Politische Gewalt in Leipzig Eine Spur der Verwüstung
Immer wieder kommt es zu Vandalismus. Linksextremisten drohen online mit noch mehr Zerstörung. Entsteht in Leipzig gerade eine Gewaltspirale?
Es ist eine Spur der Verwüstung, die sich seit Beginn des Jahres durch Leipzig zieht. Dabei fällt auch auf: Das Geschehen hat sich in den vergangenen Jahren deutlich vom ehemaligen Brennpunkt Connewitz in östliche Stadtteile wie Reudnitz, Anger-Crottendorf oder Volkmarsdorf verlagert. Politisch motivierte Taten häuften sich hier in den letzten Jahren.
Am 11. Januar 2023 griffen Unbekannte das Haus des Jugendrechts sowie eine Außenstelle des Bürgeramtes der Stadt Leipzig mit Farbe und Steinen an. Es entstand ein Sachschaden in unbekannter Höhe.
"Sachsenforst": Bekennerschreiben mutmaßlicher Linksautonomer
Am 16. Januar 2023 brannten in einem Depot der Deutschen Post mehrere Fahrzeuge. Dies geschah unmittelbar nach den Klimaprotesten im rheinischen Lützerath. Sachschaden: über 100.000 Euro.
In der Nacht vom 15. auf den 16. Februar wurden vier Autos von "Sachsenforst" in der Heilemannstraße im Leipziger Süden angezündet. Keine 24 Stunden vorher begannen die Behörden mit Beteiligung von "Sachsenforst" mit der Räumung des Protestcamps im sogenannten Heibo – einem Waldstück bei Ottendorf-Okrilla. Ein Bekennerschreiben, das der Staatsanwaltschaft Leipzig vorliegt, bezieht sich auf die Vorkommnisse in Ostsachsen. Der Sachschaden liegt auch hier bei über 100.000 Euro.
Zuletzt zog am vergangenen Samstag eine Gruppe von etwa 40 Personen durch die Comeniusstraße nahe der Eisenbahnstraße. Sie schlugen Scheiben bei Fahrzeugen einer Baufirma ein, legten Krähenfüße aus, um Autoreifen zu beschädigen und bewarfen die Filiale einer Versicherung mit Steinen und Farbe. Es entstand ein Sachschaden im fünfstelligen Bereich.
Ein Jahr Gefängnis, eine Million Sachschaden
Nun gibt es eine Ankündigung auf der linken Nachrichtenplattform "Kontrapolis", die aufhorchen lässt. Dort veröffentlichten Unbekannte bereits am 3. Februar 2023 eine Drohung an den Staat: Für jede Hausdurchsuchung oder jedes Jahr, das ein Mensch ins Gefängnis muss, wolle man als Reaktion eine Million Euro Sachschaden bundesweit verursachen. Konkret wird sich hier auf den Prozess vor dem Oberlandesgericht Dresden gegen die Gruppe um Linksextremistin und "Nazijägerin" Lina E. bezogen, der Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen wird. Mehr dazu lesen Sie hier.
Linksextreme wollen "Drohszenario für weitere Prozesse"
Sollten alle vier Angeklagten verurteilt werden, dann würde man entsprechend für 17 Millionen Euro Sachschaden sorgen. Als mögliche Ziele für Anschläge werden Strukturen aus dem rechtsradikalen Milieu, Behörden, Firmen, die mit "Repressionsbehörden" (also beispielsweise der Polizei) kooperieren oder auch Parteien genannt.
In dem Artikel heißt es: "Uns ist bewusst, dass wir auf das aktuelle Verfahren in Dresden mit unserer Mobilisierung keinen Einfluss mehr nehmen können. Wir können allerdings das Verfahren zum Anlass nehmen, einen Preis für die Freiheit unserer Genoss*innen und Gefährt*innen zu setzen und ein Drohszenario für weitere Prozesse aufzubauen."
Die Zerstörungen der letzten Wochen im Leipziger Stadtgebiet können hier durchaus in Einklang mit dieser Ankündigung gebracht werden.
"Sie haben Namen und Adressen"
Im Weiteren tauchte Anfang der Woche auf dem freien Nachrichtenportal "Indymedia" ein Posting mit dem Titel "Sie haben Namen und Adressen…" auf, in dem vier Männer aus dem rechtsgerichteten Spektrum mit Wohnanschrift und Lebensgewohnheiten genannt werden. Anlass sei auch der Auftritt von Personen bei einer umstrittenen Boxveranstaltung in der Discothek SAX in Dölzig Anfang Februar 2023. Mehr dazu lesen Sie hier.
Auf dem weltweit agierenden Portal "Indymedia" können Menschen ohne redaktionelle Prüfung Beiträge anonym hochladen. Weil der deutsche Ableger auch von linksextremen Gruppierungen genutzt wird, um Bekennerschreiben zu veröffentlichen, wird er vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft.
LKA nimmt Drohungen ernst
Die in den Steckbriefen genannten Personen werden alle dem rechten Milieu zugeordnet. Eine Person war offenbar an einem rechtsradikalen Angriff in Connewitz im Januar 2016 beteiligt. Ein anderer Mann ist Politiker der AfD.
"Entsprechende Outings sind nicht neu und fließen bei Bekanntwerden in eine individuelle Gefährdungsbewertung ein, an deren Ergebnis sich dann mögliche Maßnahmen ausrichten. Es gab bereits mehrere vergleichbare Aktionen – daher ist es kein bis dato unbekanntes Vorgehen", sagte Tom Bernhardt, Sprecher des Landeskriminalamtes Sachsen, zu t-online. Von einer neuen Qualität des Extremismus geht man beim LKA offenbar nicht aus. Laut Bernhardt steht nach vorläufiger Einschätzung der Verdacht der öffentlichen Aufforderung zur Straftat im Raum.
Besteht für die in den Steckbriefen benannten Personen eine konkrete Gefahr? Man nehme die Lage ernst, heißt es aus dem LKA: "Eine Risikobewertung ist immer von zahlreichen Faktoren abhängig und wird auch immer wieder aktualisiert, egal ob es in der Vergangenheit schon vergleichbare Aktionen und daraus resultierende Bewertungen gab."
- kontrapolis.info: "Autonomen Antifaschismus und linke Strukturen verteidigen" vom 3. Februar 2023
- Reporter vor Ort
- Eigene Beobachtungen