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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Spektakel auf dem Cannstatter Wasen Rammstein-Wahnsinn in Stuttgart: So war das Konzert
Die Konzerte von Rammstein erreichten in Stuttgart nie dagewesene Dimensionen. Spektakel pur! Alle waren begeistert – auch der Autor dieses Textes.
Ich gebe es besser gleich zu: Ja, ich bin ein Fan dieser Band. Doch in den vergangenen Jahren wurde mein Fan-Dasein einige Male hart auf die Probe gestellt. Mit ihrer gigantischen Pyroshow haben Rammstein am Freitagabend in Stuttgart das Feuer in mir aber endgültig wieder zum Lodern gebracht. Doch der Reihe nach.
Meine Liebe zur Band entdeckte ich Anfang der 2000er-Jahre als Teenager. Zu der Zeit erschienen die drei Alben "Mutter", "Reise, Reise" und "Rosenrot". Die Band erreichte internationale Erfolge und wurde durch den Gastauftritt bei "Triple X" (mit Vin Diesel in der Hauptrolle) weltberühmt. Und natürlich waren die brachiale Musik und das martialische Auftreten bestens geeignet, um die eigenen Eltern damit ein wenig zu provozieren. Was man eben so macht als Pubertierender.
Mit der Tour zum Album "Liebe ist für alle da" erlebte ich dann – endlich! – auch mein erstes Livekonzert mit Rammstein. Auch in Stuttgart; in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle. Danach wurde es langsam ruhiger um die Band. Ich sah sie noch ein paar Mal auf diversen Festivals, wo sie meist in etwas abgespeckter Form auftreten. Es sollten außerdem zehn Jahre bis zum nächsten Album vergehen. 2019 erschien das Album "Rammstein". Und es war enttäuschend.
Rammstein kündigen Konzerte für Stuttgart an
Nur ein, zwei Songs waren dabei, die mich packten und an das erinnerten, was die Band einst so besonders gemacht hat für mich. Nach der langen Pause wurde eine Tour angekündigt. Zunächst nur für die größten deutschen Städte – zu denen Stuttgart natürlich nicht gehört. Als die Tour dann sehr schnell – also wirklich sehr, sehr schnell; binnen Minuten – ausverkauft war, wurden weitere Konzerte angekündigt. Auch in Stuttgart.
Kritik am Album hin oder her: Ich hatte große Lust, mal wieder auf ein Konzert der Band zu gehen. Zu lange war es her, dass ich die sechs Jungs live gesehen hatte. Und sind wir mal kurz ehrlich: Bei Rammstein-Konzerten ist die Musik fast zweitrangig. Ich besorgte mir im Juli 2019 also Tickets für den Auftritt in der Mercedes-Benz Arena in Stuttgart. Da dieser erst für den 2. Juni 2020 angesetzt war, war also warten angesagt.
Und dann kam Corona. Das Konzert wurde von 2020 um ein Jahr auf 2021 verschoben. Und dann noch einmal auf 2022. In der Zwischenzeit verlor ich wieder ein wenig das Interesse. Erst als während der Pandemie die Sehnsucht nach Livekonzerten in mir wuchs, entdeckte ich die Band wieder. Ich schaute ihre Livekonzerte bei diversen Streaminganbietern wieder und wieder an. Spielte alte YouTube-Videos von Auftritten ab und hörte die Live-Alben auf Spotify.
Anfang dieses Jahres veröffentlichten Rammstein dann ihr bereits achtes Studioalbum – und das gefiel mir schon wieder sehr viel besser. Auch der Konzerttermin in Stuttgart rückte immer näher. Als ich Anfang der Woche einen ersten Blick auf die riesige Bühne werfen konnte, war es endgültig um mich geschehen. Ich kannte nur noch eines: Vorfreude. Ich hörte die Musik im Auto rauf und runter.
Wenn aus dem Nichts eine Arena für 50.000 Menschen entsteht
Dann kam der Freitag und ich bekam Gänsehaut, als ich die Menschenmassen sah. Mehr als 50.000 Besucher durften auf den Wasen. Dort haben die Veranstalter als Ersatz für das sich im Umbau befindliche Stadion aus dem Nichts Tribünen für 18.500 Zuschauer erbaut. Die Stimmung war bestens. Strahlende Gesichter von überwiegend schwarz gekleideten Menschen, so weit das Auge reicht.
Und die Band lieferte. Von den echten Klassikern bis zu Songs aus dem neuen Album blieb fast kein Wunsch offen. So viel zur Nebensache des Konzertes, der Musik. Denn was Rammstein showmäßig an diesem Abend ablieferten, dürfte auf der ganzen Welt einzigartig sein. Eine Bühne, die so hoch ist wie ein Riesenrad. Mit einem Aufzug, der alle sechs Bandmitglieder in schwindelerregende Höhen befördert – und zwischendurch auch mal kurz zum DJ-Pult wird.
Zwischen den Tribünen mitten im Stehbereich waren außerdem vier weitere Türme aufgebaut, die wie die Hauptbühne immer wieder Flammen in die Höhe schossen. Mitunter glich das Konzert einem flammenden Inferno, etwa bei dem Song "Sonne". Und auch ich war Feuer und Flamme; fühlte mich wie ein kleines Kind, das zum ersten Mal ein Feuerwerk erlebt.
Ein kleiner Wermutstropfen
Der einzige Wermutstropfen blieb die frühe Uhrzeit, zu der das Konzert beginnen musste, um nach rund zweieinhalb Stunden rechtzeitig um 22.30 Uhr fertig zu sein – die Anwohner sollten nicht übermäßig belästigt werden. Bei Dunkelheit hätte die Lichtshow vermutlich noch ein wenig mehr eindrucksvoller gewirkt. Zum Schluss war es dann aber auch dunkel, und ich war zufrieden.
Viele der Anwohner übrigens fühlten sich von der Musik gar nicht belästigt, denn die Mercedes-Straße war voller Schaulustiger, die versuchten, einen Blick über die Zäune zu erhaschen, während sie der Musik lauschten. Ein Lokführer schätzte später, dass es mehrere Tausend weitere Menschen waren.
Ihn und die Bahn, die er fuhr, brachten die Massen an seine Grenzen. Noch nie habe er so viele Menschen erlebt und befördert, sagte er, kurz bevor er die letzte Runde des Tages einleitete. Das Bremsverhalten sei ganz anders gewesen und teilweise brauchte es mehrere Anläufe, bis die Türen endlich zu waren. So dicht drängten sich die Passagiere. Auch das Sicherheitspersonal bestätigte, dass selbst bei Fußballspielen nicht so viele Leute über die Haltestelle Neckarpark abreisen. Extrem anstrengend sei das gewesen.
Am Ende aber waren alle glücklich, wie der Tag gelaufen ist. Ich bin es auch und werde noch oft an diesen Tag zurückdenken.