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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Betrugsverdacht bei Kienle Nachfrage nach Echtheits-Zertifikaten von Oldtimern steigt
Ein Oldtimerhändler aus dem Südwesten steht unter Betrugsverdacht. Das verunsichert die Szene: Die Nachfrage nach Echtheits-Zertifikaten ist angestiegen.
Die Oldtimer-Szene ist in Aufruhr. Der bekannte Restaurator Kienle aus Ditzingen (Kreis Ludwigsburg) steht unter Verdacht, im Jahr 2019 einen gefälschten Mercedes 300 SL für 1,6 Millionen Euro an einen Oldtimer-Händler verkauft zu haben. Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA) ermittelt wegen gewerbsmäßigen Betrugs. Ende Mai wurden Firmenräume und Privatwohnungen durchsucht. Dabei wurden zwei Fahrzeuge und mehrere Teile beschlagnahmt.
Kienle Automobiltechnik hat Ende Oktober Insolvenz angemeldet. Und das LKA spricht mittlerweile von einem "betrügerischen Handel mit exklusiven Oldtimern". Es könnte also sogar um mehrere Autos gehen. Konkret soll die Firma Kienle aber den Mercedes 300 SL Roadster nachgebaut haben und in den Wagen die Fahrgestellnummer des Originals eingestanzt haben, so die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegenüber "Auto Bild Klassik".
Kienle-Vorwürfe: Gutachten kostet 22.000 Euro
Der Fall hat weitreichende Folgen für die Oldtimer-Branche. Viele Besitzer und Käufer von Mercedes-Klassikern fragen sich nun, ob ihr Fahrzeug echt ist oder nicht. Eine Möglichkeit ist, direkt eine Expertise von Mercedes-Benz Classic einzuholen. Das ist ein Gutachten, das die Originalität und Authentizität eines historischen Fahrzeugs der Marke Mercedes oder ihrer Vorgängerunternehmen belegt. Die Expertise ist weltweit anerkannt. Sie kostet netto 22.000 Euro.
Frank Scheibner von der Mercedes-Benz Heritage GmbH bestätigt t-online, dass es seit dem Betrugsverdacht gegen Kienle eine höhere Nachfrage nach den Gutachten gibt. "Aufgrund der gegenwärtigen Ereignisse spüren wir eine Nachfragebelebung nach der Mercedes-Benz Classic Expertise", sagt er. Das Thema Originalität und Authentizität sei von zentraler Bedeutung für die Classic-Szene. Immerhin geht es um hohe Werte.
Oldtimer: So wird ein Gutachten erstellt
Scheibner erklärt, dass für so ein Gutachten zahlreiche Merkmale des Fahrzeugs untersucht werden. Dazu gehören unter anderem die Fahrgestellnummer, die Motornummer, die Karosserieform, die Technik und die Historie. Für die Recherche und die Bewertung werden Spezialisten eingesetzt, die sowohl das Fahrzeug untersuchen als auch das Mercedes-Benz Konzernarchiv für die Recherche nutzen.
Die Ergebnisse werden in einem umfangreichen Dokument festgehalten, das die individuelle Fahrzeuggeschichte bis zur Auslieferung sowie die genaue Authentizität des Fahrzeugs beschreibt. Wie viele Expertisen pro Jahr erstellt werden und wie stark die Nachfrage gestiegen ist, dazu möchte sich Scheibner nicht äußern.
Unterdessen gibt es neue Details zu der unter Betrugsverdacht stehenden Firma. Nach einem Bericht der "Stuttgarter Nachrichten" zeigen die im Bundesanzeiger einsehbaren Geschäftsberichte zu Kienle, dass die Firma schon Liquiditätsprobleme gehabt habe, bevor es Ende Mai 2023 zur Razzia wegen des Verdachts auf gewerbsmäßigen Betrug kam. Im Jahr 2020, geprägt von den Corona-Lockdowns, habe Kienle einen Verlust von 1,1 Millionen Euro verbuchen müssen In Summe schrieb Kienle laut "Stuttgarter Nachrichten" im Zehnjahreszeitraum 2012 bis 2021 Verluste.
- autobild.de: Klaus Kienle unter Verdacht
- Anfrage bei der Mercedes-Benz Heritage GmbH per E-Mail
- stuttgarter-nachrichten.de: Kienle musste schon länger um die Liquidität bangen