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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Expertin berichtet Rechtsextreme in der Kirche: "Es gibt mehrere Schnittmengen"
Die Theologin Sonja Strube ist Gastprofessorin an der Katholischen Hochschule Mainz. Im Interview mit t-online spricht sie unter anderem über die katholische Kirche und deren Verbindungen zum Rechtsextremismus.
Sonja Strube lehrt in diesem Semester als Gastprofessorin an der Katholischen Hochschule Mainz zu feministischer Theologie und den inhaltlichen Überschneidungen von radikalen Christen mit Rechtsextremen. Im Interview spricht sie über ihre Analyse rechtskatholischer Webseiten, die Rolle der Kirche und darüber, was die Bischofsstadt Mainz auszeichnet.
t-online: Frau Strube, warum studiert man katholische Theologie, wenn man als Frau gar nicht Pfarrer werden kann?
Sonja Strube: Auch außerhalb des Pfarramts gibt es Berufsfelder, z.B. Pastoralreferentin oder Religionslehrerin. In meiner Studienzeit Ende der Achtziger Jahre haben erstaunlich viele Frauen Theologie studiert, ohne genau zu wissen, wo sie das beruflich hinführt – einfach aus Leidenschaft für das, was Kirche sein kann.
Sie sind im Wissenschaftsbetrieb gelandet, mit dem Schwerpunkt feministische Theologie. War das für Sie als Frau ein logischer Weg, in Ihrer Forschung Ihr Hauptaugenmerk darauf zu richten?
Auf jeden Fall. Ich bin schon mit einem gewissen feministischen Bewusstsein in das Studium gegangen und dann war es selbstverständlich, dass ich bei diesem Problemfeld den Finger in die Wunde legen muss.
Neben dem Feminismus und der Theologie beschäftigen Sie sich auch mit Rechtsextremismus. Wie passt das zusammen?
Zwischen fundamentalistischen Christen und Rechten gibt es Schnittmengen im Bereich der Islamfeindlichkeit, teilweise auch des Antisemitismus. Der Anti-Gender-Aktivismus ist aber die wichtigste Verbindung. Er ist von rechten Kreisen Anfang der 2000er-Jahre als Strategie entdeckt worden, um Menschen zu erreichen, die bei anderen rechten Themen abblocken würden. Dabei konnten sie sich auch auf christliche Autorinnen und Autoren beziehen. Antifeministische Impulse kamen damals leider selbst aus dem Vatikan. Sich positiv auf christliche Schriften zu beziehen ist übrigens auch eine Strategie rechter Aktivistinnen und Aktivisten.
Was umfasst der Begriff Anti-Gender-Aktivismus?
Hier werden ganz viele Themen zusammengeworfen: Gleichberechtigung, sexuelle Orientierung, sexuelle Identität, Sexualaufklärung, auch das Thema Abtreibung. Und das ist eine Strategie. Mit dieser Mischung bekommt man ganz viele Menschen auf einmal auf seine Seite und manche sitzen plötzlich in der Klemme. Fragt man einen konservativen Bischof für eine rechtsgerichtete Anti-Gender-Aktion an und er sagt ab, wird ihm dann manchmal von rechten Kreisen vorgeworfen, er sei für Abtreibung.
Sind die Vernetzungen zwischen Rechtsextremen und christlichen Gruppierungen neu?
Neu sind sie nicht, aber sie werden durch das Internet sichtbarer und stärker. Außerdem hat sich die rechte Szene stark verändert. Die sogenannte Neue Rechte geht strategischer vor und will die bürgerliche Fassade wahren, unter anderem mit Themen der Rechtskatholiken und mit weiblichen Gesichtern. So kann niemand sagen, dass es wieder die alten, weißen Männer sind, die gegen die Gleichberechtigung vorgehen.
Ist es für Sie schwer zu verstehen, wenn gerade Frauen sich im Anti-Feminismus gegen ihre Rechte engagieren?
Ich habe mich einfach schon daran gewöhnt, dass es das gibt.
Wie geht denn die Kirche mit der Vernetzung um?
Mit Auftreten der Pegida-Bewegung 2014 gab es in der katholischen Kirche in Deutschland plötzlich ein ganz neues Problembewusstsein. Bistümer kamen auf mich zu, damit ich ihnen diese oder jene Entwicklung erkläre. Ich habe den Eindruck, dass der Einfluss der Rechtskatholiken in der Kirche gesunken ist, weil diese Kreise sich selbst entlarvt haben.
Spielen Rechtskatholiken auch bei den Corona-Leugnern eine Rolle? Rechtsextreme sind dort ja sehr präsent.
Auch auf rechtschristlichen Internetseiten dominiert die Meinung, dass Corona hochgespielt werde und man sich in einer antichristlichen Diktatur befinde. Hinzu kam dann natürlich noch, dass die Corona-Maßnahmen auch Gottesdienste eingeschränkt haben. Da gab es auf diesen Seiten auch einen unheimlichen Aufschrei.
Wie wirkt sich die Corona-Pandemie denn auf Ihre Gastprofessur in Mainz aus?
Eigentlich war im November ein Präsenz-Seminar an der Hochschule geplant, das hat natürlich nicht geklappt. Es läuft also alles online.
Gibt es etwas, das Mainz als Forschungsstandort in der Theologie besonders auszeichnet?
Es gibt natürlich mit der Universität und der Hochschule eine geballte Ladung theologische Präsenz in der Stadt. Außerdem herrschte, als in den Neunzigern viele andere Bistümer noch sehr konservativ waren, in Mainz unter Kardinal Lehmann schon eine freiere Atmosphäre. Es ist auch nicht überall so, dass die Bürger der Stadt so ein gutes Verhältnis zu ihrem Bischof haben wie die Mainzer.
Vielen Dank für das Gespräch!
- Interview mit Sonja Strube