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Essstörungen im Spitzensport – das sind die bekanntesten Fälle


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"Es geriet außer Kontrolle"
Wenn Sport krank macht


Aktualisiert am 22.02.2023Lesedauer: 4 Min.
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Sven Hannawald: Der Ex-Skispringer versuchte eine Zeit lang, mit so wenigen Kilos wie möglich vom Schanzentisch abzuheben. (Quelle: IMAGO/Oryk HAIST)

Über Essstörungen sprechen die wenigsten Spitzensportler. Die Dunkelziffer ist hoch. Viele entkamen der Krankheit mithilfe einer Therapie, doch nicht alle fanden einen Ausweg.

Miriam Neureuther und Kim Bui haben sich zu einem mutigen Schritt entschlossen. Die frühere Biathletin und die ehemalige Spitzenturnerin sprechen im Rahmen einer Dokumentation über ihre Essstörungen. Sie wollen das Thema enttabuisieren und damit anderen Spitzensportlern helfen. Denn: Es gibt weitaus mehr Fälle von Essstörungen, als bisher bekannt sind. Das betrifft aktive und ehemalige Athleten.

Oftmals sind es die hohen eigenen Erwartungen oder die der Öffentlichkeit, die eine Spirale in Gang setzen. Oder auch die vermeintlichen "Körperideale", die Trainer ihren Schützlingen einzutrichtern versuchen. Die häufigsten Formen von Essstörungen im Leistungssport sind Magersucht, Bulimie und Binge Eating (Fressattacken).

Die folgende Übersicht zeigt: Die Krankheit betrifft Sportlerinnen wie Sportler gleichermaßen und ist in den unterschiedlichsten Disziplinen anzutreffen.

Lena Haecki-Gross (Biathlon)

Die 26-jährige Schweizerin offenbarte erstmals im April 2022 in einem Interview mit der "Luzerner Zeitung" ihre langjährige Essstörung. Bei ihr begann es mit den Aufforderungen von Trainern, Gewicht zu verlieren, um sich der "Biathlon-Norm" anzunähern und in der Loipe schneller zu sein. Haecki erklärte: "Deshalb wurde ich von Beginn weg aufgefordert, etwas zu tun, damit ich mich diesem Ideal annähere." Nämlich abzunehmen. Heute weiß sie: "Das kann schreckliche Folgen haben." So wie in ihrem Fall.

Sie litt unter der Binge-Eating-Störung. Das bedeutet: Sie hungerte so lange, bis sie nicht mehr konnte und verfiel dann in Fressattacken. Seit rund zwei Jahren befindet sie sich in psychiatrischer Behandlung, langsam geht es ihr besser. Sie ist sich sicher, dass zahlreiche Sportler ihr Schicksal teilen: "Es gibt viele von uns."

Angelica Moser (Leichtathletik)

Die Stabhochspringerin und Landsfrau von Haecki litt ebenfalls unter Fressattacken und brauchte einige Zeit, um sich ihrer Probleme bewusst zu werden, sich Hilfe zu holen und schließlich auch an die Öffentlichkeit zu gehen. Das war im September 2020 der Fall.

Sie begab sich in Therapie und berichtete damals: "Endlich fühle ich mich wohl in meinem Körper". Zuvor habe sie ein "extrem unregelmäßiges Essverhalten" an den Tag gelegt, sie sei "süchtig und zuckerabhängig" gewesen.

Valtteri Bottas (Formel 1)

Erst vor wenigen Wochen hatte der Alfa-Romeo-Pilot aus Finnland bekannt gegeben, zu Beginn seiner Formel-1-Karriere unter Essstörungen gelitten zu haben: "Es geriet außer Kontrolle und wurde zu einer Sucht. Es gab keine offizielle Diagnose einer Essstörung, aber es gab definitiv eine", so Bottas. "Ich habe mich körperlich und geistig kranktrainiert." Was ihn dahin trieb: Er wollte der Beste sein, vor allem seinen Teamkollegen Lewis Hamilton besiegen.

Dazu kam die Ungewissheit über seine Zukunft, da er bei Mercedes nur Einjahresverträge bekam. Es dauerte, bis sich Bottas helfen ließ. Der heute 33-Jährige gibt zu: "Es war eine große Schwelle, um Hilfe von außen zu bitten."

Sven Hannawald (Skispringen)

Der Vierschanzentournee-Sieger von 2002 musste 2004 seine Karriere wegen Burn-out beenden und bewegte sich zuvor lange an der Grenze zur Magersucht. Er sei laut seinem damaligen Bundestrainer Reinhard Heß "gefährdet" gewesen. Bei einer Größe von 1,85 Meter wog Hannawald zeitweise nur noch 61 Kilogramm. Später gab er zu: "Wenn das Material nicht stimmt, meinst du, vielleicht noch ein halbes Kilo abnehmen zu müssen."

Er habe es mit seiner technischen Raffinesse und seinem Gewicht geschafft, "am Ende vor ihnen zu sein. Heute gibt es dank des BMI eine gewisse Grenze, was gut ist", so Hannawald. Während seiner Karriere hatte er noch bestritten, von Magersucht betroffen zu sein.

Dominik Nerz (Radsport)

Mit nur 27 Jahren beendete der Deutsche 2016 seine Karriere, auf dringendes Anraten seiner Ärzte. Nerz, 2009 Deutscher U23-Straßenradmeister, kam mit dem Erfolgsdruck nicht mehr klar, je mehr er sich der Weltspitze näherte. 2015 sollte er das Team Bora-Argon als Kapitän bei der Tour de France anführen. Das Ziel lautete: Top-Ten-Platzierung.

Nach welchem Credo er zunehmend seinen Beruf ausübte, erklärte er später einmal so: "Man muss Gewicht verlieren, um an Topleistungen heranzukommen. Und irgendwie hat sich das dann bei mir abgespeichert, wo ich gesagt habe: Wenn ich Topleistung bringen möchte, dann muss ich dementsprechend aussehen." Irgendwann war er psychisch und physisch am Ende, sein Körper schaffte es nicht mehr, sich zu regenerieren, auch wegen vieler Stürze.

Durch Zufall fand er anschließend zu seinem neuen Traumberuf – Koch. Für Nerz das Beste, was ihm passieren konnte: "In der Küche war ich ja quasi gezwungen dazu, mir dauernd was in den Mund zu stecken. Die Sachen, die man zubereitet, muss man ja probieren." So habe er es zurück zu einem normalen Essverhalten geschafft. Ich kann es mittlerweile auch wieder wirklich genießen."

Bahne Rabe (Rudern)

Der gebürtige Hamburger litt unter Magersucht, die schließlich auch zu seinem Tode führte. 2001, zwei Tage vor seinem 38. Geburtstag, starb er an einer Lungenentzündung, die er wegen seiner Essstörung nicht verkraftete.

Rabe gewann als Schlagmann des Deutschland-Achters bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul Gold, 1991 wurde er Weltmeister im Vierer mit Steuermann.

Christy Henrich (Turnen)

Die US-Turnsportlerin Christy Henrich starb 1994 mit erst 22 Jahren an multiplem Organversagen infolge ihrer Magersucht. Am Ende soll sie nur noch 21 Kilogramm gewogen haben. Aussagen von Jury-Mitgliedern, sie sei zu fett, und auch von ihrem Trainer, der ihre Figur bemängelte, sollen Henrich während ihrer Turner-Karriere in die Magersucht getrieben haben.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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