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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Analyse zum Supercup Was der FC Bayern dem BVB in dieser Saison voraus hat
Mit dem nationalen Supercup gewann der FC Bayern am Mittwochabend seinen fünften Titel des Jahres. Dabei waren die Münchner nicht immer souverän – aber am Ende eben den einen Tick besser.
Die Bayern haben nach dem Europäischen nun auch den Deutschen Supercup gewonnen und ihre Vormachtstellung einmal mehr unterstrichen. Allerdings musste sich der Rekordmeister im Duell mit Erzrivale Borussia Dortmund arg strecken.
Über die Aussagekraft des Supercups darf gewiss gestritten werden, aber das Aufeinandertreffen zwischen Bayern und Dortmund zu solch einem frühen Zeitpunkt in der Saison vermag erste Einblicke in den Leistungsstand beider Teams zu geben.
Die Trainer nahmen den Supercup ernst
Den Aufstellungen der Trainer war zu entnehmen, dass sie den Supercup mit einer gewissen Ernsthaftigkeit angingen, aber auch das eine oder andere Experiment nicht scheuten. Auf Seiten der Dortmunder durften sich die Reservisten Mahmoud Dahoud und Thomas Delaney im zentralen Mittelfeld beweisen. Auf Seiten der Münchner griff Hansi Flick auf das 4-3-3-Alternativsystem zurück, um Corentin Tolisso im Zentrum spielen zu lassen, während Thomas Müller in dieser Partie vornehmlich vom Flügel kam.
Die Dortmunder waren von der gegnerischen Aufstellung überrascht, weil sie vermuteten, dass die Bayern im 4-2-3-1 auftreten würden und Tolisso vor der Abwehr spielen würde. Als vorm Anpfiff etwa Emre Can auf die andere Seite blickte, war seine Verwunderung ob der Anordnung der Münchener nicht zu übersehen.
Eine Pressingschlacht
Der Supercup war insofern eine Werbung für den deutschen Spitzenfußball, weil einmal mehr unter Beweis gestellt wurde, wie gut das Pressing hierzulande ist. Bayern und Dortmund ließen sich gegenseitig nahezu keine Luft zum Atmen, wenn der andere den Ball in der eigenen Spielhälfte hatte. Aus diesem Grund gab es viele Umschalt- und Kontersituationen. Beide Mannschaften verbuchten zusammen 17 Balleroberungen; hinzu kamen 38 weitere Ballbesitzwechsel, die oftmals die Folge von intensivem Pressing und Verteidigen waren.
BVB agierte mit kompakten ballorientierten Raumdeckung
Die konkreten Abläufe im Pressing unterschieden sich vor allem im Detail. Die Bayern stellten mit einer Eins-gegen-Eins-Zuordnung die Dortmunder Dreierabwehr sowie die beiden zentralen Mittelfeldspieler unmittelbar am BVB-Strafraum zu. Zumeist ließen Joshua Kimmich und Corentin Tolisso ihren Gegenspielern im Mittelfeld zunächst ein paar Meter Platz, um sie anschließend mit mehr Dynamik zu attackieren, sollte der Ball in ihre Richtung gespielt werden.
Der BVB wiederum spielte weniger mit einer direkten Manndeckung, als vielmehr mit einer kompakten ballorientierten Raumdeckung. Lediglich Kimmich, jener Münchener, der sich erfahrungsgemäß am ehesten mit seinen Dribblings aus Pressingsituationen befreien kann, wurde in enge Manndeckung genommen. Die Dortmunder wussten, dass der Rekordmeister den Spielaufbau über die linke Seite leiten würde, sollte Kimmich aus dem Spiel genommen werden. Interessanterweise waren es die beiden zentralen Mittelfeldspieler der Borussen, die extrem weit zum Flügel verschoben, um etwa Linksverteidiger Alphonso Davies unter Druck zu setzen.
Das aggressive Pressing der Dortmunder und das damit verbundene weite Vorrücken der beiden Mittelfeldakteure war insofern überraschend, weil es mit einem hohen Risiko verbunden war. Der BVB gab viel Raum vor der Abwehr auf, war aber mehrfach erfolgreich mit seinen Pressingattacken. Immerhin verloren die Bayern den Ball allein zehnmal, bevor sie die Mittellinie überqueren konnten. Beide Dortmunder Treffer fielen infolge von erfolgreichen Pressingattacken in der bayerischen Hälfte, während das entscheidende 3:2 der Bayern auch das Resultat von hartem Nachsetzen unmittelbar nach einem Aufbaupass war.
Der feine Unterschied
Der feine Unterschied zwischen beiden Mannschaften liegt weiterhin in der offensiven Durchschlagskraft. Wenn Dortmund keinen Erfolg mit dem eigenen Pressing hat, ist es im Angriff – gerade in Abwesenheit von Jadon Sancho – eine Ein-Mann-Show von Erling Haaland, der sich gerne auch mal gegen zwei oder drei Verteidiger zu behaupten weiß. Die Bayern besitzen jedoch mehr Offensivwaffen und auch ihre zweite Welle kann Tore vorbereiten oder erzielen.
Zum Vergleich: Beim BVB spielten Thomas Meunier und – aufgrund von Verletzungen – Felix Passlack auf den Flügeln. Beide blieben offensiv weitestgehend blass. Meunier, der sich als größte Schwachstelle der Dortmunder mit und ohne Ball entpuppte, hatte sogar in der zweiten Halbzeit die Chance eine schnelle Umschaltsituation in einen Torerfolg umzumünzen. Während sein Vorgänger Achraf Hakimi diese Möglichkeit wahrscheinlich genutzt hätte, schoss Meunier den Ball in Richtung der menschenleeren Tribüne der Allianz Arena.
Die Bayern jedoch besitzen mit Davies sowie seinen offensiven Teamkollegen vielmehr Qualität auf den für sie so wichtigen Außenbahnen, was sie offensiv variabler und damit weniger ausrechenbar macht.
- Analyse von Constantin Eckner