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Corona/Mainz: Schauspiel must go on – "habe Optimismus wiedergefunden"


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Corona als härteste Probe
Schauspiel must go on – "habe Optimismus wiedergefunden"


19.03.2021Lesedauer: 5 Min.
Kunstwerkstatt Königstein: Teenager proben ein Theaterstück vor den Räumlichkeiten.Vergrößern des Bildes
Kunstwerkstatt Königstein: Teenager proben ein Theaterstück vor den Räumlichkeiten. (Quelle: Henrik Rampe)
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Schauspieler sind nicht weg, aber irgendwo hinter dem Theatervorhang verschwunden. Die Mainzerin Milana Weidmann ist Theatercoach und freie Schauspielerin im Ensemble "Kolibri Entertainment". Der Lockdown ist ihre härteste Probe.

Eigentlich wollte Milana Weidmann gerade Cora Hübsch sein. Sie wollte auf der Bühne stehen, sie wollte dabei Rotkäppchen-Sekt trinken und ihr erstes Soloprogramm präsentieren: "Mondscheintarif", eine Liebeskomödie.

Dreimal Konjunktiv in den ersten beiden Sätzen. Was sind schon Planungen, wenn die Weltbühne einem 0,12 Mikrometer großen Virus gehört? Und so steht Weidmann an diesem Tag, der ihre Solopremiere hätte sein sollen, in einem Kiesbett mit Panoramablick auf den Taunus, und hat nur Augen für ihre Theaterschüler. Draußen vor den Räumen der Kunstwerkstatt Königsstein proben neun Teenager ihr Theaterstück "Extrem Du".

Es geht um eine Schulklasse, die aufgeschreckt vom ABC-Alarm mit einem Raumschiff das Weite sucht. Eine gespielte Nuklearkatastrophe in einer ziemlich realen Viruskrise. Das Drehbuch haben die Jugendlichen selbst geschrieben. Weidmann hat sie dabei begleitet, hat erklärt, was ein ABC-Alarm ist und gefragt, ob das denn ein harmonisches Zusammenleben auf dem neuen, sterilen Planeten sei.

Szene 1: Das Raumschiff ist soeben auf dem fremden Planeten gestrandet und die Schüler erkunden unbekanntes Terrain. Was auch manchmal so aussieht, aber auch gelegentlich den Anschein erweckt, als stolzierten Models orientierungslos den Laufsteg entlang oder als schlenderten Spaziergänger durch den Vordertaunus. Aber Theater ist immer auch Vorstellungskraft.

Schauspielcoach Weidmann lobt lautstark und beendet die Szene mit einem langgezogenen "juuut", sodass man denken könnte, sie sei gebürtig aus Berlin-Marzahn und nicht aus Almaty, Kasachstan. Aber wie viel ist gerade "jut" im Leben einer freien Schauspielerin?
"Ich hatte drei Wochen Angst, also so richtig", sagt Weidmann. Das war im ersten Lockdown, oder besser: Lockdown erster Akt. Und dann? "Dann habe ich meinen Optimismus gesucht und wiedergefunden."

Kurz vor der Krise selbstständig gemacht

Weidmann hat sich im Herbst 2019 selbstständig gemacht. Sie bietet Coachings für Kinder, Jugendliche und angehende Schauspieler an. Sie ist Regisseurin, Autorin und freie Schauspielerin. Und wider Willen: Expertin für Infektionsschutz. Die 32-Jährige hat Probenkonzepte für drinnen, für draußen, für Präsenz, digital und alle erdenklichen Mischformen geschrieben. Jeder E-Mail, die sie an ihre Schüler und deren Eltern schickt, sind grundsätzlich drei Anhänge beigefügt: eine Genehmigung vom Ordnungsamt, die 16. Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz (CoBeLVO) und das eigene Hygienekonzept.

Sie hat sich auch eine Videokamera gekauft. Denn das Raumschiff wird in den Osterferien nicht auf der Theaterbühne landen, sondern im Kinosaal. Eine Inszenierung als Kurzfilm. Die Eltern und Geschwister der Protagonisten sind eingeladen, jeder Haushalt in einer Reihe. So wahr die Corona-Verordnung will. Aber erst mal von Probe zu Probe denken.

"Hätte sie gerne umarmt"

An diesem Samstag hat ihr Frida eine selbstgemachte Zimtschnecke mitgebracht. "Ich hoffe du magst Zimtschnecken?", hat die Teenagerin noch fragend angefügt. Zwei strahlende Menschen, zwei ausgestreckte Armlängen voneinander entfernt und verbunden mit einer Tupperdose samt Zimtschnecke. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, steht so in der Bibel. Und von Zimtschnecken? "Ich hätte Frida da so gerne umarmt. So süße Gesten entschädigen für unzählige Nachtschichten", sagt Weidmann.

