Leichtathletik Kampf um Testosteron-Regel: Wegweisendes CAS-Urteil erwartet
Frankfurt/Main (dpa) - Der Internationale Sportgerichtshof CAS wird am Mittwoch (12.00 Uhr) ein wegweisendes Urteil zum Startrecht von hyperandrogenen Athleten veröffentlichen.
Auslöser des Verfahrens war eine geplante Regel des Leichtathletik-Weltverbandes mit Kriterien für die Zulassung von Athletinnen wie die 800-Meter-Olympiasiegerin Caster Semenya. Die IAAF-Regel sollte für Sportlerinnen gelten, die einen Testosteronwert von fünf oder mehr Nanomol pro Liter (nmol/L) im Körper aufweisen. Eine umstrittene Studie ergab, dass Athletinnen mit höheren Testosteronwerten viel leistungsfähiger sind.
Was löste die Debatte um Transsexuelle und Hyperandrogenismus aus?
Die südafrikanische Läuferin Caster Semenya gewann 2009 bei der WM in Berlin den Titel über 800 Meter. Ihre maskuline Erscheinung und die schnelle Zeit weckten Zweifel, und sie musste einen Geschlechtstest machen. Die Ergebnisse wurden nie veröffentlicht, es wurde aber gemutmaßt, dass sie intersexuell ist. Der frühere IAAF-
Generalsekretär Pierre Weiss hatte damals mitgeteilt: "Es ist klar, dass sie eine Frau ist, aber vielleicht nicht zu 100 Prozent." Nach der WM wurde Semenya gesperrt, durfte aber die Goldmedaille behalten.
Was waren die Konsequenzen aus dem WM-Fall Semenya?
Am 6. Juli 2010 teilte die IAAF mit, dass Semenya wieder bei den Frauen starten darf. Das Internationale Olympische Komitee passte im Juni 2012 die für die Olympischen Spiele in London gültigen Richtlinien zu Hyperandrogenismus an. Danach mussten sich weibliche Athleten mit einem für Männer typischen Testosteronwert einer Hormon senkenden Behandlung unterziehen, um weiter bei Frauen-Wettkämpfen starten zu dürfen. Im Mai 2011 hatte bereits die IAAF entsprechende Regeln eingeführt. Das CAS hob die IAAF-Regel 2015 auf und gab dem Weltverband zwei Jahre Zeit, um die Notwendigkeit der medizinischen Behandlung und den vermeintlichen Wettbewerbsvorteil zu beweisen.
Wie begründete die IAAF die Notwendigkeit der Regel?
Die IAAF will mit dieser Regeln Chancengleichheit gewährleisten. "Wie viele andere Sportarten haben wir uns entschieden, zwei Kategorien für unseren Wettbewerb zu haben - Männer- und Frauen-Events", erklärte IAAF-Präsident Sebastian Coe. Es gehe darum, "das Spielfeld zu ebnen, um einen fairen und bedeutungsvollen Wettbewerb in der Leichtathletik zu gewährleisten, wo Erfolg durch Talent, Hingabe und harte Arbeit statt durch andere Faktoren bestimmt" werde.
Was beweist die IAAF-Studie zum Wettbewerbsvorteil?
Eine von der IAAF in Auftrag gegebene wissenschaftliche Studie vom Juli 2017 sollte den Zusammenhang zwischen Testosteronwerten und deutlichem Wettbewerbsvorteil beweisen. Die unter Experten umstrittene Untersuchung ergab, dass Athletinnen mit hohen natürlichen Testosteronwerten im Vergleich zu jenen mit niedrigen eine um 1,8 bis 4,5 Prozent bessere Leistung über Laufstrecken von 400 und 800 Metern sowie im Hammerwurf und Stabhochsprung erbringen.
Was sind die Argumente von Caster Semenya gegen die IAAF-Regel?
Im Februar hatte der CAS zu einer fünftägigen Anhörung nach Lausanne eingeladen. Caster Semenya machte dort ihren Standpunkt klar und forderte, dass sie und andere Frauen, die von der Regel betroffen wären, "ohne Diskriminierungen in den Frauenklassen starten sollten". Zuvor hatt sie immer wieder betont: "Es ist nicht fair. Ich laufe ganz natürlich, in der Weise, wie ich geboren wurde. Ich bin eine Frau, und ich bin schnell."
Könnte Semenya bei einer Niederlage ein anderes Gericht anrufen?
Die Anrufung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg wäre für Caster Semenya im Falle einer Niederlage vor dem CAS eine denkbare Option. Die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein hat das in einem anderen Zusammenhang versucht - ohne Erfolg.