Gil-Ofarim-Prozess: Gutachter sieht keine Hinweise auf antisemitischen Ruf

Prozess in Leipzig

Gutachten: Weiterer Rückschlag für Gil Ofarim

Hat jemand Gil Ofarim zugerufen, dass er seinen Davidstern wegpacken soll? Der Musiker behauptet dies, ein Gutachter findet aber keine Hinweise darauf.

Im Prozess gegen den jüdischen Musiker Gil Ofarim wegen Verleumdung und falscher Verdächtigungen hat ein Gutachter einer weiteren wichtigen Darstellung des Künstlers widersprochen. Es gebe auf den Videos der Überwachungskamera keine Hinweise auf eine Kommunikation zwischen Ofarim und einer Person in der Schlange der Lobby hinter ihm, sagte der forensische Sachverständige Dirk Labudde am Donnerstag im Landgericht Leipzig. Gänzlich auszuschließen sei dies zwar nicht, weil alle Personen mit dem Rücken zur Kamera standen, aber es habe auch keine Geste gegeben, die eine Kommunikation vermuten ließe.

Anfang Oktober 2021 hatte der Musiker in einem Instagram-Video schwere Antisemitismusvorwürfe gegen einen Manager des Leipziger Hotels erhoben. Ofarim solle seinen Davidstern abnehmen, erst dann dürfe er einchecken, soll der Mann nach Darstellung des Sängers gesagt haben. Nach umfangreichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft folgte jedoch eine Anklage gegen Ofarim selbst. Das Verfahren gegen den Hotelmanager wurde eingestellt. In Interviews hatte Ofarim zudem gesagt, dass jemand hinter ihm gesagt hätte: "Pack' den Stern weg." Im Prozess selbst hat sich der Angeklagte bislang nicht geäußert.

Laut Gutachter trug Ofarim die Kette nicht im Hotel

Der Hotelmanager sagte an einem früheren Prozesstag aus und berichtete, wie sehr er bis heute unter den Anschuldigungen leide. Ofarims Verteidigung unterstellt dem Hotelmanager Lügen.

Der Digitalforensiker hatte tags zuvor bereits gesagt, dass vom Betreten der Lobby bis zum Verlassen des Hotels keine Kette mit einem Davidstern an Ofarim sichtbar gewesen sei. Erst nachdem der Künstler das Hotel verlassen hatte, sei eine Geste erkennbar, die auf ein Herausholen des Schmucks hindeute. Wenige Minuten später hatte Ofarim das Instagram-Video aufgezeichnet. Der Digitalforensiker hatte in einem umfangreichen Verfahren sieben Videos der Überwachungskameras ausgewertet und ein 150-seitiges Gutachten erstellt. Tonaufnahmen von dem Vorfall gibt es nicht.

Chronologie der Videoaufnahmen

Vor den Ausführungen des Gutachters wurden am Mittwoch die Aufnahmen der Überwachungskameras im Gerichtssaal gezeigt. Ton nehmen die Kameras nicht auf. Was, wer zu wem gesagt hat, ist also dadurch nicht rekonstruierbar. Folgendes ist zu sehen:

• 19.17 Uhr: Ein silbergrauer Kombi hält vor dem Eingang des Westin-Hotels.
• 19.19 Uhr: Gil Ofarim steigt vom Beifahrerplatz aus dem Fahrzeug aus und öffnet den Kofferraum. Eine Fahrerin steigt ebenfalls aus und öffnet die linke hintere Seitentür. Die beiden umarmen sich und unterhalten sich noch eine Weile hinter dem Auto.
• 19.20 Uhr: Ofarim holt sein Gepäck aus dem Auto, Koffer, Tasche und Gitarrenkoffer. Er gibt der Fahrerin einen Wangenkuss, die beiden umarmen sich nochmals. Dann geht Ofarim in Richtung Hoteleingang. Er bleibt noch kurz stehen und holt eine Corona-Maske aus seiner Tasche.
• 19.22 Uhr: Neue Kameraeinstellung, die die Lobby zeigt. Ofarim betritt das Hotel mit Corona-Maske. Am Check-in-Schalter hat sich eine längere Schlange gebildet, die fast bis zur Tür geht. Ofarim spricht kurz mit einem Mann, der schon in der Schlange steht und verschwindet danach links aus dem Bild. Weitere Hotelgäste kommen herein.
• 19.26 Uhr: Ofarim kommt wieder ins Bild und stellt sich hinten in die Schlange.
• 19.31 Uhr: Zwei Stammgäste, die auch bereits im Prozess aussagten, betreten die Lobby und stellen sich an.
• 19.36 Uhr: Der Hotelmanager kommt an der Schlange vorbei und wird von den Stammgästen angesprochen. Er begibt sich nach kurzem Gespräch hinter den Check-in-Schalter.
• 19.39 Uhr: Der Hotelmanager kommt wieder zur Schlange und gibt den Stammgästen Zimmerkarten. Sie gehen in Richtung Lift. Es kommt zu einem kurzen Gespräch mit Ofarim, bei dem beide Seiten gestikulieren. Dann gehen die Stammgäste aus dem Bild.
• 19.41 Uhr: Ofarim geht an den Schalter. Er spricht kurz mit einer Mitarbeiterin am Schalter und wendet sich dann an den Hotelmanager, der einen Schalter weiter rechts steht. Zwischen den beiden entsteht eine Diskussion, während der Ofarim einmal in die Hände klatscht und mehrmals Richtung Schlange deutet. Kurz nach Beginn des Gesprächs zieht der Hotelmanager Ofarim einen Zettel weg, den dieser gerade ausfüllen möchte. Laut Zeugenaussagen handelt es sich dabei um den Meldezettel, den Hotelgäste ausfüllen müssen.
• 19.43 Uhr: Ofarim zückt sein Telefon, geht ein paar Schritte vom Schalter weg und telefoniert. Der Hotelmanager läuft um den Check-in-Tresen herum und auf Ofarim zu. Dieser macht eine abwehrende Geste mit der Hand. Der Hotelmanager weicht ihm nicht von der Seite, solange er telefoniert.
• 19.45 Uhr: Ofarim nimmt sein Gepäck und verlässt die Lobby nach draußen. Der Hotelmanager geht wieder hinter den Schalter. Kamerawechsel vor das Hotel: Ofarim kommt heraus, tippt etwas in sein Handy und läuft auf und ab.
• 19.46:04 Uhr: Hier soll sich Ofarim laut Gutachter Labudda etwas Helles über den Kopf ziehen, es sei eine Reflexion zu sehen.
• 19.47 Uhr: Ofarim holt sein Gepäck an den Bordstein und setzt sich hin. Er zieht an einer Zigarette und schaut immer wieder auf sein Handy.
• 19.56 Uhr: Ofarim hält sein Handy vor sich und spricht hinein. Er nimmt das Video auf, das er einen Tag später auf Instagram posten und damit den Fall ins Rollen bringen wird. Mehrmals zeigt er etwas wie eine Kette in die Kamera. Im Instagram-Video ist erkennbar, dass es sich dabei um seine Davidstern-Kette handelt. Er scheint sehr aufgebracht zu sein. Danach sitzt er minutenlang da und schaut auf sein Handy.
• 20.05 Uhr: Ofarim steht auf und zündet sich eine Zigarette an. Er telefoniert erneut.
• 20.08 Uhr: Er nimmt sein Gepäck und läuft weg vom Hotel aus dem Bild.