Prozesse Millionenbeute - aber Geldkuriere täuschten Überfall nur vor
![Geldtransporter-Räuber vor Gericht Geldtransporter-Räuber vor Gericht](https://images.t-online.de/2025/02/Of8SzaDrguu7/0x192:2048x1152/fit-in/1920x0/fruehere-mitarbeiter-eines-sicherheitsunternehmens-sind-verurteilt-worden-den-eigenen-geldtransporter-ausgeraubt-zu-haben.jpg)
Ein Geldtransporter wird überfallen, Mitarbeiter bedroht, die Räuber verschwinden mit der Beute. Wirklich? Das Gericht nimmt den Angeklagten ihre Story nicht ab. Es hat eine ganz andere Version.
Es klingt wie aus einem Drehbuch der TV-Krimiserie "Soko Stuttgart": Vor einem Jahr bremst ein Geldtransporter auf einem Feldweg in Ludwigsburg ab, weil ein anderes Auto den Weg versperrt. Der Beifahrer des Werttransporters will dem älteren Fahrer wegen der Panne helfen - und tappt in die Falle. Denn der vermeintliche Senior zückt eine Pistole, Komplizen kommen hinzu, eine Panzerfaust ist mit im Spiel und wenig später verschwindet die Bande mit knapp 3,8 Millionen Euro Beute. Bis heute fehlt von dem Geld jede Spur.
Allein: War das wirklich so? Nein, alles gelogen, entschied nun ein Gericht in Stuttgart. Die angeblichen Opfer seien die wahren Täter, ein unbekannter Dritter habe ihnen bei dem vermeintlichen Coup geholfen. Wegen Diebstahls mit Waffen und Vortäuschens einer Straftat verurteilte die Kammer des Landgerichts die 43 und 25 Jahre alten Angeklagten zu je sieben Jahren Haft.
Sie folgte damit der Forderung der Staatsanwaltschaft, die sich bereits sicher gewesen war, dass an den Aussagen etwas faul war, und deshalb acht Jahre Haft gefordert hatte. Der Anklagevertreter hatte von einem angeblichen Überfall nach Hollywood-Manier gesprochen.
Gericht zum Ablauf der Tat
Detailliert ging das Gericht auf Sicherheitstechniken, Streckenpläne und den Ablauf am Tag der Tat ein. Demnach verließen die beiden Männer Anfang Januar vergangenen Jahres das Gelände des letzten von 30 Kunden, fast alles Banken und Kliniken. An Bord des Transporters: 81 prall gefüllte sogenannte Safebags mit Notengeld in blauen Transportboxen verstaut.
Mit ihrer kostbaren Ladung bogen sie am frühen Abend auf einen ihnen bekannten Feldweg ab und hielten an einer Kreuzung, an der nach Überzeugung des Gerichts bereits der unbekannte Komplize wartete. Innerhalb von nur knapp zweieinhalb Minuten wurde das Geld umgeladen, wahrscheinlich in einen zweiten Transporter. Dann warteten die Männer kurz, bevor sie den Notruf absetzten - "dem gemeinsamen Tatplan entsprechend", wie der Richter sagte.
Vor Gericht beteuerten die beiden angeklagten einstigen Mitarbeiter der privaten Sicherheitsfirma stets ihre Unschuld, das Urteil nahmen sie aber ohne sichtbare Regung zur Kenntnis.
Auch die Verteidiger der Männer hatten die Schuld ihrer Mandanten im Prozess nicht als erwiesen angesehen und gefordert, die beiden Männer freizusprechen.
Die Kammer hingegen sprach von "Schutzbehauptungen" der Männer, von einer "Kette von Indizien" und sich widersprechenden Aussagen. "Es leuchtet schlicht und einfach nicht ein", sagte der Richter unter anderem zur Frage, warum einer der angeklagten Männer keinen "stillen Alarm" ausgelöst habe. Außerdem widerspreche ein Radfahrer, der den Tatort passiert habe, deutlich den Schilderungen der Männer.
Wenige ähnliche Fälle
Sogenannte Innentäterschaften in Form von vorgetäuschten Überfällen kommen laut Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW) wiederholt vor. Es geht aber um vergleichsweise wenige Fälle. Laut Statistik des Bundeskriminalamts wurden im Jahr 2023 bundesweit vier gesicherte Spezialtransporte überfallen, alle Versuche blieben demnach erfolglos.
In Baden-Württemberg wurde laut Landeskriminalamt in den Jahren 2022 und 2023 kein einziger Fall registriert. "Die Fallzahlen im Bereich dieses Kriminalitätsphänomens bewegen sich seit Jahren konstant auf einem sehr niedrigen Niveau", teilte das LKA mit.
Das habe vor allem mit den strengen Vorschriften für die Mitarbeiter und mit den schärferen Sicherheitsrichtlinien zu tun, sagte BDGW-Sprecherin Silke Zöller. Die Fahrzeuge seien gepanzert und sicher. "Steigen die Mitarbeiter nicht aus, ist die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Überfalls extrem niedrig", sagte sie. Selbst bei einer Panne des Transporters sei es Vorschrift, sitzenzubleiben und die Polizei zu rufen.
- Nachrichtenagentur dpa