An der Schauspielschule Wiesbaden hat sie nicht nur Gesang, Tanz und Sprechtext gelernt, sondern auch, sich finanziell über Wasser zu halten. Abseits von Hollywood ist Bühnenkunst immer auch Überlebenskunst. In der Pandemie haben sich viele Kollegen beruflich umorientiert. Aus Schauspielern werden Logopäden und Grundschullehrer. Und selbst? "Wenn das ein Pokerspiel ist, dann gehe ich all-in." Garantien gibt es nirgendwo, aber Engagements an Staatstheatern versprechen finanzielle Sicherheit. "Das klingt im ersten Moment reizvoll." Und im zweiten? "Da wird dann immer Hamlet oder Faust gespielt, weil irgendein Kultusministerium das gerade auf den Lehrplan gesetzt hat und ich spiele sowieso wieder die süße Prinzessin, weil alle Regisseure meinen, ich bin eine süße Prinzessin. Das will ich nicht."

Theater-Enthusiasmus nach Corona?

Momentan ist es schwierig, Gastrollen zu ergattern. Castings werden ausgesetzt, Nebenrollen aus Infektionsschutzgründen zusammengestrichen. Seit Monaten sind keine Vorhänge mehr gefallen. Hinter den Vorhängen wird trotzdem geprobt. Und so steht auch Milana Weidmann am Tag nach dem Coaching mit den Jugendlichen wieder auf der Bühne, die ein Teppich im Industriegebiet Mainz-Hechtsheim ist. Ihr angemieteter Probenraum ist ein altes Klassenzimmer, die Tafel ziert als Relikt vergangener Tage den Raum.

Ihre Proben sind auch eine Wette auf die Zukunft. Auf eine Zukunft, in der Menschen müde von der Mattscheibe wieder in Theatersäle strömen. Also, falls es das dann gibt: den Theater-Enthusiasmus. "Ich glaub schon", sagt Weidmann. Um dann hinterherzuschieben: "Also zumindest am Anfang." Sie spielt aber auch mit dem Gedanken, die Ticketpreise zu senken. Nicht verscherbeln, Kunst hat ihren Preis und ihren Stolz, aber vielleicht müsse sie da dem Publikum entgegenkommen. "Wer weiß, wer sich das dann noch leisten kann in Zukunft?"

In der Gegenwart sitzt vor Weidmann kein Publikum, sondern ein Plastikbecher und die Flasche Rotkäppchen-Sekt, in der aber nur Wasser ist. Was vielleicht auch besser so ist, weil die Szene mehrmals wiederholt wird. Ihr Soloprogramm ist nicht gestrichen, sondern nur verschoben. Vielleicht geht ja was im Juli oder August. Im vergangenen Sommer hat Weidmann auf dem Apfelhof Rotkäppchen gespielt, mit roter Bommelmütze in der Mittagshitze. Das könnte sie wieder aufleben lassen mit ihrem dreiköpfigen Ensemble. "Eine Woche, dann lass ich mich wieder vom Wolf fressen. Die Inszenierung steht. Wir haben da halt nur selten auftreten können", sagt sie.

"Kolibris der neuen Theatergeneration"

Kolibri Entertainment heißt ihre Theatergruppe. Kolibri, weil der winzige Vogel schon bei den Inka als hoffnungsvoller Bote einer neuen Epoche galt. "Wir glauben daran, die Kolibris der neuen Theatergeneration werden zu können", schreibt das Ensemble auf seiner Website. Der Kolibri ist aber auch der weltweit einzige Vogel, der seitwärts und sogar rückwärts fliegen kann. Spontane Richtungswechsel in der Pandemie. Ihr neuer Alltag, meint Weidmann: "Ich habe Triathlon in drei Disziplinen gelernt, von denen ich nicht mal wusste, dass es sie gibt." Ihr Motto dabei: "Entweder ich gewinne, oder ich lerne dazu."

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Ob sie sich alleingelassen fühlt? Von der Politik? Von der Generation Netflix? "Nein. In meiner Wahrnehmung wird so viel über Theater, Kunst und Künstler gesprochen wie nie zuvor." Statt finanzieller Unterstützung wünscht sie sich Freiräume. Parkanlagen, die unbürokratisch zu Bühnen werden, leerstehende Messehallen, distanziert bestuhlt für Publikum.

Soforthilfen hat sie keine beantragt, es lief ja soweit alles. Nicht so wie geplant, aber es lief. Ihre Kurse sind ausgebucht. Eltern rufen sie an und bedanken sich persönlich. Ihr Unterricht sei ein Lichtblick in der Pandemie. Und es gibt selbstgebackene Lichtblicke in Tupperboxen. "Die Zimtschnecke", sagt Weidmann, während sie in ihrem Proberaum dem Tafelschwamm entgegenstrahlt, "habe ich zum Frühstück gegessen. Köstlich, auch wenn ich eigentlich kein Gluten vertrage. Aber so was sagst du dann ja nicht, du freust dich."

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit der Protagonistin
  • Eigene Beobachtungen
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