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Grünen-Zoff: Gleichbehandlungsgesetz auf der Kippe


"Bürokratiemonster"
Grünen-Zoff: Gleichbehandlungsgesetz auf der Kippe

Von dpa
Aktualisiert am 01.10.2024Lesedauer: 3 Min.
Florian Stegmann - Staatsminister in Baden-WürttembergVergrößern des Bildes
Er schrieb den Brief, der nun für ordentlich Unmut bei den Grünen sorgte: Staatssekretär Florian Stegmann. (Quelle: Bernd Weißbrod/dpa/dpa-bilder)
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Es ist ein großes Projekt aus dem Koalitionsvertrag, das vor allem linken Grünen am Herzen liegt: das Gleichbehandlungsgesetz. Nun tobt ein heftiger Streit zwischen Staatsministerium und Fraktion.

Es sollte eigentlich vor Diskriminierung durch Behörden schützen, doch viele Kritiker fürchten ein Bürokratiemonster: Das geplante Gleichbehandlungsgesetz, eines der letzten zentralen Projekte der grün-schwarzen Landesregierung, steht auf der Kippe. Der Amtschef des Staatsministeriums, Florian Stegmann (Grüne), will das Projekt nach Informationen des SWR fallen lassen.

In einem Schreiben, das auch der dpa vorliegt, teilt Stegmann dem Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz mit: "Sowohl aus grundsätzlichen Erwägungen als auch aufgrund der konkreten Ausgestaltung kann und werde ich den aktuell vorliegenden Entwurf für ein Gleichbehandlungsgesetz nicht in die weitere Regierungsabstimmung bringen." Grund sei die mit dem Gesetz verbundene Bürokratie. Er fordere die Fraktionen auf, auf die "Umsetzung des Koalitionsvertrags in diesem Punkt" zu verzichten - vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion. Die Regierung sehe sich mit einer Stimmungslage konfrontiert, die man nicht ignorieren könne und dürfe, so Stegmann, der Beauftragte des Landes für Bürokratieabbau.

Grüne entsetzt: "Friendly fire" aus den eigenen Reihen?

In der Grünen-Fraktion ist man schier entsetzt über Stegmanns Vorstoß. Dort ist von "friendly fire" (Eigenbeschuss) die Rede, und einem "beispiellosen In-den-Rücken-Fallen". Stegmann habe sich damit absolut disqualifiziert, man könne sich nicht vorstellen, wie eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit aussehen solle.

Der Widerstand gegen das Gesetzesvorhaben war in den vergangenen Wochen enorm gewachsen. Der Normenkontrollrat hatte bereits im Mai enorme Bedenken geäußert. Er halte das Gesetz für überflüssig, weil damit neue, teure Bürokratie aufgebaut werde. Angesichts der bestehenden Gesetze und Institutionen sehe der Normenkontrollrat, der für den Abbau der Bürokratie im Land zuständig ist, "keinen Regelungsbedarf für ein Gleichbehandlungsgesetz". Auch die kommunalen Landesverbände und Wirtschaftsverbände lehnen das Vorhaben ab.

Die CDU-Fraktion begrüßt Stegmanns Vorstoß. Verwaltung, Politik und Wirtschaft müssten vertrauensvoll miteinander arbeiten, sagte Fraktionschef Manuel Hagel. "Gleichzeitig muss es doch heute mehr denn je darum gehen, Bürokratie wirksam abzubauen und nicht immer neue Bürokratie zu schaffen. Zu diesen beiden wichtigen Zielen stand aus unserer Sicht das Gleichbehandlungsgesetz schon immer in einem Widerspruch." Wenn der Koalitionspartner auf das Gleichbehandlungsgesetz verzichten möchte, sei das vollkommen richtig, so Hagel.

Antidiskriminierungsgesetz war im Koalitionsvertrag geplant

Im Koalitionsvertrag hatten Grüne und CDU ein landeseigenes Antidiskriminierungsgesetz angekündigt, damit sich Bürgerinnen und Bürger künftig leichter gegen eine Benachteiligung durch Behörden wehren können - beim Finanzamt, in der Ausländerbehörde oder auf dem Polizeirevier. Das Kabinett hatte das Gesetz im Dezember vergangenen Jahres auf den Weg gebracht. Dem Entwurf zufolge bekämen Betroffene erstmals einen gesetzlich verankerten Schadens- und Schmerzensgeldanspruch, wenn sie durch eine Behörde oder öffentliche Stelle diskriminiert werden, etwa wegen der sexuellen Identität oder einer Behinderung.

Der Grünen-Innenpolitiker Oliver Hildenbrand ist zentraler Antreiber hinter dem Gesetz. Er hatte damals davon gesprochen, eine Lücke im Antidiskriminierungsrecht zu schließen. Denn das Gesetz soll das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz des Bundes ergänzen, das Diskriminierung im privaten Bereich betrifft. "Ich kämpfe seit den Koalitionsverhandlungen für dieses Gesetz. Und ich gebe es nicht auf", sagte er zu dem Brief Stegmanns. "Es geht um ein zentrales Versprechen, das unser Grundgesetz allen Menschen in Deutschland gibt: Nämlich, dass niemand aufgrund von Herkunft, Geschlecht, Religion, Sprache oder anderen Merkmalen benachteiligt werden darf." Dafür werde er sich weiter starkmachen.

Pro und Contra wechseln sich ab

Der Brief Stegmanns rief im Land heftige Reaktionen vor. Sozialverbände protestieren, die Wirtschaft und die Kommunen hingegen begrüßten den Vorstoß. Die Kommunen sprachen von einem wichtigen Schritt in die richtige Richtung. "Ein Gesetz, das Misstrauen gegenüber dem Staat und den öffentlich Beschäftigten sät, wäre in diesen herausfordernden Zeiten das absolut falsche Signal gewesen", teilten sie mit. "Der Mut, politische Ziele - auch aus dem Koalitionsvertrag - immer auf Höhe der Zeit und auf ihre Umsetzbarkeit zu überprüfen, muss viel häufiger Richtschnur landespolitischen Handelns sein."

Der Landesverband für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung Baden-Württemberg hingegen protestierte. "Fehlende Barrierefreiheit und herabsetzende Äußerungen zählen zu den häufigsten Formen der Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen", so Geschäftsführerin Jutta Pagel-Steidl. Nur durch Diskriminierung entstehe ein Bürokratiemonster. "Das Gesetz wäre eine große Chance, das gerade bei vielen Menschen erodierende Vertrauen in den Staat wiederherzustellen", betonte Martin Gross, Landesbezirksleiter der Gewerkschaft Verdi.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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