Lehren aus dem Algerien-Spiel Sind aus diesem Holz Weltmeister geschnitzt?
Aus Porto Alegre (Brasilien) berichtet Thomas Tamberg
Es war ein Thriller mit Happy End. Lassen wir mal für einen Moment Spielweise, Taktik, System und den ganzen Kram außen vor. Der 2:1-Erfolg nach Verlängerung im WM-Achtelfinale gegen Algerien hatte jede Menge Unterhaltungswert. Es dürfte schon eine ganze Weile her sein, dass Millionen deutsche Fußballfans im Kollektiv so sehr gezittert, geschimpft und am Ende doch noch lautstark gejubelt haben. So gesehen war es ein toller Auftritt der deutschen Nationalmannschaft.
Die andere Seite sieht indes so aus: In der ersten halben Stunde fand die DFB-Elf überhaupt nicht ins Spiel. Es gab keine Laufbereitschaft und die Algerier wurden von Minute zu Minute frecher.
Wäre Manuel Neuer an diesem Abend nicht so ein saucooler Torwart gewesen; Deutschland hätte sich nicht beschweren können, mit einem Rückstand in die Pause zu gehen. "In der ersten Halbzeit waren wir schlecht", gab auch Bundestrainer Joachim Löw zu.
Keiner hat vorher behauptet, es wird leicht
Wahrscheinlich erging es unseren Auswahl-Kickern wie den meisten von uns: Irgendwo im Hinterkopf wurden die Nordafrikaner unterschätzt. Und wenn man nur fünf Prozent nachlässt, kann das auf diesem Niveau schnell gewaltig nach hinten losgehen. Jeder weiß das, und trotzdem kann man sich nicht dagegen wehren. Erst allmählich berappelten sich die DFB-Kicker. Trotzdem musste man bis zur allerletzten Sekunde zittern.
Doch niemand hat vor dem Turnier behauptet, dass der deutschen Mannschaft ein Spaziergang zum WM-Titel bevorsteht. "Auch andere Mannschaften wie Brasilien haben sich bislang schwer getan", sagte Löw zurecht. Hätten die Chilenen Sekunden vor Schluss nicht die Latte, sondern ins Tor getroffen, wäre Brasilien jetzt Zuschauer im eigenen Land. So aber ging der Gastgeber gestärkt aus der Erfahrung des Elfmeterschießens aus der Partie.
"Bis zur letzten Sekunde alles gegeben"
Auf die Frage, ob der Erfolg gegen Algerien auch eine Signalwirkung für die deutsche Mannschaft habe, atmete Per Mertesacker tief durch und sagte nur: "Na klar. Der Sieg war absolut wichtig." Man habe schließlich nie aufgesteckt und bis zur letzten Sekunde alles gegeben. In der Tat. Auch wenn viele Spieler hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind, haben sie, abgesehen von der verpennten ersten halben Stunde, bis zum Umfallen gekämpft.
Bastian Schweinsteiger und Co. haben nun eine Erfahrung hinter sich, die sie für dieses Turnier mental stärker werden lässt. Das ist nicht das Verkehrteste, hat man doch den Eindruck, dass die Elf in diesem Bereich noch Nachholbedarf hat, obwohl zahlreiche gestandene Spieler dabei sind. Zumal es für Akteure wie Schweinsteiger, Philipp Lahm oder Mertesacker die allerletzte Chance sein könnte, den WM-Titel zu gewinnen. Da kann man schon mal fahrig werden.
Schwung mitnehmen
Man reist in der Regel nicht von Beginn an mit einer eingeschworenen Truppe zu einem solchen Turnier. Eine eingeschworene Truppe entwickelt sich. Und zwar nicht nach 4:0-Auftaktsiegen, sondern dann, wenn es ernst wird. Wenn es um Tod oder Gladiolen geht. Unter diesem Aspekt dürfte der Erfolg gegen Algerien der deutschen Mannschaft Schwung für das Spiel gegen Frankreich verliehen haben.
"Wollen Sie eine erfolgreiche WM oder dass wir mit schönem Fußball ausscheiden", fragte Per Mertesacker nach der Partie. Also so gesehen, sagen wir doch ganz einfach mal: Weltmeister werden!
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