Trotz Herbstmeisterschaft Mission Aufstieg gescheitert: Umbruch nach HSV-Fiasko
Hamburg (dpa) - Nach dem sportlichen Fiasko verkroch sich die Führungsriege des Hamburger SV, dafür ging Investor Klaus-Michael Kühne auf die Barrikaden.
Mit dem Bekenntnis, der HSV-Führung bereits im Februar die Entlassung von Trainer Hannes Wolf empfohlen zu haben, eröffnete der 81-Jährige beim kriselnden Traditionsclub die befürchtete Schlammschlacht. Wolfs Mannschaft hatte am Sonntag mit der 1:4-Pleite beim SC Paderborn die letzte realistische Chance auf den Aufstieg in die Fußball-Bundesliga verspielt.
"Ich habe das Erfordernis des Trainerwechsels mehrfach thematisiert. Die fehlende Handlungsbereitschaft der einschlägigen Gremien war aus meiner Sicht verhängnisvoll", betonte der Unternehmer, der 20,57 Prozent der Anteile an der HSV Fußball-AG hält. "Dass der Aufstieg nicht gelingen würde, war mir schon vor mehreren Wochen klar." Kühne forderte zugleich "den Aufbau einer gänzlich neuen Mannschaft. Nur ein Neuanfang mit vielen frischen, engagierten Spielern kann zu Aufbruchsstimmung und einer neuen Moral führen."
Unterdessen begannen die Verantwortlichen damit, das sportliche Debakel aufzuarbeiten. "Die letzten zwei Monate waren eine einzige Katastrophe", gestand Sportvorstand Ralf Becker nach dem schwarzen Sonntag trefflich. Weder er noch andere Verantwortungsträger hatten sich ein weiteres Jahr 2. Liga in ihren schlimmsten Träumen vorstellen können. Aber die Realität ist brutal. Von Strahlkraft ist beim einstigen Europapokalsieger nichts mehr zu sehen.
Und es war wieder der 12. Mai, der alle Hoffnungen der Hanseaten jäh zerstörte. Wie vor einem Jahr, als der erste Abstieg aus der 1. Liga an jenem Tag besiegelt wurde. "Was für ein Desaster", postete Ex-Profi, -Trainer und -Manager Felix Magath nun. "Ein Abstieg kann ja heilsam sein. Man denkt, irgendwann wachen sie mal auf. Aber sie präsentieren sich noch schlechter als in der Bundesliga", schimpfte der frühere HSV-Torwart Uli Stein bei "Sky 90". Und legte noch einmal nach: "Eigentlich hat es der Verein nicht mehr anders verdient."
Die Hamburger müssen sich erneut neu aufstellen, das Gesicht der Mannschaft radikal verändern und endlich loskommen vom langen Schatten der großen Vergangenheit. Die blinkenden Pokale, die vor mehr als 30 Jahren eingeheimst wurden, erweisen sich seither als traumatischer Maßstab. Der HSV heute hat mehr mit Sandhausen und Erzgebirge Aue gemein als mit Borussia Dortmund oder RB Leipzig.
Die meistgestellte Frage: Wer wird neuer Trainer? Was Becker und Vorstandschef Bernd Hoffmann partout nicht wollten, wird sich nicht vermeiden lassen. Der ehrgeizige, aber wenig erfahrene Wolf wird seinen Stuhl im Volksparkstadion räumen müssen. Er ist gescheitert an der Mission Aufstieg, die ihm im Oktober als Nachfolger von Christian Titz auferlegt worden war. Gründe, warum er seinen bis Sommer 2020 laufenden Vertrag erfüllen sollte, haben sich in Luft aufgelöst.
Wolfs verzweifelten Versuche, mit wechselnden Aufstellungen und Systemen zu reüssieren, blieben erfolglos. Sein Anspruch, jeden Spieler besser machen zu wollen - eine Worthülse. Die katastrophale Rückrunde mit abstiegsreifen 16 Pünktchen war Ausdruck der um sich greifenden psychischen Instabilität des jungen, wohl zu jungen Teams. Es fehlen Leader, Wortführer, die bei Gegenwind Kurs halten. "Ein, zwei Verletzungen, drei, vier Formtiefs: Fakt ist, wir haben als Mannschaft nicht mehr funktioniert", betonte Wolf (Punkteschnitt: 1,52). Viele fragen: Warum musste Titz (1,80) eigentlich gehen?
Zudem wirft die Zusammenstellung des Kaders Fragen auf. Dafür muss sich auch Sportchef Becker rechtfertigen. Für alle und alles kann er nichts. Schließlich plagt er sich mit Altlasten herum. Probleme bei der Ballannahme, beim Passspiel über 20 Meter, im 1:1-Spiel oder beim Flanken lassen nicht selten die Qualitätsfrage bei einigen Profis aufkommen. Vermeintliche Leistungsträger wie Vizekapitän Gotoku Sakai, Ex-Nationalspieler Lewis Holtby und Fehlverpflichtung Hee-Chan Hwang sowie der unter dem Druck der Erwartungen zusammengebrochene Jungstar Fiete Arp stehen sinnbildlich für den HSV-Absturz. Hinzu kam, dass der spielintelligente Kapitän Aaron Hunt aus Verletzungsgründen in der Rückrunde nur selten zur Verfügung stand.
Nun schnallt Hoffmann den Gürtel enger. Er wollte mit dem Aufstieg eine schnellere Gesundung des mit 85 Millionen Euro verschuldeten Vereins forcieren. Vorbei! Stattdessen wird der 29-Millionen-Etat runtergeschraubt werden müssen. Die TV-Vermarktung wirft rund 14 Millionen Euro weniger ab als Liga 1, der Hauptsponsor springt vielleicht ab - für die Verpflichtung gestandener Profis fehlt Geld.
Umso wichtiger ist der Blick für Talente, die sich veredeln und in einigen Jahren versilbern lassen. Wenn der Katzenjammer verflogen ist, wird sich die sachliche Betrachtungsweise von Becker durchsetzen: "Das Ziel ist ganz klar, im nächsten Jahr aufzusteigen." Es gibt aber Beispiele genug, dass Mannschaften noch tiefer stürzten.