Bildung Zahlen des Ministeriums: Immer mehr Lehrkräfte kündigen
"Vormittags Recht, nachmittags frei" lautet ein Vorurteil über Lehrkräfte, die in Wahrheit oft einen stressigen Job haben. Den haben in den vergangenen Jahren immer mehr gekündigt.
Die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer, die ihren Job kündigen, ist in den vergangenen Jahren in Baden-Württemberg deutlich angestiegen. Das geht aus einer Antwort des Kultusministeriums auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Landtag hervor.
Demnach kündigten im vergangenen Jahr 470 Lehrerinnen und Lehrer ihren Arbeitsvertrag oder baten um die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis - rund 20 Prozent mehr als noch 2022. Damals kündigten dem Kultusministerium zufolge 391 Lehrkräfte. In diesem Jahr reichten demnach bis Anfang Oktober 434 Lehrerinnen und Lehrer eine Kündigung ein.
In 10 Jahren hat sich die Zahl der Kündigungen fast vervierfacht
Im Vergleich zu vor zehn Jahren hat sich die Zahl der Kündigungen sogar fast vervierfacht: 2013 baten der Auswertung zufolge 123 Lehrkräfte um ein Ende ihres Vertrags. Insgesamt unterrichteten an den Schulen in Baden-Württemberg im Schuljahr 2023/2024 laut dem Kultusministerium rund 120.000 Lehrerinnen und Lehrer.
Einen Grund für die Kündigung müssen Lehrkräfte dem Ministerium zufolge nicht angeben. Eine systematische Erhebung der Ursachen gebe es deswegen nicht. "Die Gründe können vielfältig sein", schreibt das Ministerium in seiner Antwort auf die FDP-Anfrage. So käme neben einer beruflichen Umorientierung auch ein Umzug infrage, etwa wenn die Tätigkeit des Partners oder der Partnerin nicht in Baden-Württemberg liege.
Der Landesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Brand, sagte, die Zunahme an Kündigungen sei erschreckend. "In einer Situation, in der es an Lehrkräften mangelt, können wir es uns nicht leisten, schon zu diesem Zeitpunkt auf über 400 Lehrerinnen und Lehrer zu verzichten. So gesehen ist bereits in diesem Jahr an jeder zehnten Schule in Baden-Württemberg eine Kündigung eingegangen." Lehrkräfte hätten ihren Beruf ergriffen, um Kinder zu unterrichten. Dies werde unter anderem durch Verwaltungsarbeiten überlagert.
FDP sieht Überlastung als Grund für steigende Kündigungen
Der FDP-Bildungsexperte Timm Kern, der die Zahlen beim Kultusministerium abgefragt hatte, sprach von einem "Alarmsignal". Die Gründe für den Anstieg der Kündigungen lägen auf der Hand, so Kern: immer mehr Bürokratie, neue Bildungsprojekte, immer weniger Wertschätzung und immer weniger Lehrer auf immer mehr Schüler.
"Dabei höre ich häufig von Fällen, in welchen Lehrkräfte ihren so wertvollen Dienst trotz aller Umstände mit ganzem Herzen weiter leisten. Und das eben zu oft so lange, bis es nicht mehr geht – bis die Mehrbelastungen zu viele Lehrkräfte an den Rand des psychisch Leistbaren bringen", sagte Kern. Immer häufiger erkrankten Lehrkräfte psychisch und sähen dann keinen anderen Ausweg als ihre Entlassung zu beantragen.
FDP fordert ein Präventionskonzept
Aus Sicht von Kern nimmt das Kultusministerium die Probleme nicht ernst genug. "Trotz der Kenntnis des Kultusministeriums über die steigenden Entlassungszahlen sieht dieses keinen Handlungsbedarf", sagte der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion. Dabei könne Ministerin Theresa Schopper (Grüne) durchaus handeln und unter anderem ein Konzept zur Prävention von und zum Umgang bei psychischen Erkrankungen von Lehrkräften vorlegen, forderte Kern. Vor einer Kündigung gebe es immer auch Bemühungen, die Lehrkräfte zu halten, betonte das Ministerium. So versuchten etwa Schulleitungen oder Personalvertretungen vor Ort Lösungen zu finden, um den Lehrkräften zu ermöglichen, weiterhin im Dienst zu bleiben.
Der bildungspolitische AfD-Fraktionssprecher Rainer Balzer sieht die Hauptgründe für die steigende Zahl der Kündigungen von Lehrkräften im Umbau des Bildungssystems sowie in Klassen, die immer heterogener würden. Die FDP-Forderung nach Präventivmaßnahmen wies der AfD-Mann zurück. "Wir brauchen endlich wieder homogenere Klassen, und zwar in unserem bewehrten Schulsystem. Dann laufen die Lehrer auch nicht mehr länger davon."
- Nachrichtenagentur dpa