Verfassungsschutz Der Kampf um Wörter - Ist die Südwest-AfD extremistisch?

Seit 2022 beobachtet der Inlandsgeheimdienst die Südwest-AfD. Dagegen setzt sich die Partei zur Wehr. Wenn sie verliert, wäre es nicht die erste Schlappe für die Partei in der Sache.
Die AfD liegt gehörig im Clinch mit dem Verfassungsschutz, auf Bundesebene und in mehreren Ländern. Auch in Baden-Württemberg verklagen die Rechtspopulisten derzeit den Inlandsgeheimdienst, weil der ihnen auf die Finger schaut. Nun muss das Verwaltungsgericht Stuttgart eine Entscheidung fällen.
Was passt der AfD nicht?
Seit 2022 stuft das Landesamt für Verfassungsschutz den AfD-Landesverband als Verdachtsfall ein. Das heißt, dass die Geheimdienstler in der Partei Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen sehen. Deshalb nehmen sie die Mitglieder genauer unter die Lupe.
Wie tun die Verfassungsschützer das genau?
Der Verfassungsschutz gewinnt ganz viele Erkenntnisse aus offenen Quellen: Die Geheimdienstler lesen Zeitungen, hören sich Reden von Politikern an, durchflöhen soziale Medien. Wird eine Partei oder eine andere Gruppierung zum Verdachtsfall erklärt, erhält der Verfassungsschutz aber mehr Instrumente der Beobachtung. Unter strengen Voraussetzungen dürfen sie dann härtere Geschütze auffahren, Mitglieder observieren, Telefone überwachen, Informanten anwerben.
Warum hält der Verfassungsschutz diese Art der Beobachtung der AfD für angemessen?
Die Geheimdienstler argumentieren etwa mit Äußerungen von AfD-Mitgliedern aus der zweiten oder dritten Reihe im Netz, die aus ihrer Sicht Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen darstellen. So zitiert Stefan Häfner, der stellvertretende Leiter des Leitungsstabs des Landesamts, vor Gericht einen Landtagsabgeordneten, der auf Facebook behauptet habe, die "weiße Rasse" solle ganz verschwinden als Folge der Migration. Eine AfD-Politikerin habe zudem eine "arabisch-muslimische Landnahme" kritisiert.
Wie steht die AfD zu solchen Äußerungen?
Die Partei sieht sich allgemein zu Unrecht beobachtet. Die Äußerungen der Mitglieder seien gedeckt durch die Meinungsfreiheit, findet der Co-Vorsitzende des Landesverbands, Emil Sänze. Der Inlandsgeheimdienst wird aus Sicht der Südwest-AfD zur Diskreditierung politischer Konkurrenten instrumentalisiert.
Für den Anwalt der AfD, Christian Conrad, gibt es eben Äußerungen, die in einem Graubereich liegen, aber nicht verfassungsfeindlich sind. All die, die Posts auf Facebook veröffentlichten, würden sich eher keine Gedanken machen über ethnische und soziologische Konzepte, betont Conrad. Das seien Reaktionen von einfachen Leuten, die das wahrscheinlich gar nicht durchdringen würden. Äußerungen seien zudem aus dem Kontext gerissen.
Wie geht die Partei juristisch vor?
Sie klagt in mehreren Instanzen gegen die Beobachtung, erlitt bereits Schlappen vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht und dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim in einem Eilverfahren. Weil Mitglieder der AfD für "einen ethnischen Volksbegriff" einträten, gebe es tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen, so der VGH. Zudem sah das Gericht Anhaltspunkte für eine Diskriminierung deutscher Staatsangehöriger mit Migrationshintergrund sowie für die Herabwürdigung von Muslimen.
Die AfD will trotzdem nicht aufgeben. Nun geht es in Stuttgart um das Hauptsacheverfahren. "Der Verfassungsschutz hat anderes zu tun, als ständig unsere Facebook-Seiten und Social-Media-Kanäle zu überprüfen", kritisiert Sänze. Die Klage richtet sich nicht nur gegen die Beobachtung, sondern auch gegen deren öffentliche Bekanntgabe durch das Verfassungsschutzamt.
Was stört die Partei an der Veröffentlichung?
Sie sieht die Chancengleichheit im politischen Wettbewerb verletzt. Man werde seit Jahren stigmatisiert, in jedem Presseartikel stehe, dass die Partei beobachtet werde, so Sänze. Auch der Präsident des Verwaltungsgerichts, Jan Bergmann, räumt ein: "Das ist natürlich ein Negativstempel, den sie tragen."
Der Verfassungsschutz möchte die Opferrolle der AfD nicht anerkennen. "Hier wird Überwachungsstaats-Dystopie gemalt, die ausgeschlossen ist", sagte Häfner. Aus Sicht des Verfassungsschutzes hätte sich die Parteiführung auch distanzieren können von diversen Äußerungen.
Worum geht es noch in der Verhandlung?
Die AfD beschwert sich auch, dass viele Akten in dem Verfahren vom Verfassungsschutz geschwärzt worden seien, so könne das Gericht sich kein Gesamtbild machen. Auch sei das Kräfteverhältnis zwischen Verfassungsschutz und Landesverband ungleich - die Partei könne sich nicht zu irgendwelchen Facebook-Einträgen von 2016 äußern, so Conrad. Inwieweit gegen die AfD digitale Agenten und Provokateure im Netz eingesetzt werden, wollte der Verfassungsschutz nicht preisgeben vor Gericht.
Nun muss das Stuttgarter Gericht binnen zwei Wochen im Hauptsacheverfahren entscheiden.
- Nachrichtenagentur dpa