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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Negativ-Schlagzeilen Wuppertaler Tafel möchte Vertrauen zurückgewinnen
Die Wuppertaler Tafel machte zuletzt insbesondere negative Schlagzeilen, teilweise war sogar von "mafiösen Strukturen" die Rede. Die Staatsanwaltschaft nahm die Ermittlungen auf. Nun möchte sich die Tafel neu aufstellen.
Seit 1995 sorgt die Wuppertaler Tafel dafür, dass in Wuppertal keiner hungert. Das ist ihr Anspruch. 250 ehrenamtliche Helfer sowie 14 festangestellte Mitarbeiter und zahlreiche "Euro-Jobber“ verteilen nach eigenen Angaben monatlich rund 130 Tonnen Lebensmittel. Jeden Abend fährt das Sozialmobil durch Wuppertal und versorgt Menschen, die Hunger haben. "Wir versorgen bis zu 1.200 Personen am Tag“, so die Tafel. "Direkt und über unsere Tafelläden.“
Und dann ist da noch das Sozialkaufhaus am Kleinen Werth 48 mit einer Auswahl an Möbeln, Hausrat und gut erhaltenen Textilien. "Alles zu kleinen Preisen.“ Darüber hinaus ist jeden Donnerstag das "Medimobil“ unterwegs. Ärzte und Krankenpfleger versorgen Menschen, die ansonsten ohne ärztliche Hilfe auskommen müssten.
In die Schlagzeilen geraten
Immer mehr Menschen sind in Wuppertal zur Existenzsicherung auf die Tafel angewiesen. Übrigens nicht nur Erwachsene: Laut einer Bertelsmann Studie ist in Wuppertal jedes dritte Kind von Armut bedroht. Und die Corona-Krise droht die Probleme für alle noch zu verschärfen. Für viele bedeutet die Tafel tägliche Hilfe und Versorgung mit dem Notwendigsten.
Geführt von einem Trägerverein und einem Beirat wird das alles in erster Linie durch Geld- und Sachspenden finanziert. Die Liste der Sponsoren ist lang. Mehr als 130 Wuppertaler Lebensmittelhändler und Bäckereien geben ihre Lebensmittel an die Tafel. Allein 2019 gingen 400.000 Euro an Spenden und Erbschaften beim Trägerverein der Tafel ein. Zudem unterstützt das Jobcenter mit entsprechenden Fördermaßnahmen.
"Mafiöse Strukturen"
Anfang des Jahres geriet die Tafel in eine Schieflage. Negative Schlagzeilen machten die Runde. Der komplette Beirat war zurückgetreten. Die Mitglieder sahen keine Chance mehr, die aus ihrer Sicht dringend notwendigen, organisatorischen Reformen der Tafel gegenüber dem Vorsitzenden Wolfgang Nielsen durchzusetzen. Ausgestattet mit einem Vetorecht sperrte sich Vereinsgründer und Tafel-Urgestein Nielsen angeblich gegen alle Reformvorschläge. Der Beirat und auch einige Vorstandmitglieder sahen die Zukunft der Tafel langfristig gefährdet.
Von gravierenden Missständen war plötzlich die Rede. Von "Bereicherung, von einer Bedienmentalität und der Bevorzugung Einzelner“, sogar von "mafiösen Strukturen“. Die Staatsanwaltschaft nahm erste Ermittlungen auf. Die Wohnung eines Mitarbeiters wurde durchsucht. Es bestand der Verdacht, "in nicht unerheblichem Umfang dem Verein gespendete Lebensmittel aus den Räumen der Tafel entfernt und diese gewinnbringend verkauft zu haben”, so die Ermittlungsbehörden. Und auch das Jobcenter hatte Klärungsbedarf. Dort forderte man vom Trägerverein 170.000 Euro Fördergelder zurück.
Neuer Vorstand gewählt
Ein Neuanfang musste her: Am 22. April 2021 wählte der Trägerverein einen neuen Vorstand. An der Spitzte steht nun der ehemalige Fraktionsvorsitzende der Grünen, Peter Vorsteher. Zur Kommunalwahl am 13. September 2020 war Vorsteher nicht wieder angetreten. Er habe es nach 25 Jahren im Rat der Stadt etwas langsamer angehen lassen wollen, so Vorsteher im Gespräch mit t-online.de. "Eigentlich habe er nur Schriftführer werden wollen.“ Doch die Mitglieder der Tafel wollten es anders.
Zusammen mit seinem Stellvertreter Werner Gottschall, Hans-Jürgen Pulwitt als Kassierer und der Schriftführerin Marianne Krautmacher werde es jetzt erst einmal darum gehen, "die Arbeit der Tafel aufrechtzuerhalten und verlorengegangenes Vertrauen bei den Sponsoren zurückzugewinnen“, erläutert Vorsteher.
Es werde in den nächsten Wochen jeder Stein umgedreht, verspricht er. "Alles kommt auf den Prüfstand.“ Im Team werde man die Probleme angehen. Der Vorstand bündele sehr viel fachliche Kompetenz: Werner Gottschall als ehemaliger Unternehmensberater werde sich um die Strukturen der Tafel kümmern und Marianne Krautmacher als ehemals oberste Sozialplanerin der Stadt habe bereits erste Gespräche mit dem Jobcenter aufgenommen. Schließlich gehe es um viel Geld. Vorsteher selbst vertraut auf sein in knapp 40 Jahren Kommunalpolitik gewachsenes Netzwerk. Er sei gerade dabei, ein neues Kühlfahrzeug zu besorgen, verriet der 64-Jährige.
Vorsteher sieht vor allem an der Spitze der Tafel Handlungsbedarf: "Die Leitungsebene muss auf andere Füße gestellt werden.“ Dringend notwendig sei eine hauptamtliche Geschäftsführung. "Eine Tafel wie die Wuppertaler kannst du auf Dauer nicht ehrenamtlich leiten.“
- Gespräch mit Peter Vorsteher, Vorsitzender der Wuppertaler Tafel
- Eigene Recherchen