Bilanz Sparkassenverband: "Schockstarre im Immobiliensektor"
Die Zinswende, die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine mit Energiekrise und Rezessionsängsten haben den Sparkassen in Westfalen-Lippe im 2. Halbjahr 2022 das Geschäft erheblich erschwert. Die Zusagen für Baukredite an Privatkunden sind in der zweiten Jahreshälfte im Vorjahresvergleich von 4,0 Milliarden auf 2,9 Milliarden Euro eingebrochen, wie der Sparkassenverband Westfalen-Lippe an Dienstag in Münster mitteilte.
Sparkassen-Präsidentin Liane Buchholz sprach bei der Vorstellung der Bilanz 2022 von einer Schockstarre im Immobiliensektor. Als Gründe nannte sie den heftigen Zinsanstieg, hohe Immobilienpreise, das durch die Inflation geringere verfügbare Einkommen sowie instabile Förderbedingungen. Weil sich im ersten Halbjahr allerdings noch der positive Trend aus dem Jahr 2021 fortgesetzt habe, sei das Minus bei den Neuzusagen für Wohnungsbaukredite von 6,6 Prozent auf 7,5 Milliarden Euro noch erträglich ausgefallen.
Der Sparkassenverband rechnet bei Immobilien, mit Ausnahme von Wachstumsregionen wie Münster, mit einem Preisrückgang um rund 10 Prozent. Wegen des Trends zum Homeoffice geht Buchholz auch von rückläufigen Preisen bei Büroimmobilien aus.
Bei Firmenkrediten ergab sich 2022 ein vergleichbares Bild. Während im ersten Halbjahr Kredite von 8 Milliarden Euro zugesagt wurden (plus 22,8 Prozent), gab es im zweiten Halbjahr mit 5,6 Milliarden Euro einen Rückgang um knapp 19 Prozent. Unterm Strich blieb im vergangenen Jahr ein Plus bei den Zusagen von 1,4 Prozent.
Bilanzrisiken in Folge des Zinsanstiegs und damit verbundener Abschreibungen im Bereich der Wertpapiere gibt es Buchholz zufolge nicht. "Da diese Papiere, die die Sparkassen in der Vergangenheit kaufen mussten, sehr niedrig verzinst waren (Stichwort Niedrigzinsphase) führte der rasante EZB-Zinsanstieg zu einem rasanten Verfall der Wertpapierkurse in wenigen Wochen", sagte die Verbandspräsidentin. Es handele sich um "temporäre, handelsrechtlich notwendige Abschreibungen, da die Sparkassen am Ende der Laufzeit die Anschaffungskurse für die Wertpapiere zu 100 Prozent zurückerhalten".
Die Kurse werden sich nach Überzeugung von Buchholz wieder erholen, und die Abschreibungen aus 2022 würden durch Zuschreibungen in den nächsten drei Jahren wieder ausgeglichen. Nach Angaben von Vize-Präsident Jürgen Wannhoff mussten die Sparkassen Westfalen-Lippe 668 Millionen Euro bei den Wertpapieren abschreiben. Bei einem Ergebnis von 1,4 Milliarden Euro sei das aber kein Problem.
In den vergangenen Jahren hatte die Corona-Pandemie das Geschäft der Sparkassen bestimmt. 2022 Jahr kam der Krieg in der Ukraine dazu. Nach Angaben von Buchholz haben die Sparkassen in Westfalen-Lippe Zehntausende Konten für Flüchtlinge aus dem Land eingerichtet und so wichtige Hilfe geleistet.
Insgesamt wandelt sich das Verhalten der Kunden weiter in Richtung Internet. Die Onlinebanking-Quote stieg auf 69 Prozent. Die Zahl der Filialen vor Ort ging im vergangenen Jahr von 1164 auf 1103 zurück.
Nach Fusionen Anfang des Jahres 2023 liegt die Zahl der Sparkassen im Verband Westfalen-Lippe bei 50. Die Gesamt-Bilanz legte 2022 um 2,4 Prozent auf 166 Milliarden Euro zu. Die Zahl der Beschäftigten sank von etwas mehr als 22 000 auf rund 21 500.
- Nachrichtenagentur dpa