Frankreich-Rundfahrt 108. Tour: Corona, slowenisches Duell und Froome-Comeback
Nizza (dpa) - Am Samstag startet in Brest die 108. Tour de France. Wie im Vorjahr steht das Rennen unter dem Eindruck der Corona-Pandemie, auch wenn die Infektionszahlen rasch sinken. Deshalb gleicht das Corona-Konzept dem aus dem Vorjahr.
Die Strecke ist dieses Mal weniger auf die Bergspezialisten zugeschnitten, trotzdem bleiben Vorjahressieger Tadej Pogacar und sein slowenischer Landsmann Primoz Roglic die großen Favoriten. Emanuel Buchmann, immerhin Tour-Vierter von 2019, ist dieses Mal in einer Joker-Rolle.
Wo startet die Tour de France?
Zum vierten Mal nach 1952, 1974 und 2008 beginnt die Tour in Brest. Eigentlich sollte die Frankreich-Rundfahrt in Kopenhagen starten. Da aber die Fußball-EM wegen der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben wurde und Kopenhagen Spielort ist, wurde der Tour-Start in der dänischen Hauptstadt auf 2022 verlegt. Dafür sprang die Hafenstadt in der Bretagne ein.
Wie sieht das Corona-Maßnahmenpaket der Tour aus?
Alle Fahrer werden jeweils zweimal vor dem Tour-Start sowie am ersten und zweiten Ruhetag getestet. Das gilt auch für das direkte Umfeld, wie aus den Regularien des Weltverbandes UCI hervorgeht. Dieser Tross soll sich in einer sogenannten eigenen Blase bewegen. Eine zweite Blase umfasst die Entourage (Organisation, Medien, etc.), und die Öffentlichkeit stellt den dritten Bereich dar. Diese sogenannten "Bubbles" sollen nicht miteinander in direkten Kontakt treten.
Werden Zuschauer an der Strecke zugelassen sein?
Ja, zunächst aber eingeschränkt. Im Start- und Zielbereich sind maximal 5000 Zuschauer zugelassen und es herrscht Maskenpflicht. Das sind die bis Ende Juni geltenden Regelungen bei Sportveranstaltungen im Freien. Danach kann es entsprechend den Infektionszahlen zu Lockerungen kommen. Ob wie im Vorjahr auch Bergpässe für Fans komplett gesperrt werden, dürfte sich kurzfristig entscheiden. Bei der Teampräsentation am Donnerstag sollen 1000 Besucher im Parc à Chaines erlaubt sein. Die Veranstalter appellieren an die Fans, Masken zu tragen, mindestens zwei Meter Abstand zu den Fahrern zu halten und auf Selfies bzw. Autogramme zu verzichten.
Ist wieder mit dramatischen Stürzen zu rechnen?
Bei der Tour de France geht es immer hektisch zu. Ein Etappensieg kann für einen Fahrer, ein Team die ganze Saison retten. Entsprechend drohen gerade bei den Sprintankünften wieder Massenstürze. Der schwere Crash von Mark Cavendish im Sprintduell mit Peter Sagan ist noch in bester Erinnerung. Aber auch auf den Abfahrten riskieren die Fahrer mehr. Wer will schon die Tour bergab verlieren? Dagegen ist die Tour aber besser organisiert als andere Rennen. Dazu hat der Weltverband die Regeln verschärft. Bei Abfahrten zwecks einer aerodynamischen Position auf dem Oberrohr des Rennrades zu sitzen, ist beispielsweise nicht mehr erlaubt.
Wer sind die Favoriten auf den Tour-de-France-Sieg?
Es ist mit einer Neuauflage des slowenischen Duells zwischen Vorjahressieger Tadej Pogacar und dem unglücklichen Zweiten Primoz Roglic zu rechnen. Beide haben sich in dieser Saison bereits stark präsentiert. Die beiden Zeitfahren sollten eigentlich für Roglic sprechen, aber der Vuelta-Sieger hatte im Vorjahr spektakulär den sicher geglaubten Gesamtsieg im Bergzeitfahren nach La Planche des Belles Filles verspielt. Auch Ex-Sieger Geraint Thomas und seine beiden starken Ineos-Teamkollegen Richie Porte (Australien) und Richard Carapaz (Ecuador) könnten eine Rolle spielen. Und die Franzosen hoffen auf Weltmeister Julian Alaphilippe, dem der weniger berglastige Kurs gefallen dürfte.
Was ist von Chris Froome zu erwarten?
Es wäre schon eine große Überraschung, wenn der viermalige Tour-Champion bei seinem Tour-Comeback in der Gesamtwertung eine Rolle spielen würde. Seit seinem schlimmen Sturz kurz vor der Tour 2019, als er zahlreiche Knochenbrüche erlitten hatte, ist der Brite nicht mehr annähernd an seine Bestform herangekommen. Das hat Froome auch längst eingesehen. Beim Team Israel Start-Up Nation will der 36-Jährige seine Erfahrung für Kapitän Michael Woods einbringen. Ursprünglich war die Rollenverteilung andersherum vorgesehen.
Wie sieht es mit Emanuel Buchmann aus?
Der Tour-Vierte von 2019 war eigentlich gar nicht für die Frankreich-Rundfahrt vorgesehen. Erst sein Sturz-Aus beim Giro d'Italia ließ das Bora-hansgrohe-Team umdenken. Kapitän bleibt aber der Niederländer Wilco Kelderman, auch weil die beiden Zeitfahren Buchmann überhaupt nicht liegen. Trotzdem will sich der Ravensburger nicht "absichtlich abhängen lassen". Die Jokerrolle scheint dem 28-Jährigen ganz gut zu gefallen.
Was ist für die weiteren deutschen Fahrer möglich?
Der viermalige Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin nimmt bereits zum 13. Mal an der Tour teil und ist als Helfer von Roglic gerade bei der Tempoarbeit auf den flachen Stücken gefragt. Routinier André Greipel (38 Jahre) - immerhin elfmaliger Etappensieger - hat es im Israel-Team tatsächlich nochmals ins Tour-Aufgebot geschafft, nachdem er im Vorjahr eigentlich schon Abschied genommen hatte. Er dürfte es aber schwer haben, in den Sprints noch einmal zu gewinnen. Roger Kluge fungiert wieder als Sprinthelfer für den schnellen Australier Caleb Ewan.
Was sind die Höhepunkte der 108. Tour de France?
Das große Highlight wird die elfte Etappe, wenn gleich zweimal der berühmt-berüchtigte Mont Ventoux überquert wird. Der Riese der Provence ist erstmals seit 2016 wieder im Programm. Der 1910 Meter hohe Berg, der im oberen Teil einer Mondlandschaft gleicht, hat durch den Tod von Tom Simpson 1967 traurige Berühmtheit erlangt. Vollgepumpt mit Amphetaminen brach der Brite drei Kilometer vor dem Ziel zusammen und starb. In diesem Jahr ist das Ziel der elften Etappe aber unten im Tal. Bergankünfte wird es in Tignes, am Col du Portet und in Luz Ardiden geben. Die Entscheidung dürfte am vorletzten Tag beim Einzelzeitfahren von Libourne nach Saint-Emilion fallen. Außerdem gibt es noch am fünften Tag einen Kampf gegen die Uhr von Changé nach Laval.
Wo wird die Tour de France im TV übertragen?
Die ARD ist täglich zur entscheidenden Phase ab ca. 16.00 Uhr auf Sendung. Bis die ARD einsteigt, sind an den Wochentagen zuvor schon Live-Bilder auf One und "sportschau.de" zu sehen. Dazu überträgt Eurosport die Tour-Etappen.