Klitschko-Gegner Alex Leapai Geläuteter Ex-Häftling und Teilzeit-LKW-Fahrer
Es hatte nicht viel gefehlt und bei seinem ersten Auftritt vor seinem Kampf gegen Box-Weltmeister Wladimir Klitschko wäre der alte Alex Leapai zum Vorschein gekommen. Jener heißblütige Alex Leapai, der sein Rugby-Stipendium verloren hatte, weil er einen Schiedsrichter attackiert hatte. Jener Alex Leapai, der sechs Monate wegen Körperverletzung ins Gefängnis musste, weil er sich vor neun Jahren mit vier Türstehern anlegte, die seinen Onkel zuvor aus einem Nachtclub rausgeworfen und verletzt hatten.
Und nun provozierte Shannon Briggs bei der Pressekonferenz zum Auftakt der Kampfwoche den Australier, indem er Leapai das Recht absprach, den Champion herausfordern zu dürfen. Doch Klitschko konnte seinen auf Samoa geborenen Kontrahenten noch einmal zurückhalten. "Beruhige Dich, Junge, nimm Platz und entspann Dich", riet ihm Dr. Steelhammer - und Leapai folgte der Aufforderung.
In einem "Whirpool aus Alkohol und Drogen versunken"
Denn auch der Australier weiß: Der Kampf um die Krone im Schwergewicht der Verbände IBF, WBA, WBO und IBO ist die sportliche Chance seines Lebens - nachdem er sein Leben schon umgekrempelt hat.
Nach seiner Haftstrafe war Leapai allerdings erst einmal in einem "Whirpool aus Alkohol und Drogen versunken", wie er freimütig eingesteht. Doch der heute 34-Jährige ist geläutert - mit Beistand von ganz oben. "Ich danke Gott und Jesus Christus, dass ich eine zweite Chance erhalten habe", sagte er im Interview mit T-Online.de.
Eigentlich überhaupt nicht für den Kampf vorgesehen
Dass Leapai überhaupt am Samstag gegen Klitschko im Ring steht, ist eher ein Zufallsprodukt, denn langfristige Planung. In seinem ersten Kampf in Europa war für ihn eigentlich nur die Rolle als Aufbaugegner für Denis Boytsov zugedacht gewesen. Offiziell ging es im November letzten Jahres um den von Leapai gehaltenen Titel des Asien- und Pazifik-Meisters der WBO. Boytsov sollte danach als offizieller Herausforderer gegen Klitschko antreten.
"Er hat mich wohl unterschätzt", sagt Leapai. Zweimal schickte er seinen Kontrahenten zu Boden, gewann klar nach Punkten. Die WBO honorierte den Erfolg und machte nun den Australier zum offiziellen Herausforderer.
Größter Zahltag
Rund eine Million Euro kassiert Leapai für den Fight in Oberhausen, "mehr als ich in allen Kämpfen bisher zusammen bekommen habe". In der Vorbereitung musste er diesmal auch nicht Sachen mit dem LKW ausfahren, wie noch vor dem Ringduell mit Boytsov.
Die Kampfbörse für eine billige Provokation von Briggs aufs Spiel zu setzen wäre dann auch sehr töricht gewesen. Wobei die Sache mit dem US-Amerikaner für Leapai noch nicht vorbei ist. "Nach diesem Fight würde ich gerne gegen ihn kämpfen", kündigte er bereits an.
"Ich werde Geschichte schreiben"
Doch zuvor steht er im Ring mit dem seit zehn Jahren unbesiegten Klitschko. Körperlich ist der Herausforderer sicherlich im Nachteil. Klitschko ist mit 1,98 Metern stolze 15 Zentimeter größer als sein Herausforderer. Bei der Reichweite beträgt der Unterschied 16 Zentimeter. Doch das schreckt Leapai nicht. Seinen genauen Schlachtplan will er nicht verraten. Doch die Grundvoraussetzung für einen Erfolg gegen den Ukrainer kennt er: "Man muss die Entschlossenheit haben – und definitiv auch ein gutes Kinn."
Denn boxerisch sind seine Fähigkeiten nicht nur nach Einschätzung von Klitschko limitiert. "Von Taktik, Strategie und Technik hat er meiner Meinung nach wenig Ahnung. Alex ist ein wilder Schläger von brachialer Gewalt, der nur einen Gang kennt: pure Gewalt. Das macht ihn erfolgreich und gefährlich zugleich", sagte der Champion im RTL-Interview. 30 Erfolge, 24 davon durch K.o., weist die Bilanz des Herausforderers aus. Vier Mal verließ er als Verlierer den Ring. Bekannte Namen findet man in der Liste seiner Gegner bis auf Boytsov nicht.
Aber das muss ja nicht unbedingt etwas heißen. Am Samstag wird sich zeigen, ob Klitschkos Einschätzung stimmt oder dem Herausforderer die Sensation gelingt. Leapai zumindest ist überzeugt, dass er noch nicht einmal die Punktrichter braucht, um zum Erfolg zu gelangen. "Ich werde für eine vorzeitige Entscheidung sorgen. Es ist nun Zeit für einen Wechsel. Ich werde Geschichte schreiben", kündigte er an. Und in der Tat, sollte es Leapai gelingen, Klitschko zu schlagen, wäre er der erste Weltmeister im Schwergewicht aus Australien seit 106 Jahren.