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AUF1: Dieser Verschwörungssender trickst sich ins deutsche Free-TV


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Verschwörungssender trickst sich ins TV
Rechte blasen zu "Angriff aufs Medienkartell"


11.09.2023Lesedauer: 4 Min.
AUF1-Chef Stefan Magnet: Der umstrittene TV-Sender ist jetzt auch in Deutschland empfangbar.Vergrößern des Bildes
AUF1-Chef Stefan Magnet: Der umstrittene TV-Sender ist jetzt auch in Deutschland empfangbar. (Quelle: Youtube/AUF1)
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Rechte Umstürzler und Björn Höcke lieben AUF1. Jetzt hat es das radikale Alternativmedium ins Fernsehen geschafft – dank eines Arztes aus Stuttgart.

Seit Anfang September haben Lügen, Verschwörungsmythen und antisemitische Codes einen festen Platz im deutschen Fernsehen. Jeden Tag sendet AUF1 seither sechs Stunden lang TV-Programm via Astra-Satellit. Zur Frühstücksfernsehzeit morgens von 6 bis 8 Uhr und noch einmal abends vier Stunden lang flimmern Propaganda und Desinformation über den Bildschirm: "Globalisten" wollten die Macht an sich reißen, heißt es dort. Corona, Krieg und Klimawandel seien nur Inszenierungen, und Europa werde "gezielt überfremdet".

AUF1 steht für Alternatives Unabhängiges Fernsehen, Kanal 1 und ist das aktuelle Lieblingsmedium vieler deutschsprachiger Rechtsextremisten. Bisher konnte der rechte Rand die Tiraden von Chefredakteur Stefan Magnet, die Interviews mit Corona-Leugnern, AfD-Politikern und vom Verfassungsschutz beobachteten Szenegrößen allerdings nur im Internet verfolgen. Der TV-Start von AUF1 ist für die Fans ein Meilenstein.

Björn Höcke freut sich über "Great Reset" im echten Fernsehen

"Das letzte Rückzugsgebiet der Systemmedien, wo sie unter sich waren, wird nun Schritt für Schritt erobert", jubilierte Björn Höcke gemeinsam mit AUF1 vor wenigen Tagen. Endlich komme die Erzählung vom "Great Reset" ins echte Fernsehen zu 120 Millionen Haushalten in ganz Europa. Chefredakteur Magnet verkündete den "Großangriff aufs Medienkartell", das man durch bloße Anwesenheit "zerstören" werde.

Und nicht nur Höcke ist ein Fan. Auch die "Vereinten Patrioten" planten schon vor Monaten mit AUF1. Die Gruppe, die Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) entführen, die Regierung stürzen und eine neue einsetzen wollte, hatte laut ihrem Kopf Sven Birkmann vor, die konstituierende Sitzung des nachrevolutionären, neuen Parlaments im Fernsehen übertragen zu lassen. "Vielleicht von AUF1", bekundete Birkmann im Juni vor Gericht.

Der Arzt aus Stuttgart, der AUF1 das TV ermöglichte

Dass AUF1, dieses von Ultrarechten so geschätzte Medium aus Österreich, den Sprung vom Internet auf die deutschen Fernsehbildschirme geschafft hat, hat auch mit einem Arzt aus Stuttgart zu tun. Er und Magnet haben die deutsche Medienaufsicht dabei schlicht überrumpelt.

Schon 2019 hatte Wilfried Geissler als Internist gemeinsam mit der AfD Front gegen Dieselfahrverbote gemacht und die gesundheitsschädigende Wirkung von Abgasen bestritten. Auf derselben Veranstaltung sprach ein AfD-Mann davon, die Diesel-Kritiker nutzten Methoden, die "schlimmer als im Nationalsozialismus" seien. Geisslers Frau Sigrid Borst ließ sich später als AfD-Landtagskandidatin aufstellen und gehörte zum inneren Kreis von "Querdenken-711".

Geissler selbst versuchte, seine Gedanken via YouTube zu verbreiten. Sein Kanal "SchwarzRotGold TV" blieb allerdings stets nur eine ganz kleine Nummer im "Querdenker"-Universum. Heute hat er gerade einmal etwas mehr als 5.000 Abonnenten, die einzelnen Videos kommen zumeist nur auf wenige Hundert Aufrufe.

Für 5.000 Euro bekam Wilfried Geissler die Rundfunklizenz

Doch der Stuttgarter hatte schon von Beginn an Größeres im Sinn. 2021 beantragte er bei der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg eine Rundfunklizenz. Seine Themen seien Politik, Gesundheit und Lebenskunde, die Hauptzielgruppe des Programms Zuschauende ab 40 Jahren.

Die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK), das zentrale Organ der 14 deutschen Landesmedienanstalten, prüfte den Antrag. Am Ende war das Votum einstimmig: Seit dem 13. Juli 2021 verfügt Geissler über die Lizenz, bundesweit zu senden. Eine Gefahr für die Medienvielfalt im Land konnte die Kommission demnach in "SchwarzRotGold TV" nicht erkennen – bei aller offensichtlichen AfD-Nähe von Geissler.

