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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Schwerer Stand in Istanbul Mesut Özil: Aus dem Rampenlicht in den Schatten
Bei seinem Wechsel zu Fenerbahce galt Mesut Özil als neuer Superstar der türkischen Liga. Acht Monate später ist die Euphorie Ernüchterung gewichen. Nun spielt der Weltmeister von 2014 erstmals seit dem Erdogan-Eklat wieder in Deutschland – in der Europa League in Frankfurt.
Mesut Özil hat in seiner Karriere viel erlebt. Eine Spielervorstellung wie am 28. Januar 2021 als Neuzugang von Fenerbahce Istanbul wird für ihn aber höchst befremdlich gewirkt haben. Wirklich befremdlich. Denn erst nach 39 Minuten durfte der damals als neuer Hoffnungsträger und Superstar der türkischen Süperlig gefeierte Ex-DFB-Star erstmals etwas sagen.
Zuvor standen unter anderem ein Film über den Neuzugang sowie eine ausführliche Rede von Präsident Ali Koc an. Kein Wunder, dass Özil, als er dann wirklich zu Wort kam, erst einmal etwas in Stocken geriet: "Ich weiß wirklich nicht, was sich sagen soll. Ich bin sehr glücklich. Wie es der Präsident gesagt hat: Es ist ein Traum für Fenerbahce."
Özil spielt erstmals seit drei Jahren wieder in Deutschland
Doch dieser Traum entwickelt sich knapp neun Monate später immer mehr in Richtung Alptraum. Denn: Der mittlerweile 32-jährige Özil hat bei "Fener" bisher alles andere als geglänzt. Nachdem er in der Vorsaison verletzungsbedingt nur elf Pflichtpartien absolvierte, nährte eine gute Vorbereitung die Hoffnung darauf, dass der 92-fache deutsche Nationalspieler in dieser Saison sein altes Leistungspotenzial abruft.
Doch in den bisher absolvierten fünf Pflichtspielen (drei in der Liga, zwei im Europapokal) blieb er diesen Beweis schuldig. Und gerade jetzt steht Özil erstmals seit dem Rummel um ein umstrittenes Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und dem anschließenden Rücktritt aus der Nationalmannschaft nach der WM 2018 wieder in einem deutschen Stadion auf dem Platz: im ersten Europa-League-Gruppenspiel bei Eintracht Frankfurt (ab 21 Uhr im Liveticker von t-online).
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Kritik zum Saisonstart
"Er ist ein Fußballstar. Er ist bekannt, er hat gute Leistungen gebracht. Er ist mit dem Nationalteam Weltmeister geworden und hat großen Anteil daran gehabt", erklärte dann auch Frankfurt-Keeper und Ex-Nationalmannschaftskollege Kevin Trapp. "Natürlich ist das ein Spieler, auf den viele schauen."
Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern vor allem auch in der Türkei. Dort wurde er wie ein Heilsbringer empfangen – und steht heute mehr denn je in der Kritik. "Jedes Mal, wenn Mesut Özil den Ball am Fuß hatte, lag er am Boden und verlor ihn wieder. Er ist nicht bereit", schimpfte beispielsweise Ex-Profi Tarik Daşgün im türkischen Fernsehen nach dem 1:1 am Sonntag gegen Sivasspor.
Probleme mit dem System des neuen Trainers
Wirklich gerecht wurde das Özils Auftritt zwar nicht, die fehlende Bindung zum Spiel war ihm allerdings deutlich anzumerken. Dies liegt auch daran, dass der im Sommer geholte Trainer Vitor Pereira einen Stil bevorzugt, bei dem es schnell und direkt nach vorne geht. Lange Ballbesitzzeiten, die einem Spielgestalter wie Özil entgegenkommen, sind beim Portugiesen, der 2018 mit 1860 München in die 3. Liga abstiegt, eher nicht vorgesehen.
Kein Wunder also, dass Özil mit dem System noch fremdelt – auch wenn er versucht, als Kapitän demonstrativ voranzugehen. Dennoch absolvierte der ehemalige Bundesligaakteur noch keine Partie über die volle Spielzeit. Immerhin gelangen ihm aber schon ein Tor und eine Vorlage.
Treffen mit Katars Staatsoberhaupt
"Wäre Pereira in der letzten Saison schon da gewesen, hätte Fenerbahce Mesut nicht geholt", sagte denn auch Ridvan Dilmen in einer TV-Fußballshow. Die Fenerbahce-Legende gilt als Vertrauter Özils in der Türkei.
Kein Wunder, dass bereits Gerüchte ins Feld schießen, wonach der Rio-Weltmeister an einen vorzeitigen Abschied denke. Eine Reise nach Katar und ein Treffen mit dem dortigen Staatsoberhaupt Scheich Tamim bin Hamad Al Thani heizten Spekulationen an. Zudem wurden Klubs aus England als Abnehmer gehandelt.
Die Liga dort kennt Özil zumindest sehr gut. Denn: Von 2013 bis zum vergangenen Januar spielte er dort, absolvierte für den FC Arsenal 254 Pflichtspiele und gewann mit den "Gunners" viermal den Pokal und zweimal den Ligapokal. Zuletzt lief es für Özil in London allerdings überhaupt nicht: Trainer Mikel Arteta berief den Mittelfeldstrategen nicht einmal mehr in den Kader, sodass er seit März 2020 ohne Spielpraxis war – und seinen hochdotierten Vertrag auf der Tribüne absaß.
Von einer ähnlichen Konstellation ist bei "Fener" allerdings nicht auszugehen – wobei auch ein Wechsel im Winter eher unwahrscheinlich erscheint. So versicherte Berater Erkat Sögüt: "Mesut ist mit der Liebe zu Fenerbahce aufgewachsen und genießt jetzt das Gefühl, dieses Trikot zu tragen. Er ist bereit, sein Bestes für den Erfolg von Fenerbahce zu geben. Er kam hierher, weil er es geplant und gewollt hat, nicht wegen des Geldes."
- Welt.de: Die Rückkehr des Mesut Özil
- Spiegel.de: Nur noch Mitläufer (kostenpflichtig)
- YouTubeKanal von Sport1: Tochter weint, Journalisten jubeln: Özils pompöse Vorstellung
- Sportschau.de: Frankfurt-Gegner Fenerbahce - Özil wartet noch auf den Durchbruch