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Basketball-EM 2022: Wir stark ist Deutschland wirklich?


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EM-Medaille möglich?
So stark sind Deutschlands Basketballer wirklich


10.09.2022Lesedauer: 4 Min.
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Franz Wagner: Der NBA-Jungstar hat sich bei der EM den Status als absoluter Fanliebling erspielt. (Quelle: IMAGO/Tilo Wiedensohler)

Mit begeisterndem Basketball ist Deutschlands Nationalmannschaft ins EM-Achtelfinale eingezogen. Schon scheint ein Medaillencoup nah. Doch wie realistisch ist das?

Sie verließen Köln mit einem Knall. Mit 106:71 fertigte die deutsche Basketball-Nationalmannschaft Ungarn im abschließenden Gruppenspiel ab. "35 Punkte Unterschied, das ist wie ein 5:0 im Fußball", erklärte ein faszinierter Vater seiner Teenie-Tochter auf den ausnahmsweise nicht komplett gefüllten Rängen. Und tatsächlich war der Abschluss einer berauschenden Vorrunde in der Arena in Köln-Deutz ein letzter deutlicher Fingerzeig des Teams von Bundestrainer Gordon Herbert: "Hey, Basketball-Europa, uns müsst ihr auf dem Zettel haben."

Wie so oft im Sport wachsen die Träume und Erwartungen nach Erfolgen sprunghaft in die Höhe, werden teils absurd groß. Bei diesem Phänomen sind Deutschlands Basketballer keine Ausnahme. Wurde vor Turnierbeginn gesagt, das Erreichen der Finalrunde in Berlin sei angesichts der "Todesgruppe" mit Titelverteidiger Slowenien, den beiden Ex-Europameistern Frankreich und Litauen sowie den unangenehmen Außenseitern Bosnien und Herzegowina und Ungarn bereits ein Erfolg, wird dem DBB-Team nun mit sanftem Druck deutlich gemacht, dass Edelmetall schon drin sei. Das Achtelfinale gegen Montenegro am Samstag (ab 18 Uhr im t-online-Liveticker) soll nur ein Zwischenschritt auf diesem Weg werden.

Der Sieg gegen Ungarn sorgt für einen wichtigen Erkenntnisgewinn

Bei all dem Hype um das mit den NBA-Stars Dennis Schröder, Daniel Theis und Franz Wagner gespickte Team sollte und darf der Blowout-Sieg gegen Ungarn nicht als Maßstab herhalten. Schon vor dem Tipoff am Mittwochabend war die Gruppenkonstellation klar. Deutschland als Zweiter in Berlin dabei, Ungarn als Letzter sicher raus – es ging also um rein gar nichts mehr in dieser Partie. Auch deshalb schonte Bundestrainer Herbert das oben genannte Trio und ließ die bis dahin gar nicht zum Einsatz gekommenen Christian Sengfelder und Justus Hollatz ran – mit Erfolg. Beide Reservisten bewiesen, dass ihre Nominierung für die EM gerechtfertigt war, besonders Bamberg-Kapitän Sengfelder drängte sich als sicherer Schütze für eine größere Rolle in der Rotation auf.

Man kann also sagen, dass die Ungarn-Partie trotz der Vorzeichen für einen wichtigen Erkenntnisgewinn gut war: Deutschlands Kader hat die nötige Tiefe und Qualität. Das stellte das Team bereits bei den umkämpften und doch wohlverdienten Siegen gegen Frankreich, Bosnien-Herzegowina und Litauen (in doppelter Verlängerung!) unter Beweis. Ob Dreierspezialist Andreas Obst, Spielmacher Maodo Lo oder die beiden Forward-Allrounder Johannes Thiemann und Niels Giffey – ein gravierender Qualitätseinbruch war nicht erkennbar, wenn die zweite Garde hinter der Starting Five aufs Parkett kam.

Dabei stach vor allem Maodo Lo durch sein spektakuläres Spiel auf der Point-Guard-Position heraus. Der 29-jährige Berliner kassierte in den letzten Partien der Kölner Vorrunde gleich nach NBA-Shootingstar Wagner den lautesten Applaus des Publikums. Es sind Handles und Stepback-Dreier, wie er sie im Repertoire hat, die Menschen für Basketball begeistern. Gepaart mit seiner "Clutch"-Mentalität, also der Stärke, in den spielentscheidenden Phasen treffsicher den kühlen Kopf zu bewahren, mauserte sich der vierfache deutsche Meister zum Schlüsselspieler der erfolgreichen deutschen Vorrunde.

