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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Besuch in der JVA Ballweg-Anwalt: "Er wollte nicht auswandern"
Seit gut einer Woche sitzt "Querdenken"-Gründer Michael Ballweg in U-Haft. Jetzt traf ihn sein Anwalt und sprach mit ihm über seine Pläne.
Michael Ballweg hatte nach Darstellung seines Anwalts Alexander Christ keine konkreten Pläne, Deutschland dauerhaft zu verlassen und auszuwandern. Der Anwalt konnte Ballweg am Freitag in der JVA Stuttgart-Stammheim treffen, eine Glaswand zwischen ihnen. Masken habe niemand getragen, ihm sei aber eine FFP2-Maske gereicht worden, sagte der Anwalt.
Der Haftbefehl Ballwegs war mit Fluchtgefahr begründet worden, weshalb mögliche Pläne bei einer Einschätzung eine Rolle spielen könnten. Der Anwalt habe Ballweg im Gefängnis gefragt, ob er bereits ein Flugticket gekauft hatte, Ballweg verneinte. In seinen Mails habe es eine Anfrage einer Spedition gegeben, ob sie sich bei einem Flug auch um den Transport seines Hundes kümmern müsse. "Es war aber nichts konkret." Protagonisten aus der Szene hatten dagegen in Videos gesagt, Ballweg wandere jetzt aus und sei unter denen, die "im Ausland sein müssen".
Zur Durchsuchung und Festnahme waren die Polizisten am 30. Juni in ein ausgeräumtes Haus gekommen. Ballweg wollt es verkaufen. Ein Grund sei die bevorstehende Scheidung von seiner Frau, so Christ. Nach t-online-Informationen war Ballweg zuvor nach einem längeren Aufenthalt in Costa Rica angereist. Auch gegen die Frau wird ermittelt. Bei den Vorwürfen geht es um den Verdacht auf Betrug und Geldwäsche und um einen höheren sechsstelligen Betrag.
Wie hoch waren Einnahmen und Ausgaben?
Ballweg habe verschiedene Ideen für ein neues Leben verfolgt, aber noch keine Entscheidung getroffen, wo er künftig leben wolle. Er habe sich auch Gedanken über einen Bio-Bauernhof in Schwaben oder ein Leben in einem Dorf im Osten gemacht, so sein Anwalt.
Mit dem Hinweis, dass Ballweg keine konkreten Auswanderungs- oder Fluchtpläne gehabt habe, wollen die Verteidiger offenbar die Angemessenheit des Haftbefehls anzweifeln. "Querdenken"-Anwalt Ralf Ludwig, enger Vertrauter von Ballweg, hatte zuvor in einem Telegram-Post angedeutet, die Staatsanwaltschaft habe gar keine Hinweise, die einen dringenden Tatverdacht rechtfertigten. Seine Logik: Ballweg könne eigentlich gar nicht betrogen haben, wenn er geringere Einnahmen aus Schenkungen gehabt habe, als er für "Querdenken" zahlte.
Offenbar gingen die Behörden zur Festnahme von Einnahmen von bislang gut 1,2 Millionen Euro aus, von denen er einen Teil von privaten Konten auf andere private Konten transferiert habe. Unklar ist aber offenbar, ob darin Beträge auf Bitcoin-Konten und Barspenden enthalten sind.
In 2020 Ausgaben von 1,044 Millionen Euro für "Querdenken"
Ballweg hatte nie seine Einnahmen offengelegt. Zu den Kosten für "Querdenken" hatte er in einem von ihm vorgelegten "Transparenzbericht" für das Jahr 2020 behauptet, in dem Jahr Ausgaben von 1,044 Millionen Euro gehabt zu haben. Für 2021, als "Querdenken" deutlich weniger aktiv war, gibt es bisher keinen solchen Bericht.
Die Rechnung seiner Anwälte: Wenn Ballweg für "Querdenken" auch im Jahr 2021 zumindest mehrere Hunderttausend Kosten hatte, dann bleibt von den angenommenen Einnahmen nichts übrig. Ob er die Kosten für "Querdenken" in der von ihm angegebenen Höhe auch tatsächlich hatte und wie hoch seine Einnahmen insgesamt waren, dürfte Gegenstand der Ermittlungen sein.
Ballweg machte keine Angaben zum Impfstatus
Über die Ergebnisse wissen die Verteidiger bisher sehr wenig. Anwalt Christ erklärte, bis zum Freitag hätten sie dazu nichts erhalten. In Wirtschaftsstrafsachen sei es nicht unüblich, dass die Verteidigung die Akten spät erhält. Akten nicht einmal auszugsweise zu bekommen oder einsehen zu können, halte er aber in der Haftsache für "ungewöhnlich". Die Staatsanwaltschaft teilte allerdings am Freitag dem SWR mit, es sei nun Akteneinsicht erteilt.
Der Besuch des Anwalts dürfte für Ballweg willkommene Abwechselung gewesen sein: Er hat zwar mehr als 400 Briefe von Unterstützern erhalten, bekommt aber in der JVA wenig Menschen zu sprechen. Bis Anfang nächster Woche sei er in Quarantäne, so der Anwalt. Die Regelungen dazu können von den Anstalten selbst getroffen werden, in Stammheim würden 11 bis 13 Tage ausgesprochen. Dann bekomme er eine Einzelzelle.
Dass Ballweg in Quarantäne musste, liegt offenbar auch an ihm selbst: Sein Anwalt Christ sagte, Ballweg habe keine Angaben zu seinem Impfstatus machen wollen.
- Gespräch mit Anwalt Christ
- Twitter: Video mit Aussage, dass Ballweg auswandert
- Twitter: Video mit Aussage, dass Ballweg im Ausland leben müsse
- querdenken-711.de: Transparenzbericht (archiviert)
- swr.de: Erstes persönliches Treffen zwischen Ballweg und seinem Anwalt