Rekordverdächtige Anzahl Fast 20 Bewerber wollen OB von Stuttgart werden
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.In der Corona-Krise steht in Stuttgart eine wichtige Wahl an. Wer wird die Geschicke der Stadt für die nächsten vier Jahre lenken? 18 Personen stellen sich zur Oberbürgermeisterwahl.
Vor acht Jahren war alles übersichtlich. Vier Kandidaten wollten 2012 Oberbürgermeister (OB) von Stuttgart werden. Der Grünen-Politiker Fritz Kuhn ist es bekanntlich geworden. Am 8. November ist es wieder soweit: Die Stuttgarterinnen und Stuttgarter wählen eine Rathauschefin oder einen Rathauschef. Doch diesmal stehen die Namen von 18 Bewerbern auf dem Wahlzettel – von 16 Männern und zwei Frauen (Stand: 9.10., 12 Uhr). Der 65-jährige Kuhn hat sich aus Altersgründen gegen eine erneute Kandidatur entschieden.
Die Bewerbungsfrist endet am kommenden Montag. Am 20. Oktober ist eine gemeinsame Vorstellungsrunde in der Schleyer-Halle geplant. Es sind 750 Zuhörer zugelassen. Der Mund-Nasen-Schutz darf nicht abgesetzt werden.
Unübersichtliche Kandidatenliste
Für die 450.000 Wahlberechtigten der Landeshauptstadt ist es eine Herausforderung, sich einen Überblick über die kandidierenden Personen zu verschaffen. Eine zentrale Internetseite gibt es nicht – selbst nicht bei der Stadt. Lediglich die Landeszentrale für politische Bildung pflegt eine offizielle Online-Liste. Sich 18 Gesichter zu merken, ist schon schwer. Zwischen 18 Wahlprogrammen abzuwägen, ist nur mit entsprechendem Ehrgeiz zu leisten. Nicht ein Kandidat ist über die Region hinaus bekannt. Offensichtlich wollte kein Landes- oder Bundespolitiker seine Karriere in der sechstgrößten Stadt Deutschlands aufs Spiel setzen.
Bundesweit in den Medien ist allein Kandidat Michael Ballweg, den man als Initiator von Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen in ganz Deutschland kennt. Seinem Ruf verpflichtet, hat er am Freitag angekündigt, gegen die Stadt zu klagen, weil sie eine Maskenpflicht in den Wahlräumen angeordnet hat.
Kandidatensuche führte zu Spannungen in der SPD
Die übrigen Kandidaten verhalten sich weitaus unauffälliger, doch mit der Konsequenz, dass sie selbst den meisten Stuttgartern unbekannt sein dürften. Das trifft wohl auch auf den Bewerber der CDU zu: Frank Nopper ist keine Parteigröße. Der 56-Jährige ist aber seit 2002 Oberbürgermeister der 36.000-Einwohner-Stadt Backnang. Sie liegt 30 Kilometer nordöstlich von Stuttgart.
Die Grünen setzen auf Veronika Kienzle als Nachfolgerin Kuhns. Die 57-Jährige ist Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Mitte. Sie hatte es nicht immer leicht, die zahlreichen Innenstadt-Probleme gegenüber dem Grün-geführten Rathaus offen zu kritisieren. Während der amtierende Rathauschef selten ein böses Wort zu "Stuttgart 21" verliert, habe sie mit dem umstrittenen Bahnprojekt keinen Frieden geschlossen, wie sie sagt.
Die SPD hat gleich zwei Kandidaten – einen offiziellen und einen inoffiziellen. Ersterer heißt Martin Körner (50) und ist der Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat. Der andere ist Marian Schreier (30), der mit seiner Partei ziemlich Ärger bekam, als er ohne SPD-Erlaubnis den Hut in den Ring geworfen hatte. Sogar ein Parteirauswurf war gefordert worden. Ein in der Stadt bekanntes Gesicht ist Hannes Rockenbauch. Der 40-Jährige war 2012 mit in der Vierer-Kandidatenrunde und ist nach den Grünen und der CDU Vorsitzender der drittstärksten Fraktion im Gemeinderat, die sich links von den Grünen sieht.
Corona-bedingt sind zum individuellen Kennenlernen Veranstaltungen in Räumen schwierig. So erlebt das klassische Wahlkampfplakat eine Wiederbelebung. Die größte Wahlkampfplattform setzt sich inzwischen aus den sozialen Medien zusammen, auf der besonders die jüngeren Kandidaten aktiv sind, aber auch ältere zeigen mit Unterstützung von technisch versierten Helfern digital Flagge.
- Eigene Recherche
- Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg: Kandidatenliste
- Informationsportal der Stadt Stuttgart zur OB-Wahl 2020
- Stadt Stuttgart: Pressemitteilung vom 7. Oktober