Niederlage in Berlin Kein Schimmer Schalke-Hoffnung unter Gross
Berlin (dpa) - Der FC Schalke 04 bleibt auch unter seinem vierten Trainer in dieser Saison eine Null. Dem nächsten Fußball-Offenbarungseid im königsblauen Chaos ließ nach dem misslungen Debüt von Hoffnungsträger Christian Gross der total frustrierte Mark Uth eine Ansage folgen.
Mit seiner für einen Spieler nassforschen Forderung nach personeller Verstärkung beschrieb der Stürmer nach dem 0:3 bei Hertha BSC schonungslos die Krise beim in der Bundesliga 30 Spiele sieglosen Revier-Club. "Die Verantwortlichen müssen auf dem Transfermarkt noch tätig werden. Wir brauchen Spieler, die uns sofort weiterhelfen können", forderte Uth. Sonst, so das klare wie ehrliche Urteil, sei man: "Nicht wettbewerbsfähig"!
Der ebenfalls schwer angeschlagene Sportchef Jochen Schneider machte am Sonntag zumindest ein wenig Hoffnung auf weitere Winter-Zugänge neben Rückkehrer Sead Kolasinac vom FC Arsenal. "Wir versuchen, die Mannschaft noch zu verstärken", sagte Schneider bei "Sky90". Dafür könnte auch die vom ehemaligen Aufsichtsratsboss Clemens Tönnies angebotene finanzielle Hilfe in Anspruch genommen werden. "Das werden wir intern klären und besprechen", sagte Schneider.
Der aktuelle, auch von Schneider in der verheerenden finanziellen Situation zusammengestellte Kader bewies am Samstag seine Untauglichkeit. So wird es auch für Gross schwer, Schalke vor dem vierten Bundesliga-Abstieg zu bewahren. Sollte der Routinier aus der Schweiz scheitern, wäre auch Schneider endgültig nicht mehr zu halten. "Ja, das ist klar", sagte Schneider selbst dazu. "Da brauchen wir auch nicht um den heißen Brei herumreden."
Auch der im kalten Olympiastadion als Wunderheiler ruckzuck entzauberte Gross gab in der Kakophonie des Untergangs erstaunlich offene Einblicke über die Grenzen seiner miserabel angelaufenen Rettungsmission und pfiff Uth für seine Einmischung in die Personalpolitik des Vereins nicht zurück. Schneider sei nun "Tag und Nacht gefordert", machte Gross klar. Aber: "Die finanzielle Situation ist kritisch", gestand Gross im ZDF, weshalb Tönnies' Angebot zur finanziellen Unterstützung kaum abgelehnt werden dürfte.
Spielraum könnte Schalke auch durch Verkäufe schaffen. Der Trainer wies Spekulationen über einen bevorstehenden Abschied von Rabbi Matondo oder Ahmet Kutucu aber zurück. "Das ist völlig neu", sagte Gross. Matondo habe in Berlin wegen Magenproblemen gefehlt, für Kutucu gäbe es keine Anfrage eines anderen Vereins.
Mit weiteren Verstärkungen neben Kolasinac rechnet der Schweizer jedenfalls zumindest in der kommenden Wochen erstmal nicht. Und doch hofft der 66-Jährige inständig: "Dass wir den einen oder anderen Spieler noch verpflichten, der Persönlichkeit hat." Es ist ein Indiz fast jeder Talfahrt Richtung Zweitklassigkeit, dass die letzte Hoffnung mit Einzelpersonen verknüpft ist. Da Gross dafür bei seiner Premiere nicht richtig taugte, ist nun der in Berlin noch nicht spielberechtigte Mittelfeldkämpfer Kolasinac dran. Der 27-Jährige war zuletzt bei Arsenal wie Kumpel und Ex-Schalker Mesut Özil aber schon lange aussortiert. "Jeder Zugang mit dieser Güteklasse tut uns gut", sagte Gross, und Schneider kündigte an: "Wir hoffen schon, dass er entscheidend helfen wird, den Karren aus dem Dreck zu ziehen."
Die Frage nach der am kommenden Samstag gegen 1899 Hoffenheim drohenden Einstellung des Negativrekords von Tasmania Berlin mit 31 sieglosen Liga-Spielen in Serie aus der Saison 1965/66 ließ Gross zunächst beschämt zu Boden schauen. Nach kurzer Bedenkzeit konterte er: "Es wird nicht der Fall sein." Seine propagierten Mittel klangen aber schon nach der Premiere nach Phrasen. Mehr "Effizienz" im Abschluss wolle er und schloss sein Sky-Interview mit der Standardfloskel "die Hoffnung stirbt zuletzt".
Woher die Hoffnung kommen soll, bleibt fraglich. Einen Negativrekord hat Tabellen-Schlusslicht Schalke schon. 39 Gegentore nach 14 Spieltagen gab es noch nie in der so stolzen Club-Historie. Nach vier Punkten zu diesem Saisonzeitpunkt schaffte bislang kein Club mehr den Klassenverbleib. Das Muster in Berlin glich vielen Schalke-Spielen. "Die ersten 30, 40 Minuten waren okay", stellte Gross zurecht fest.
Jeder Gegentreffer wirkt aber wie ein K.o.-Schlag für die verunsicherte Mannschaft. Die Hertha-Torschützen Mattéo Guendouzi (36. Minute), Jhon Cordoba (52.) und Krzysztof Piatek (80.) trafen Schalke ins Mark. Gross selbst stand mit seinem ganzen Habitus im Olympiastadion nicht für den ersehnten Aufbruch. Die Hände fast das ganze Spiel in den Hosentaschen vergraben wirkte er mehr wie ein grübelnder Beobachter, denn wie ein Kommunikator oder Motivator, den die Mannschaft sicher bräuchte. Ob sein Image als harter Hund reicht?
Auch das von Gross verkündete Wochenprogramm klang nicht nach einem Wandel. Am Dienstag soll das Team wieder zum Training zusammenkommen. Veränderungen in den Abläufen plant Gross nicht.