst wird, gibt es die eine Generation an die nächste weiter. Und dann reicht ein kleiner Funke, um alles in Brand zu stecken. Die Hölle sind in diesem Film nicht die anderen - die Hölle ist die Welt, in der man selbst gefangen ist."
Da ist was dran. Der verstörende Film (Buch: Katrin Bühlig) zeigt eine Frau, die völlig ausrastet – was sonst nur Männern vorbehalten ist. Und er zeigt einen Jahresrhythmus, samt der entsetzlichen Spirale von Isolation und Frustration, die in der schrecklichen und unvorstellbaren Tat eines Amoklaufs mündet – und das Geschehen wird authentisch, glaubhaft und intensiv geschildert.
Nachvollziehbares Verhalten
Silvias Motivation und ihr Verhalten sind nicht immer absolut stimmig, aber bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehbar – das Fehlverhalten der ihr nahestehenden Menschen allerdings auch. Dieses sehenswerte, ja geradezu beklemmende Drama ist wirklich schonungslos erzählt, trostlos gar – ganz ohne jedwede Beschönigung. Bis hin zum grauenvollen Schlusspunkt eines ganz und gar nicht normalen Lebens.