Mordprozess Kritik an Ermittlern nach Vierfachmord von Solingen

Eine bulgarische Familie ist vor einem Jahr durch Brandstiftung in Solingen gestorben. Bei den Ermittlungen stießen die Beamten auf Bücher von Adolf Hitler. Doch erwähnt wurden sie in den Akten nicht.
Im Prozess um den Tod einer vierköpfigen bulgarischen Familie in Solingen macht die Nebenklage der Polizei Vorwürfe, dass Fundstücke mit Bezug zum Nationalsozialismus aus dem Haus des Brandstifters nicht in die Ermittlungsakte aufgenommen wurden.
Ein Ermittlungsbeamter berichtete beim 14. Prozesstag, dass im Haus des 40-jährigen Angeklagten unter anderem eine Ausgabe von Adolf Hitlers "Mein Kampf" gefunden wurde. Außerdem seien zahlreiche Bücher etwa über die Wehrmacht, über Hitlers Reden sowie Schriften von Hermann Göring gefunden worden.
Bücher nicht in Akten erwähnt
In den Ermittlungsakten wurden diese Bücher bislang allerdings mit keinem Wort erwähnt. Sie seien bei einer ersten Prüfung als nicht strafrechtlich relevant eingeschätzt worden, sagte der Ermittler. Außerdem sei nicht klar gewesen, ob die Bücher dem mutmaßlichen Vierfachmörder gehörten oder seinem Vater.
Auch ein volksverhetzendes Gedicht, das an einer Wand in der Garage hing, dokumentierten die Ermittler nicht. Der Wuppertaler Polizeipräsident hatte nach der Tat sogar ausdrücklich gesagt, es gebe keine Anhaltspunkte für eine rechtsradikale Tat.
Anwältin: wurde bewusst entschieden
Anwältin Seda Başay-Yildiz, die einige Nebenkläger vertritt, reagierte nach der Verhandlung schockiert. "Niemand kann mir erzählen, dass die Brisanz dieses Materials nicht erkannt wurde. Irgendjemand hat bewusst entschieden, dass dieses politische Material nicht in der Akte landet", sagte sie.
In dem Prozess waren zuletzt schon weitere Indizien dafür zutage getreten, dass die Tat womöglich einen politischen Hintergrund haben könnte. So gab es etwa einen rassistischen Chat und 166 rechtsextreme Dateien auf einer Festplatte – aber auch dabei ist nicht ganz klar, ob die Festplatte wirklich dem Angeklagten gehörte.
Kein Anfangsverdacht auf Strafvereitelung im Amt
Başay-Yildiz hatte bereits eine Anzeige gegen den Wuppertaler Polizeipräsidenten und mehrere Polizisten wegen Strafvereitelung im Amt oder Urkundenunterdrückung erstattet - die Staatsanwaltschaft sah aber keinen Anfangsverdacht und ermittelte nicht weiter. Ob sie gegen diese Entscheidung noch einmal vorgehen werde, ließ die Anwältin am Dienstag offen.
Bei der Polizei werde im Moment noch einmal umfangreich nachermittelt, sagte der Vorsitzende Richter Jochen Kötter. Es gehe darum, riesige Datenmengen zu überprüfen. Bis zum nächsten Verhandlungstag im Mai soll klar sein, ob dabei noch weitere relevante Hinweise auf das Motiv des Angeklagten zutage gekommen sind.
Ein Geständnis - aber noch kein Motiv
Der 40-Jährige hat bereits gestanden, im März 2024 das tödliche Feuer in dem Mehrfamilienhaus gelegt zu haben. Dabei starb die aus Bulgarien stammende junge Familie, die im Dachgeschoss lebte. Die Flammen breiteten sich so schnell aus, dass die 28 und 29 Jahre alten Eltern und ihre beiden Töchter im Alter von drei Jahren sowie wenigen Monaten keine Chance hatten.
Polizei und Staatsanwaltschaft waren beim Abschluss der Ermittlungen davon ausgegangen, dass der Mann das Feuer aus Rache wegen eines Streits mit seiner früheren Vermieterin gelegt haben könnte. Er wohnte früher selbst im Hinterhaus, bis ihm wegen Mietrückständen gekündigt wurde.
Die Schwurgerichtskammer nimmt sich jetzt noch einmal mehr Zeit für die Beweisaufnahme. Nach der ursprünglichen Planung hätte ein Urteil schon im März fallen sollen, jetzt sind Termine bis in den Juni hinein geplant.
- Nachrichtenagentur dpa