Konjunktur Südwest-Chemie schwächelt - Pharmaindustrie besser
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Das Klagen der Branche ist nicht neu, aber wird lauter: Bis zu 15 Prozent der Arbeitszeit wenden Unternehmen für Berichte auf, die sie schreiben müssen. Die Verbände fordern nicht nur hier Änderungen.
Hohe Energiepreise und Bürokratie belasten, Investitionen bleiben aus: Die Chemie- und Pharmaindustrie in Baden-Württemberg erwartet im laufenden Jahr keine Besserung der konjunkturellen Lage. Zwei Drittel der Unternehmen gehen nach einer Umfrage der Landesverbände in Baden-Baden von gleichbleibenden oder sogar sinkenden Umsätzen aus. Knapp die Hälfte erwarte fallende Gewinne oder Verluste.
"Wir stecken in einer Krise", sagte der Landesvorsitzende des Verbands der Chemischen Industrie, Martin Haag, in Stuttgart. Die neue Bundesregierung müsse zügig einen industriepolitischen Neustart einleiten. Die Dauer für die Genehmigung etwa für Wasserstoff-Infrastruktur habe sich extrem erhöht.
Zusätzlich verunsichere die jüngste Androhung von US-Präsident Donald Trump, Zölle auf Pharma-Produkte zu erheben. Hiesige Unternehmen machten sieben Milliarden Euro Umsatz in den USA, sagte Haag. Der amerikanische Markt sei für die Pharmaindustrie im Südwesten ein "sehr, sehr bedeutender".
Besonders schlecht läuft es im Bereich Lacke und Farben
Nach Zahlen des Statistischen Landesamts, das Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten erfasst, sank der Umsatz der Branche 2024 im Vergleich zum Vorjahr leicht um 0,6 Prozent auf 26,1 Milliarden Euro.
Während das Minus in der chemischen Industrie demnach 2,5 Prozent auf 18,1 Milliarden Euro betrug, wuchs die Pharmaindustrie um 4,0 Prozent auf 8 Milliarden Euro. Hier sind den Angaben nach Folgen von Investitionen in den Jahren 2018 und 2019 - also vor Corona-Pandemie und Energiekrise - zu sehen.
Dass diese Daten aber nur einen Teil der Branche widerspiegeln, macht der Gesamtumsatz - also auch inklusive kleinerer Unternehmen - deutlich. Dieser belief sich im vergangenen Jahr auf 45,6 Milliarden Euro und damit weniger als 2023 (46,9 Milliarden), wie die Verbände mit Sitz in Baden-Baden mitteilten.
Sie vertreten nach eigenen Angaben momentan 506 Unternehmen der Chemie- und Pharmabranche in Baden-Württemberg mit 113.500 Beschäftigten. Vor allem dank Einstellungen in der im Südwesten stark vertretenen Pharma-Sparte sei diese Zahl in Summe um rund 500 zum Stichtag Silvester gewachsen.
Änderungen bei Energie- und Arbeitspolitik gefordert
Die Branchenvertreter bekräftigten ihre Forderung nach sinkenden Energiekosten. Nicht nur im Vergleich mit China und den USA seien die Preise zu hoch, sagte Haag. Auch in den Niederlanden, Belgien oder Frankreich sei Energie günstiger als in Deutschland. Bei CO2-Zertifikaten brauche es ebenfalls Änderungen. Haag betonte, dass die Branche die Treibhausgasemissionen seit 1990 um mehr als 60 Prozent gesenkt habe.
Die Betriebe stoßen sich zudem am Aufwand für Dokumentations- und Berichtspflichten, für die bis zu 15 Prozent der Arbeitszeit draufgingen. Patrick Krauth vom Arbeitgeberverband Chemie Baden-Württemberg rechnete vor, dass es ein mittelständisches Unternehmen mit 300 Beschäftigten mehr als vier Millionen Euro an bezahlter Arbeitszeit im Jahr koste, Berichte ausfüllen zu lassen und Papier zu produzieren. "Das kann so nicht weitergehen."
Ferner forderte der Verbandsvorsitzende Krauth ein moderneres Arbeitszeitgesetz und mehr Flexibilität. Es reiche, den Unternehmen einen Rahmen vorzugeben. Auch die Regelaltersgrenze dürfe kein Tabuthema in der Sozialpolitik sein, sagte er. "Wenn sich die Lebenserwartung erhöht, muss auch die Regelaltersgrenze weiter steigen können."
- Nachrichtenagentur dpa