Leipzig Forscher: Rechte suchen bei Corona-Protest Schulterschluss
Rechtsextremisten suchen in ihrem Kampf gegen die staatliche Corona-Politik den Anschluss an die Mitte der Gesellschaft: An den Protesten sind nach Einschätzung des Extremismusforschers Oliver Decker zunehmend bislang unauffällige Bürger neben extremen Rechten beteiligt. "Im Grunde haben wir Menschen, die bislang nicht einmal wegen Falschfahrens auffällig geworden sind. Die aber durch Themen, die sie stark emotional betreffen, ansprechbar werden für die organisierte Rechte", sagte der Direktor des Kompetenzzentrums für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung an der Universität Leipzig am Dienstag. Gleichzeitig mobilisierten gewaltbereite Rechte und nutzten die Pandemie, um die Mitte der Gesellschaft zu erreichen.
Zu einem ähnlichen Befund kommt Deckers Dresdner Kollege Hans Vorländer. Für Corona-Demonstranten sei es zweitrangig, wer zum Protest aufrufe. "Menschen, die man als normale Bürger aus der gesellschaftlichen Mitte kennzeichnen würde, lassen sich von Rechtsextremen zu einem Spaziergang einladen. Das ist schwer nachvollziehbar", sagte der Professor an der Technischen Universität Dresden und verwies wie Decker auf Pegida.
"Es ist aber gerade die Strategie von rechtsextremen Kräften, Besorgnis und Sorgen - etwa vor einer allgemeinen Impfpflicht - zu befeuern und Leute dort abzuholen", betonte Vorländer. Manche würden zu Mitläufern, weil sie für sich keine andere Form des Protestes sehen: "Die Demonstrationen werden zur Plattform, Misstrauen gegenüber den Regierenden zum Ausdruck zu bringen."
In Sachsen seien die Querdenker-Proteste so stark, weil die Landesregierung lange Zeit weggeschaut habe und die Mobilisierung durch die extreme Rechte nicht verhindert habe, erklärte Decker. "Deshalb konnten sich Organisationsstrukturen entwickeln." Jetzt sei es wichtig, an die Strukturen der Rechten zu gehen. Splitterparteien wie Der Dritte Weg oder die Freien Sachsen seien Kader-Schmieden für die Rechte. Innenminister Roland Wöller (CDU) lasse derzeit nicht erkennen, dass er die Strukturen wirksam angehen wolle. Proteste nur durch Eingriffe der Polizei zu verhindern, reiche aber nicht.
Vorländer verwies auf einen weiteren Beweggrund für die Teilnahme an Corona-Protesten. "Die Demonstrationen dienen der Gemeinschaftsbildung. Sie locken Menschen aus ihren Häusern, die sich dort stundenlang in sozialen Netzen gewappnet und mit selektiven Informationen aufmunitioniert haben", sagte er. "Indem sie an einem Adventssonntag oder an einem Montag durch ihr Dorf oder ihre Stadt laufen, teilen sie gemeinsam Sorgen und Eindrücke und bestärken sich wechselseitig in ihrem selbsterklärten Widerstand."