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Wuppertal: Daniel Keita-Ruel – Vom Kriminellen zum Profi


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Drei Jahre im Gefängnis
So wurde der Wuppertaler Fußballer Keita-Ruel vom Kriminellen zum Profi


16.01.2020Lesedauer: 5 Min.
Daniel Keita-Ruel begrüßt nach einem Spiel Fans von Greuther Fürth: Dass er einmal Profi werden würde, war nach einer kriminellen Karriere scheinbar undenkbar.Vergrößern des Bildes
Daniel Keita-Ruel begrüßt nach einem Spiel Fans von Greuther Fürth: Dass er einmal Profi werden würde, war nach einer kriminellen Karriere scheinbar undenkbar. (Quelle: Zink/Archivfoto/imago-images-bilder)
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Daniel Keita-Ruel hat es geschafft. Er ist da, wo er immer hinwollte – im Profifußball. Dabei saß der gebürtige Wuppertaler schon einmal im Gefängnis. Nun erscheint ein Buch über sein bewegtes Leben.

Der gebürtige Wuppertaler Daniel Keita-Ruel (30) spielt seine zweite Saison für die SpVgg Greuther Fürth, einem Club aus Franken, der zur Winterpause Tabellenrang acht in der 2. Fußball-Bundesliga belegt. Vielleicht geht in der Rückrunde sogar noch mehr. Richtung Bundesliga. Dann wäre die Story perfekt – vom Knacki zum Bundesliga-Fußballer.

Denn für den Jungen aus der Elberfelder Nordstadt, einem Viertel in Wuppertal, schien der Traum vom Profifußball eigentlich ausgeträumt. Dass es anders kam, ist der Grund, warum seine Lebensgeschichte, die eine Abrechnung mit einer von Dummheiten reichen Vergangenheit ist, nun auch in Buchform erhältlich ist. Wer einmal wegen Raubüberfällen hinter Gittern saß und sich doch seinen Traum erfüllen konnte, hat die authentisch erzählte "Zweite Chance" genutzt.

Vielversprechende Karriere

Die Keimzelle von Keitas Fußballerkarriere liegt im Bolzplatzkäfig an der Elberfelder Bandstraße, einem "Stahlbad", wie er ihn nennt. Dort liefert er sich heiße Fights mit anderen Jungs aus der Nachbarschaft, lernt, den Ball unter Druck auf engstem Raum zu beherrschen. Über einen Kumpel, der mit 26 Jahren in Syrien stirbt, kickt er auch mit den Boateng-Brüdern in deren Berliner Käfig.

Keitas erster Verein heißt Borussia Wuppertal, danach geht es zum WSV, der Nummer eins im Tal. Er brennt vor Ehrgeiz. Weniger in der Schule, Fußball ist das, was sein Leben bestimmt. Mit Gewichten an den Füßen geht es die Flensburger Treppe hoch. Gegen Borussia Mönchengladbach gelingen ihm zwei Tore, die ihm das Tor zur großen Fußballwelt öffnen. Doch er nutzt die Chance beim renommierten Club nicht, ist zu schnell zufrieden, genießt das erste Geld als Nachwuchsprofi. Der jetzige Borussia-Manager Max Eberl macht "Defizite in der Lebensführung" aus.

Dummheit führt zur Kriminalität

Dann begeht Keita die erste große Dummheit in seinem Leben: Er kickt im Schulteam des Berufskollegs Kohlstraße mit, fliegt vom Platz und wird gesperrt. Gladbach schmeißt ihn raus, er landet über den Umweg Bonner SC wieder beim WSV, wo er sich in der Sackgasse befindet. Die Karriere stagniert, der 21-Jährige hat kaum Einsätze in der Regionalliga-Mannschaft des WSV. "Es ging nichts voran und ich fragte mich, was ich tun konnte, um die Situation zu verbessern. Im Nachhinein würde ich sagen: Ich war wohl ein wenig haltlos, ein wenig labil in diesem Sommer 2011", heißt es in dem Buch.

Er hängt in einem italienischen Restaurant am Laurentiusplatz ab und wird empfänglich für die berühmten falschen Freunde. Mario macht ihn mürbe, überredet ihm zum ersten Überfall. "Ich war jung und brauchte nicht mal das Geld. Wie blöd konnte man sein?"

Erste Überfälle beginnen

Reichlich, möchte man sagen. Die detaillierten Schilderungen der vier Überfälle lesen sich in dem Buch wie ein Heimatkrimi. Freunde und Bekannte wähnen sich an dieser Stelle wohl wie in einem schlechten Film, erkennen einen vertrauten Menschen nicht wieder. Erst ist es die Praktikantin einer Boutique in den Elberfelder City-Arkaden, der er die Geldtasche mit 15.000 Euro entreißt. Im Vollsprint geht es, in Nähe der Polizeiwache Hofkamp, bergan in den Else-Lasker-Schüler-Park, wo der Komplize wartet.

