Tour de France Packendes Sprint-Finish! Ewan gewinnt 11. Etappe
Auf den letzten Metern des Teilstücks von Châtelaillon-Plage nach Poitiers setzt sich der Australier durch, am Ende entscheiden nur Zentimeter gegen Ex-Weltmeister Peter Sagan – der später noch bestraft wird.
Peter Sagan rempelte sich bei Tempo 70 den Weg frei, Wout Van Aert reagierte mit ausgestrecktem Mittelfinger. Die Sprintstars der Tour de France haben sich bei ihrer letzten Chance vor den Alpen einen Kampf bis aufs Messer geliefert. Nur einen scherte dies herzlich wenig: Ich unnachahmlicher Manier fand der kleine Caleb Ewan die Lücke zu seinem zweiten Etappensieg.
"Er selbst ist das Geheimnis. Er sieht die Löcher und hat die schnellsten Beine", sagte Ewans' stolzer deutscher Lotto-Teamkollege Roger Kluge, nachdem der Australier im hektischen Millimeter-Finale der elften Tour-Etappe in Poitiers wieder zum größten aller Sprinter aufgestiegen war.
Harte Strafe für Sagan
Ein Tigersprung ins Ziel sorgte im bislang packendsten Sprint der 107. Frankreich-Rundfahrt für die Entscheidung. Vier Top-Stars lagen fast gleichauf, im entscheidenden Moment schob sich der 1,65 m kleine Ewan nach vorne – und zwei Rivalen gerieten heftig aneinander.
Bora-Star Sagan stieß den Belgier Van Aert mit viel Körpereinsatz gefährlich zur Seite, der zweimalige Etappensieger vom Team Jumbo-Visma reagierte mit einer ungehaltenen Geste. Die Jury versetzte Sagan später vom zweiten ans Ende der Spitzengruppe auf den 85. Rang zurück. Der zweite Platz ging an Sam Bennett (Irland/Deceuninck-Quick Step).
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Keinen Grund zum Groll hatte der Sieger. "Ich hatte einen einfachen Job", sagte Ewan, der ausdrücklich Kluges starke Vorarbeit herausstellte, "ich musste es nur zu Ende bringen." Es war bereits der zweite Tageserfolg für die "Pocket Rocket" aus Sydney.
Kluge schwärmte. "Er hat einfach das Auge für die Lücken. Er sieht nicht viel. Vor allem hinter mir, sagt er, sieht er nicht viel den ganzen Tag und er muss sich auf mich verlassen, ob eine Kurve kommt oder irgendwas im Weg ist", sagte der 1,93-Meter-Hüne: "Aber im Finale hat er definitiv das Auge dafür. Solche Sprinter haben immer noch in der Hektik die Ruhe, solche Entscheidungen zu treffen."
Greipel ohne Chance
Der deutsche Sprinter Andre Greipel hatte am Mittwochmorgen hohe Ziele formuliert. "Mein Traum wäre es, nochmal ganz oben zu stehen", sagte der 38-Jährige vor dem Start. Es reichte nicht. Greipel, dessen Tour bislang vor allem von gesundheitlichen Problemen geprägt war, griff nicht in den Massensprint ein und belegte den 61. Rang. Als bester Deutscher erreichte Debütant Jonas Koch (Schwäbisch Hall/CCC) auf dem 28. Rang das Ziel.
Keine Änderung gab es an der Spitze der Gesamtwertung: Primoz Roglic und die anderen Favoriten erlebten einen vergleichsweise stressfreien Tag, der Slowene vom Team Jumbo-Visma ist weiter Träger des Gelben Trikots. Sein Vorsprung auf Titelverteidiger Egan Bernal (Kolumbien/Ineos Grenadiers) beträgt 21 Sekunden.
Der Franzose Matthieu Ladagnous war der einzige Fahrer, dem die Teams der Top-Sprinter eine Flucht gewährten. Der 35-Jährige vom Team Groupama-FDJ hatte sich kurz nach dem Start abgesetzt. Als sich ihm später eine Gruppe um den Österreicher Lukas Pöstlberger (Bora-hansgrohe) anschließen wollte, zog das Peloton kurzerhand das Tempo an. Das erwartete Sprint-Finale sollte nicht gefährdet werden, Ladagnous war als Solist einfacher zu kontrollieren.
Donnerstag kommt die längste Etappe
So wurde es ein langer, einsamer Tag für Ladagnous, dessen Zeit an der Spitze 43 Kilometer vor dem Ziel endete. Kurz darauf war die Tour für Gregor Mühlberger vorbei. Der angeschlagene Österreicher stieg vom Rad, völlig entkräftet lehnte er am Bora-Teamfahrzeug - es war der erste Ausstieg eines Fahrers der deutschen Mannschaft.
Mühlberger war als Helfer von Emanuel Buchmann vorgesehen, der seine Klassement-Ambitionen inzwischen verworfen hat. Auch Ion Izagirre (Astana) musste aufgeben.
Nach zwei Flachetappen wird am Donnerstag wieder geklettert. Die schweren Pässe der Alpen sind noch weit entfernt, doch die 218 km lange 12. Etappe von Chauvigny nach Sarran bietet Schwierigkeiten: Sie ist die längste der Tour 2020. In hügeligem Terrain läuft vieles auf einen Tag der Ausreißer hinaus.
- Nachrichtenagentur SID