Ex-Freund der Mutter angeklagt Beeinträchtigtes Kleinkind totgeschüttelt? Gericht entscheidet
In Sindelfingen soll ein Erwachsener einen beeinträchtigten Fünfjährigen zu Tode geschüttelt haben. Am Landgericht Stuttgart wird nun ein Urteil erwartet.
Nach dem gewaltsamen Tod eines Fünfjährigen muss das Landgericht in Stuttgart entscheiden, ob der Ex-Freund der Mutter das behinderte Kind zu Tode geschüttelt haben könnte. Mit einem Urteil wird am heutigen Montagvormittag ab 11 Uhr gerechnet.
Der wegen Totschlags angeklagte Mann soll den Jungen laut Staatsanwaltschaft im Sommer 2020 in Sindelfingen durch heftiges Schütteln umgebracht haben, während er eigentlich auf ihn und den kleinen Bruder aufpassen sollte. Vier Tage nach jenem Nachmittag im Juli 2020 war das Kind an den Folgen eines Hirnschadens gestorben.
Schütteltod in Sindelfingen: Angeklagte bestreitet Kaltherzigkeit
"Das Kind konnte kaum sehen, nicht sprechen und sich nur stark eingeschränkt auf dem Rücken robbend fortbewegen", erläuterte der Staatsanwalt in der Verhandlung. Über den Angeklagten sagte er: "Bedenken oder Mitleid mit dem Kind hatte er nicht." Auch habe der Mann die Gefahr gekannt, denn bereits vor vier Jahren habe es einen ähnlichen Vorfall gegeben. Ermittlungen waren danach aber eingestellt worden, weil niemandem eine Tat zugeordnet werden konnte.
Der Angeklagte hat die neuen Vorwürfe allerdings bestritten. Der Junge sei ihm sehr ans Herz gewachsen und wie ein eigener Sohn für ihn gewesen, hatte er ausgesagt.
Deutschland: Schütteltode keine Seltenheit
Ein Schütteltod wie bei dem Jungen aus Sindelfingen ist in Deutschland alles andere als ein Einzelfall. Immer wieder müssen sich Strafkammern mit den oft tödlichen Folgen starken Schüttelns auseinandersetzen – sehr oft müssen die Verantwortlichen für viele Jahre ins Gefängnis. Nicht selten verlieren Eltern die Nerven und schütteln ihr Baby oder Kleinkind heftig, wenn es zum Beispiel anhaltend schreit.
Schon seit einigen Jahren versucht ein Bündnis gegen Schütteltrauma über die Gefahren aufzuklären. Nach den Schätzungen werden deutschlandweit jährlich zwischen 100 und 200 Säuglinge und Kleinkinder mit Schütteltraumata in Kliniken gebracht. Jedes vierte derart misshandelte Kind stirbt in der Folge, die meisten Überlebenden erleiden dauerhafte Schäden. Aber die Dunkelziffer ist hoch, da leichtere Fälle schwer zu erkennen sind, wie das Nationale Zentrums Frühe Hilfen in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mitteilt.
Nach einer bereits zwischen 2006 und 2009 erstellten Studie (ESPED oder "Erhebungseinheit für Seltene Pädiatrische Erkrankungen in Deutschland") sind Väter für bis zu 60 Prozent der Fälle verantwortlich, Lebensgefährten der Mutter tragen in neun Prozent der Fälle die Schuld. Besonders betroffen sind Kinder zwischen sechs und acht Wochen, es können aber auch ältere Jungen und Mädchen durch Schütteln zu Tode kommen.
- Nachrichtenagentur dpa