"Maodo wird der nächste deutsche Spieler in der NBA", ist sich DBB-Kapitän Schröder sicher. Interesse aus der besten Basketballliga der Welt hat es im Laufe der letzten Jahre für den Absolventen der New Yorker Elitehochschule Columbia immer wieder gegeben, "aber nie einen richtigen Vertrag, sonst hätte ich den wahrscheinlich schon angenommen", erklärte Lo. Die EM könnte also auch sein ganz persönliches Ticket in die NBA sein – mit Chauncey Billups, Head Coach der Portland Trail Blazers, hat er zumindest schon einmal einen NBA-Verantwortlichen mit seinen Leistungen in Köln Lobeshymnen auf sich singen lassen.

Doch auch Lo in Spitzenform konnte Deutschlands Schwächen bei der einzigen Niederlage gegen Slowenien nicht kaschieren. "Wir haben offensiv zu wenig gemacht und defensiv zu viel zugelassen", analysierte Shooting Guard Obst knallhart die entscheidenden Mängel nach der Partie gegen den Titelverteidiger.

Deutschland muss die Superstars besser in den Griff kriegen

Die Offensivkritik dürfte dabei als aus der Emotion der Niederlage heraus geboren abgestempelt werden. Deutschland bewegte den Ball nämlich auch gegen das Team um Superstar Luka Doncic gut. Die fehlenden Punkte summierten sich vielmehr dadurch auf, dass die Slowenen Wagner als Shooter aus dem Spiel nahmen und der während des bisherigen Turniers ohnehin vor Selbstbewusstsein zu zerbersten drohende Schröder trotz seiner Dreierschwäche weiter munter von "Downtown" den Korb ins Visier nahm. Bei nur sechs versenkten Dreiern bei 29 Versuchen sollte er sich diesbezüglich auch im Sinne der Mannschaft etwas einbremsen.

Das Team kassierte nie besorgniserregend viele Punkte gegen sich und auch die Niederlage gegen Slowenien fiel mit 80:88 noch human aus, dennoch: Die Defensive ist schon eher Deutschlands Baustelle. Gerade der mit vielen Vorschusslorbeeren im Expressverfahren eingebürgerte Guard Nick Weiler-Babb blieb hinter den Erwartungen zurück. Der Bayern-Profi rückte zwar bei seinen Auftritten immer heraus, um den gegnerischen Aufbauspielern früh körperliche Präsenz entgegenzuhalten, blieb dabei jedoch ohne Durchschlagskraft. Keinen Steal gesammelt, keinen Fastbreak mit einem Assist veredelt – der Defensivspezialist konnte keine stichhaltigen Argumente für sich sammeln. Dass er wegen einer Schulterverletzung nun nach München gereist ist und der Nationalmannschaft womöglich im Achtelfinale gegen Montenegro fehlen wird, könnte retrospektiv eine Erklärung für seine durchwachsene Leistung sein.

Gegen die Basketballer vom Balkan dürfte Deutschland trotz der defensiven Schwäche auf der Guard-Position nicht in allzu große Probleme geraten. Die Montenegriner treten bei der EM ohne ihren Star-Center Nikola Vucevic von den Chicago Bulls an – ein enormer Qualitätsverlust für sie, ein gutes Omen für Deutschland. In der Vorrunde hatte Deutschland nämlich seine liebe Mühe mit eben solchen Kalibern: Bosniens Dzanan Musa gelangen 30, Litauens Jonas Valanciunas 34 und Sloweniens Luka Doncic sogar 36 Punkte.

Schlechter werden die Gegner in der Finalrunde beileibe nicht. Griechenlands Giannis Antetokounmpo und Serbiens Nikola Jokic (beide zweifache NBA-MVPs) könnten Deutschlands Weg ins Fernziel Finale noch kreuzen – und möglicherweise dann auch durchkreuzen.

Doch auch gegen den "Greek Freak" und den "Joker" könnte und dürfte Deutschland im Kollektiv einiges dagegenhalten zu haben. Gelingt es Herbert, die Matchups richtig zu setzen, und den Spielern, gedankenschnell ihre Gegner zu switchen, kann das DBB-Team gerade durch seine Kadertiefe auch gegen solche auf ihre Superstars konzentrierten Tofavoriten einiges ausrichten. Und dann könnte tatsächlich schon bald Deutschlands Basketballern Edelmetall um den Hals baumeln.

Verwendete Quellen
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