5.000 Euro an Gebühren musste der Mediziner nach Informationen von t-online für die Free-TV-Lizenz auf den Tisch blättern. Genutzt hat er sie allerdings mehr als zwei Jahre lang nicht. Bis sich jetzt plötzlich Fernsehfans wunderten: "Was ist das für ein Programm auf 10921?"

AUF1 und "SchwarzRotGold TV": Niemand hat Bescheid gesagt

"Sehr konfuse Sendung über Corona", befand ein Teilnehmer im Forum des Special-Interest-Portals "DigitalFernsehen". "Kann ich nicht einordnen. 'Querdenker' oder so."

Die Erklärung: "SchwarzRotGold TV" hatte unter dem Kanal-Namen SRGT zu senden begonnen. Aber nicht der Stuttgarter Arzt Geissler steht im Zentrum der Sendungen, sondern AUF1-Chef Magnet aus Österreich. Die Inhalte stammen von ihm und seinem Team.

Die Behörden der deutschen Medienaufsicht waren davon genauso überrascht wie die Teilnehmer des "DigitalFernsehen"-Forums. Ihnen hatte niemand Bescheid gesagt. Dabei wäre Geissler dazu wahrscheinlich verpflichtet gewesen: Bedeutende Änderungen im Programm müssen angezeigt werden. "Deshalb befinden wir uns hierzu aktuell im Austausch mit dem Veranstalter", teilte die Landesanstalt für Kommunikation t-online mit.

Medienanstalt muss jetzt AUF1 gucken

Dass Geissler und AUF1 dieser Coup gelungen ist, bedeutet allerdings noch lange nicht, dass er auch von Dauer ist: Die LFK muss nun untersuchen, auf welcher Grundlage Geissler und AUF1 genau kooperieren. Dabei wird wohl auch die Frage im Raum stehen, ob AUF1 nicht selbst eine Lizenz hätte beantragen müssen.

"Des Weiteren findet im Rahmen einer Programmbeobachtung durch die LFK eine Sichtung der aktuell auf 'SchwarzRotGold TV' ausgestrahlten Inhalte statt", heißt es vonseiten der LFK. Das bedeutet übersetzt: Die Behördenmitarbeiter müssen sich nun durch die AUF1-Sendungen quälen, alles genau analysieren und juristisch bewerten.

Falls die Gutachter feststellen sollten, dass AUF1 systematisch Fake News und volksverhetzende Inhalte bringt, könnte ein Lizenzentzug die Folge sein. "Daneben ist grundsätzlich auch die Verhängung von Geldbußen möglich, soweit es sich bei den begangenen Rechtsverstößen um Ordnungswidrigkeiten handelt", schreibt die LFK. Wie lange der ganze Prozess dauert, ist offen.

Verfassungsschutz: viele verschwörungsideologische Themen

Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Baden-Württemberg hat ebenfalls ein Auge auf die neuen Medienaktivitäten ganz Rechtsaußen geworfen: "Dem LfV ist bekannt, dass AUF1 als 'alternatives Medium' auch von Personen rezipiert wird, die dem Phänomenbereich 'Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates' zugeordnet werden", teilt die Behörde t-online mit.

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Und aus der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst, dem österreichischen Verfassungsschutz, heißt es über AUF1: "Inhaltlich werden zahlreiche verschwörungsideologische Themen behandelt. Aufgrund der Themenwahl des Senders kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein gewisser Einfluss auf extremistische oder verschwörungsideologische Kreise gegeben ist. Sollten verfassungswidrige beziehungsweise strafbare Inhalte wahrgenommen werden, werden diese den rechtsstaatlichen Prinzipien zufolge selbstverständlich zur Anzeige gebracht."

Stefan Magnet war früher Neonazi-Führungskader

Die "extremistischen oder verschwörungsideologischen Kreise" kennt AUF1-Chef Magnet im Übrigen aus nächster Nähe: Er war vor rund 20 Jahren Führungskader der österreichischen Jugendorganisation "Bund freier Jugend", die das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) als neonazistisch einordnet.

Magnet hat bisher auf eine Anfrage von t-online nicht reagiert. Auch Wilfried Geissler war für t-online bislang nicht zu erreichen.

Verwendete Quellen
  • Anfrage an AUF1-Chef Magnet
  • Anfrage an die Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg
  • Anfrage ans Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg
  • Anfrage an die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) im österreichischen Bundesinnenministerium
  • kek-online.de: Datenbankeintrag zu "SchwarzRotGold TV"
  • northdata.de: Informationen zur schwarz rot gold tv GmbH von Wilfried Geissler
  • Telegram-Kanal von Björn Höcke
  • stuttgarter-nachrichten.de: "AfD-Mann nennt Fahrverbote Nazimethoden"
  • forum.digitalfernsehen.de: Thema "SRGT" im Unterforum "Astra/Hot Bird-News"
  • correctiv.org: "Was hinter AUF1 und der Ausbreitung des österreichischen Verschwörungssenders steckt"
  • ndr.de: "'Zeigen, was der Mainstream nicht berichtet'", Interview mit Stefan Magnet
  • doew.at: Gesammelte Informationen über Stefan Magnet und den "Bund freier Jugend"
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