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Die Beute wird geteilt, Keita bleiben 3.700 Euro. Der nächste Coup ist ein Überfall auf einen Postshop an der Düsseldorfer Straße. Dem Bediensteten am frühen Morgen aufgelauert, 30.000 Euro abgeräumt. Keitas Anteil diesmal: 7.800 Euro. "Ich fühlte mich wie ferngesteuert. Ein Zombie war ich, leer und ratlos. Wo sollte das hinführen?", schreibt er über die Zeit.

SEK überwältigt Keita-Ruel

Zunächst zu einem Probetraining des damaligen Zweitligisten FSV Frankfurt, das ihm der Wuppertaler Trainer Peter Drenks vermittelt. Der Wechsel scheitert, zurück in Wuppertal warten schon die alten Freunde. Nächster Tatort: ein Postkiosk in Oberbarmen. Der diesmal bewaffnete Überfall misslingt, auch bei den nicht minder naiven Komplizen liegen die Nerven blank, ruft doch einer: "Hände hoch, das ist ein Betrug!"

Der Überfall auf einen Baumarkt auf Lichtscheid glückt dann wieder. Nachdem sich der zuvor eingeweihte Mitarbeiter des Unternehmens plangemäß mit rosa verzierten Handschellen aus einem Wuppertaler Sexshop fesseln lässt, eine Angestellte aber den Alarm auslöst, gelingt so eben noch die Flucht auf Fahrrädern vor der schnell eintreffenden Polizei.

Hohe Haftstrafe

Aber am 8. Oktober 2011 ist der Spuk vorbei. Ein Sondereinsatzkommando der Polizei nimmt Keita und Komplizen an der Friedrich-Ebert-Straße in Nähe einer Metzgerei fest, dessen Fahrer sie die Geldtasche rauben wollen. Ein Polizist warnt den Kicker: "Versuch besser gar nicht erst wegzulaufen, wir wissen, wer du bist – dann müssen wir dir in die Beine schießen, das war’s dann mit dem Fußball."

Manche Details während der U-Haft und im Gerichtsprozess überraschen. So gibt Keita den ehemaligen WSV-Präsidenten Friedhelm Runge als möglichen Kautionsgeber an, dazu kommt es aber nicht, liegt die Summe doch bei einer satten Million Euro. Um vor Gericht Tränen der Reue vorzutäuschen, streut sich der Trickser Cheyennepfeffer in die Augen. Nützt alles nichts. Denn weil er einen Mitangeklagten schützt, lautet das Urteil fünfeinhalb Jahre Haft. Der Richter attestiert ihm schauspielerisches Talent.

Knast macht ihn "besessen"

Im Knast schwört sich Keita: "Das war‘s noch nicht." Er nutzt die sportlichen Einrichtungen und trainiert wie besessen. "Ich brannte wie eine Fackel – der einzige Weg zurück." Er muss Rückschläge wegstecken, als der Vater während seiner Haft stirbt und eine Psychologin ihm bescheinigt, in einer Traumwelt zu leben, weil er den Wunsch vom Fußballprofi nicht aufgeben will. Der Häftling lehnt ein Angebot zur Ausbildung als Landschaftsgärtner im offenen Vollzug ab.

Den gibt es schließlich für eine Lehre ab 1. Juni 2015 in der Runge-Firma. Ein bürgerlicher Job passt jedoch weiter nicht in die Lebensplanung. Arbeit bedeutet für Keita Fußballtraining. Die Chance dazu gibt ihm der Wuppertaler Trainer Peter Radojewski (aktuell Coach beim Cronenberger SC) zweimal beim Oberligisten Germania Ratingen. "Keita hat einen eigenen Stil, der nur schwer in ein Schema zu pressen ist. Er ist ein liebenswürdiger Mensch. Bei seinen Taten hat er kurzzeitig sein Gehirn ausgeschaltet. Ich mag ihn als Menschen, sein Wille ist hervorragend", sagt Radojewski im Buch.

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Bundesliga als großer Traum

Ohne ihn hätte Keita wohl nicht den Weg zurück zum Fußball geschafft. Die weiteren Vereinsstationen lauten Wattenscheid 09, Fortuna Köln und nun eben Greuther Fürth. Von Saison zu Saison klettert der Wuppertaler dabei Liga um Liga höher.

Ob er die Bundesliga tatsächlich noch packt, ist offen, aber auch unerheblich. Es scheint, als habe Keita den Sprung zurück ins Leben geschafft, er ist ein Sieger im Kampf gegen seine wenig ruhmreiche Vergangenheit. Sein starker Wille ist ein gewichtiges Pfund dafür. Leise Restzweifel sind jedoch angebracht, denn klar ist durch das Buch auch geworden, dass es sich um einen sensiblen, mitunter leichtgläubigen Menschen handelt, der stets starke Persönlichkeiten an seiner Seite haben muss, die ihn stützen und weiter vor den falschen Leuten schützen müssen.

Verwendete Quellen
  • Buch "Zweite Chance" (Verlag Kiepenheuer & Witsch, 232 Seiten, 16 Euro).
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